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Die Prater Hauptallee - Guided Tour

Die Prater Hauptallee - Guided Tour

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Die Prater Hauptallee ist eine asphaltierte Straße, die den Praterstern mit dem Lusthaus verbindet und - wie der Name schon sagt - durch den Prater, das ehemalige Jagdgebiet des Wiener Hofes führt. Weder vom Hof noch von der Jagd ist viel geblieben. Wohl gibt es noch Bäume rings um und man hört sogar noch durch weichen Boden gedämpftes Hufgetrappel, doch außer Hunden, ein paar Vögeln und eben den Pferden, die zum großen Teil von der Trabrennbahn "Krieau" stammen, findet man kaum wilde Tiere - Eichkätzchen, vielleicht, aber so richtig wild sind die auch nicht. Das ist auch kein Wunder, denn der Prater ist jetzt Erholungsgebiet, wie es so schön heißt, dabei bräuchte er selbst einmal Erholung.
Beiderseits der Allee gibt es viele Spielplätze und Hundewiesen, einen Vergnügungspark, einen Hockeyplatz, ein Stadion, Häuser zur Nahrungsaufnahme und zum Gegenteil. Der Hauptnutzungszweck nach der Arbeit scheint jedoch der Sport zu sein. Radfahrer, Inlineskater, Nordic Walker, Baby- und andere Jogger kämpfen um jeden Meter Asphalt. Nicht umsonst wird diese Straße auch als DIE Joggingmeile Wiens bezeichnet, auch wenn sie mehr als vier Kilometer lang ist.
Manchmal finden auf der Prater Hauptallee auch Wettkämpfe statt, wie z.B. der VCM (Vienna City Marathon), der LCC Herbstmarathon, diverse kürzere Läufe des LCC oder auch Läufe eines rührigen Läufers und Veranstalters, Walter Zugriegels, der auch eine kleine Homepage (http://www.runnersworld.at) betreibt. Auch kleine Laufveranstaltungen brauchen große Namen, wie z.B. "New York Memorial Race", zu denen dann neben seinen 15 Stammläufern auch Schüler aus der American International School Vienna antreten oder auch, wie es so schön heißt: diverses Laufpublikum. Dieses ist allerdings recht selten, es sei denn, es hat Muße, am Stadionparkplatz nach einer kleinen Bierbank bei einem Würstelstand zu suchen, um sich für zehn Euro zu einem Lauf anzumelden. Einen Picknicktisch, eine Stopuhr, einige Verkehrshütchen, Kugelschreiber, Papier, Gatorade, Becher, Wasser, Startnummern und einen Helfer, ja und eine Trillerpfeife. Mehr braucht man nicht, für z.B. einen 5-km-Lauf.
Die Allee ist zum großen Teil für den motorisierten Verkehr gesperrt, sodaß zwei Verkehrshütchen im Abstand von 1250 Metern nicht weiter stören. Inmitten all der Wiener Büromenschen, die sich ihren Tagesstreß herausjoggen oder ihre Kinder schnell noch lüften ertönt auch mal ein Pfiff aus so einer Trillerpfeife, dann ein zweiter und dann laufen etwa vierzig mit Startnummern versehene Menschen - wie auf Kommando - in dieselbe Richtung los, zweimal um jedes Hütchen, zwischen all den Nordic Walkern, Joggern, Radfahrern und den Leuten, die ihren Trainingsplan abarbeiten und natürlich den zu lüftenden Kindern. Manchmal kann man Wettkämpfer und Jogger von hinten nicht unterscheiden. Erst von vorne betrachtet zeigt sich die Zugehörigkeit zum Wettkampf. Meist sind diese kleinen Wettkämpfe gemütliche Läufe, außer es ist Laufpublikum dabei, das einfach seine Geschwindigkeit läuft. Da hechelt man dann hinterher, überholt nicht, man ist ja höflich und läßt den Fremden drei Viertel der Strecke führen. Manchmal ist auch ein Triathlet dabei, dem dann die Geduld reißt, und der dann einfach davonläuft ins Ziel, um dem Getrappel ein Ende zu setzen und weil er dieser Joggerei wohl einfach nicht mehr zusehen kann. Die Gemeinde will dann noch die Ehre retten, aber auch der zweite Fremde stürmt schon 800 Meter vor dem Ziel davon - freilich blufft er nur, nach 300 Meter kann er nicht mehr und fällt wieder in das alte Tempo zurück. Trotzdem kommt er nach einer guten viertel Stunde (17:21, also um ca. 19 Uhr 17 und 21 Sekunden) zum zweiten Mal am Picknicktisch vorbei, sechs Sekunden nach dem Triathleten.
Der Fremde hat einen Entfernungsmesser. War die Strecke korrekt? "Ja, ja. Hab ich mit dem Fahrradtacho ausgemessen.", meint Zugriegel. Zweifel bleiben, die Uhr zeigt 4,9 km, rundet jedoch nicht. Ein Hausfrauenlauftreff, der am Schranken des Parkplatzes dehnt, findet beinahe mehr Zuspruch als so ein kleiner Lauf. Die amerikanischen Schüler tragen wesentlich dazu bei, daß man das Hausfrauengeschnatter nicht so hört, oder vielmehr, man hört anderes Geschnatter, Fremdgeschnatter sozusagen.
Mittlerweile hat in unserer Betrachtung die Dämmerung eingesetzt. Es ist acht Uhr abends. Noch ist Bewegung auf der Hauptallee. Die Laternen gehen an. Manche Radfahrer verwenden sogar schon Licht. Auch Herr Zugriegel hat sich schon längst eine Stirnlampe umgeschnallt und schreibt die Ergebnisliste mit der Hand. Sein Helfer holt einen Karton mit Pokalen. Fast jeder bekommt einen. Das Laufpublikum auch, seinen ersten, einen langen schmalen mit grünmarmorierter Kunststoffmarmorimitation für den ersten Platz in der M30.
Vom Stadionparkplatz sind es ca. zwei Kilometer bis zum Praterstern. Zum Gehen fast zu weit und um diese Jahreszeit mit kurzer Hose und T-Shirt - wenn verschwitzt - schon zu kalt. Zum Auslaufen aber gerade richtig, wenn man nicht einen Pokal in der Hand hält. Jetzt ist die Mitte der Straße frei, dort wo sie am höchsten ist. Die Kinder sind gelüftet und vielleicht schon im Bett.

