Der Obermain-Marathon sollte mein zweiter Versuch werden, die Marathondistanz zu bewältigen. Wie bei mir üblich, bestand die Vorbereitung dazu nicht nur aus Laufen, sondern auch daraus, mich auf das Umfeld und die Atmosphäre der zu erwartenden Gegend einzustimmen.
Schon am Vortag fuhr ich also nach Bad Staffelstein, einem kleinen beschaulichen Kurort im fränkischen Obermain-Tal. Überragt vom Staffelberg, einer recht merkwürigen und weithin prägnanten Formation übrig gebliebener Jura-Dolomit-Felsen.
In der Vorbereitung waren mir immer wieder Heiligengeschichten, Legenden, kirchliche Anekdoten und allerlei christliches Kunst- und Geschichtswerk über den Weg gelaufen, was nicht Wunder nimmt; befand ich mich doch im fränkischen 'Gottesgarten' - geprägt von prächtigen Kirchen und Klöstern.
So gehörte auch zum Angebot der Marathon-Organisation ein Vorabend-Läufergottesdienst in der Kirche 'Vierzehnheiligen' mit einem kostenlosen Busshuttleservice von der Adam-Riese-Halle (Adam Riese ist der berühmteste Sohn der Stadt und vieles wurde nach ihm benannt) zur ca. 6 Kilometer entfernten Kirche. Schon der Fotos wegen wollte ich dieses Angebot in Anspruch nehmen und natürlich auch wegen der hoffentlich passenden Einstimmung auf das, was mir noch blühen würde.
In Bad Staffelstein schnell die Unterlagen abgeholt, Übernachtungshalle zeigen lassen, ein paar Fotos der Stadt geschossen und ab zum Bus, der sich als Kleinbus entpuppte - und zwar viel zu klein für die vielen LäuferInnen, die das Angebot nutzen wollten. Schnell wurden noch weitere Fahrzeuge organisiert (alles an der Orga in Bad Staffelstein ist geprägt von sehr persönlichem und engagiertem Umgang. Jeder 'reißt sich ein Bein aus', wenn irgendwo irgendwas klemmt oder Wünsche auftauchen) und kurz vor Gottesdienstbeginn trafen wir ein. Auch hier reichte es zeitlich nur für einige Außenaufnahmen und weil ich während des Gottesdienstes nicht knippsen durfte, beschloß ich endgültig, auch an selbigem teilzunehmen (das hatte ich mir zunächst noch offen gehalten).
Als bekennend seelenlose Agnostikerin - mit kirchlichem Umfeld und Inhalten zwar vertraut, aber seit Jahrzehnten zu den Abtrünnigen zählend - betrachtete ich es als reine 'kulturelle Veranstaltung'.
Der (gut besuchte) Gottesdienst richtete sich tatsächlich speziell an LäuferInnen und inmitten der herrlich lichten und strahlenden Barockkirche begann er mit einem herrlichen Orgelkonzert mit Werken von Bach.
Kerzen stiften geht in dieser Kirche nicht - verständlich, jeder verdunkelnde Ruß wäre der Helligkeit und Klarheit abträglich. Es gibt überhaupt keine Kerzen. Es ist eine strahlende Kirche mit dominierend prächtigem Gold und Weiß, viel Licht, Pastellfarben, Deckengemälden und in der Mitte ein Gnadenaltar mit den Skulpturen der '14 Heiligen'. In der Mitte des Hochaltars findet sich kein bärtiger alter Mann und kein Hippi-Jesus. An zentralster Stelle findet sich eine strahlende, selbstbewußt ausschreitende Frau: Maria - ganz ohne Jesuskind und mit einem äußerst dominant-selbstbewußten Habitus. Die männlichen Parts der katholischen Lehre versteckten sich irgendwo klein am Rand in Nebengemälden.
Wer auch immer in fernen Zeiten aus dieser Kirche ohne begleitendes Schriftmaterial auf die zu Grunde liegende Religion schließen wollte, käme zu dem Schluss, dass die Erbauer vielerlei Götter verehrten und an der Spitze stand eine Göttin

Die Musik war herrlich. Es war für dieses Jahr das erste Konzert in Vierzehnheiligen - auch dieses in Thematik und Verlauf ganz auf uns Läufer ausgerichtet. Abschließend wurden noch Stücke von Louis Vierne und anderen französischen Komponisten gespielt.
Der Wortteil wurde bestritten von einem Meister der Rhetorik. Obwohl Nichtläufer hatte sich der Pastor bestens vorbereitet und verstand es meisterhaft, den berühmten Psalm 23 (Der Herr sei mein Hirte ....) und einige zentrale Stellen der Bergpredigt mit dem geplanten Marathon zu verknüpfen.
In Bibeltexte wurden Zitate von Grete Weitz und Joschka Fischer eingeflochten, Begriffe wie: "Physiotherapie, Lugenvolumen, maximale Herzfrequenz ..." genauso locker und sachlich richtig eingeflochten wie kleine Abrisse über die zu durchlaufende Landschaft. Ich war begeistert!

Als seelenlose Spötterin betrat ich die Szene - als fast 'Geläuterte' aber zumindest von Musik und Vortrag beschwingt Erheiterte verließ ich sie wieder

Zurück in Bad Staffelstein erkannte mich Roland (rohar), sprach mich an, wir richteten uns in der Turnhalle unsere Schlafstätten ein, gingen abends noch ein Ründchen durchs Städtchen, ich futterte eine Portion Nudeln und später dann zogen wir uns auf die Matratzenlager zurück.
Ca. ein Dutzend Schläfer hatten sich dann doch eingefunden in der kleinen Turnhalle. Mehrere davon (auch Siegrid Eichner) waren am selben Tag den Kyffhäuser Marathon gelaufen und wollten nach einer erneuten Nacht in einer Turnhalle den nächsten angehen ...

Es schlief sich für mich durchwachsen inmitten einiger schnarchender und sich viel bewegender, hüstelnder und zur Toilette gehender Menschen. Ein paar Stunden Schlaf mit Unterbrechungen habe ich aber bekommen. Besser als nix. Mein errichtetes Bett war bequem, warm und lauschig. Morgens war ich zwar noch müde, aber nicht extrem kaputt, so dass es nun endlich zum zweiten und Hauptteil - dem Marathon - weitergehen kann

(der aber in einem gesonderten Beitrag erscheint - etwas Geduld also ;-)
Hier zunächst die Fotos von 'Davor'