Ein Fünfer ist gut. Es gibt kein Lusthaus bei einem Fünfer. Es gibt keinen Hammermann bei einem Fünfer, der ja genau dort wohnt, im Lusthaus. Wir wollen ihn ruhen lassen. Am 29. Oktober wird er wieder erwachen. Wir aber wollen erst im Frühling, Ende April vorbeischauen am Lusthaus, ganz leise, damit wir ihn nicht stören - beim Hämmern.
Ein Fünfer ist gut, wenn er auf der Straßenbahn steht, die vom Praterstern nach Hause führt.

Starker Stoff!

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Überläufer, das war Literatur in Reinform, wunderbar. Man kann die Athmosphäre vor Ort förmlich greifen; spannend, intensiv und unterhaltsam!
langsam läuft am längsten

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Knips hat geschrieben:Überläufer, das war Literatur in Reinform, wunderbar. Man kann die Athmosphäre vor Ort förmlich greifen; spannend, intensiv und unterhaltsam!
Dachte zuerst, ich habe einen Ironiehinweis überlesen, da der Bericht ja nicht so gelesen worden ist.
Aber ein Kompliment von einem Frau-Schmitt-Leser ist schon 'was wert.

Ich habe meine Antwort aufrichtig gemeint

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zumal Dein Laufbericht in Thema, Inhalt und Stil ausgesprochen originell ist. Vielleicht liegt es genau daran, dass man die bisherigen Antworten am Daumen der rechten Hand abzählen kann. Auf Beiträge aus üblichen Kategorien kann man mit üblichen Antworten rasch reagieren, weil sie vertraut wirken. Fällt ein "Laufbericht" aus dem üblichen Rahmen, muss man das Geschriebene erst eine Weile verdauen. In diesem Sinne würde ich mich freuen, mehr in dieser Art von Dir lesen zu können. Das ist nicht als Drängelei gemeint, sondern als Ermunterung. :daumen:

viele Grüße vom

Knips
langsam läuft am längsten

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Schließe mich Knips an: Tolle Geschichte! Bin froh, sie gelesen zu haben, obwohl ich noch nienich in Wien war...

LG,
Babs

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Das "Kinder lüften" finde ich sehr erheiternd. Ich hatte diese Redewendung noch nie gehört und dachte, es wäre österreichisch. Scheint aber nicht so zu sein...
Weiß jemand, wo das herkommt?
"If I had no sense of humor, I would long ago have committed suicide." (Gandhi)

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WinfriedK hat geschrieben:Das "Kinder lüften" finde ich sehr erheiternd. Ich hatte diese Redewendung noch nie gehört und dachte, es wäre österreichisch. Scheint aber nicht so zu sein...
Weiß jemand, wo das herkommt?
Das verstehe ich jetzt nicht. Ich schreibe doch aus Österreich. Steht doch daneben, oder? Woher es kommt, weiß ich leider nicht, habe es nur jahrelang praktiziert, also eine Tradition fortgeführt oder so.

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Überläufer hat geschrieben:Das verstehe ich jetzt nicht. Ich schreibe doch aus Österreich. Steht doch daneben, oder?
Schon klar. Ich hatte danach gegoogelt und den Ausdruck auf einigen deutschen, aber keinen österreichischen Seiten gefunden. Deshalb war meine erste Vermutung, dass es sich um einen österreichischen Ausdruck handelt, wohl falsch.
"If I had no sense of humor, I would long ago have committed suicide." (Gandhi)

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Ich schätz mal, es ist einfach vom "Hunde lüften" auf die Kinder übertragen worden... Umgangssprache halt.

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Danke für die schöne Tour :daumen:

Als ich über Ostern in Wien war, hab ich den Prater auch genossen ..liegend, essend und natürlich laufend! Wahrlich einzigartig die Atmosphäre!!

Gruss Tell
http://thovo.ch/_blog/

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Im Prater wird auch jedes Jahr der Sie&Er Lauf abgehalten, ein absolut toller Event, bei dem jeder Partner 5km zu absolvieren hat und die gemeinsame Endzeit über den Sieg (und den Ehekrach) bestimmt. :daumen:

Ein Detail zur Prater Hauptallee: Man kann am Asphalt in der Mitte rennen, es gibt aber links und rechts noch einen wunderbar breiten Naturweg, den aber die dort spazierengeführten Pferde und Hunde auch oft genug mit zusätzlicher Natur düngen - also kein Tipp, wenn schlechte Lichtverhältnisse herrschen!

Mir persönlich ist die Prater Hauptallee ein Gräuel, weil dort nur der Grundsatz "sehen und gesehen werden" zu gelten scheint. Walking- und Jogging-ladies und -gentlemen in perfekter Dress und zum Erbrechen aufdringlich präsentierter Sportlichkeit meide ich grundsätzlich. Lieber schlurfe ich entlang des Donaukanals. Und darüber schreib ich jetzt auch mal. :D

Nachtrag: Cooler Stil! :daumen:
http://www.myblog.de/katzie

Schmittcast-Junkie :peinlich:

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