TinaS hat geschrieben:In diesem Zusammenhang eine Frage an dich und an all die anderen in meinem Augen nicht langsamen Läufer, die hier im Forum immer wieder betonen, dass sie kein besonderes Talent haben: woher wisst ihr das bzw. woran macht ihr das fest?
Die Talentdiskussion ist ja nicht neu und ich erinnere mich, dass mir hier in anderen Diskussionen aufgrund meiner persönlichen Bestzeiten Talent bescheinigt wurde. Ganz nach dem Motto: schneller als viele andere.
Gehen wir zurück in meine Schulzeit. Ich hatte meist Spass am Sport, war jetzt aber sicher keiner Sportskanone. Schulsport und mit den Kumpel kicken. Beim 50m und später 100m Lauf waren sich die Lehrer einig, das wird nix, "bei dir sieht das immer aus wie ein einziger K(r)ampf". Spezielles Lauftraining habe ich nicht betrieben. Im Abi mussten wir diverse leichtathletische Disziplinen machen, unter anderem ein 1000m-Lauf. Das wurde die schlechteste Sportnote meiner Schulkarrierere, "ausreichend", das Ergebnis war 3:54. Damit lag ich auch im Vegleich zu meinen Schulkameraden (von denen keiner im LA-Verein war) eher schlecht. Am Gewicht kann es auch nicht gelegen haben (damals 70kg bei 187cm). Wie ich jetzt zu dem Schluss kommen soll, dass ich lauftalentiert wäre, erkläre man mir bitte.
Zum Ausdauertalent. Ich war immer der Meinung, Grundschnelligkeit lässt sich nur in engen Grenzen verbessern. Entweder man hat sie, oder man hat sie nicht. Das liesse sich als Talent deuten. Ausdauer dagegen erwirbt man sich. Ich hatte schon immer ein Faible für ausdauernde Sachen, hatte Spass am Radfahren, Wandern etc. Wo andere mit dem Motorrad gefahren sind, bin ich geradelt, wo sich andere mit dem Skilift hochziehen liessen, habe ich Skitouren gemacht, und wenn andere am Baggersee lagen, bin ich gewandert (und das konnten schon mal 30km sein). Keine Kritik, jedem das Seine, aber man muss diese ganzen Hintergründe schon mit berücksichtigen. Bevor ich mit 42 Jahren das erste Mal an einem Wettkampf teilnahm, habe ich 20 Jahre lang immer wieder Ausdauerleistungen vollbracht, aus Spass an der Freude ohne irgend einen Leistungsgedanken. Ist dieser Spass nun als Talent zu deuten? Ich denke, diese 20 Jahre sind nicht spurlos an meiner Ausdauerfähigkeit vorbei gegangen, im positiven Sinne.
Stichwort Trainierbarkeit. Über sechs Jahre aufbauend habe ich kontinuierlich mein Trainingspensum gesteigert. Nicht weiter verwunderlich war das letzte Jahr mein Bestes gemessen an den erzielten Zeiten (obwohl das Alter schon gegen mich arbeitet), soviel zu den "Trainingsungläubigen". Sicher, die (einzelnen) Spitzen von bis zu 170 Wochenkilometer (für die 100km DM) sind viel und vielleicht nicht für jeden verkraftbar. Möglicherweise gibt es anatomische Voraussetzungen, die beim Laufen zu gesundheitlichen Problemen führen müssen. Dann bin ich halt für diesen Sport nicht geeignet, so wie ich aufgrund meines Hohlkreuzes niemals geeignet wäre für gewisse Sportarten (z.B. Badminton). Ich persönlich würde dies aber nicht mit dem Begriff Talent verknüpfen wollen. Man bedenke, dass ich mehr als 25 Jahre gelaufen bin, bevor ich solche Umfänge trainiert habe.
Wie sieht die Rendite meines Trainings aus? Ich stelle fest, dass ich so viel trainieren muss, wie üblicherweise in Standardtrainingsplänen empfohlen wird. Nach meiner Meinung sollte ein talentierter Läufer die Zielzeiten mit weniger Training erreichen. Das aber ist bei mir nicht der Fall. Das bedeutet ünrigens auch, dass man gerade nicht nur von der Zeit auf Talent schliessen sollte. Wer mit 20km/Woche 3h30 läuft, dürfte evtl. über mehr Talent verfügen, als jemand der 3h läuft und dafür 130km/Woche trainirt.
Das Problem mit schneller!s Argument "Wer schneller laufen kann als ein Grossteil aller Läufer, der ist auf jeden Fall talentiert" ist, dass das davon abhängig ist, wieviele Läufer sein wollen. Heute ist der 3h-Läufer beim Marathon relativ weit vorne, vor 25 Jahren war er das halt nicht.
Das Argument, man hielte sich für untalentiert, um die eigenen Leistungen in besserem Licht erscheinen zu lassen, halte ich für schräg. Talent ist doch was Schönes und wenn jemand unbedingt meint mir sagen zu müssen, ich sei talentiert, na bitte. Denkt aber daran, dass eine solche Aussage oft einfach aufgrund der absoluten Leistungen gemacht wird. In Wirklichkeit müssten Voraussetzungen und Aufwand ins Verhältnis zum Ertrag gesetzt werden. Könnte man dies seriös machen, würde rauskommen, ob ich ein Overperformer oder Versager bin. Wissen kann ich das nicht, und ehrlich gesagt ist mir das vollkommen egal. Wie WinfriedK hier eingangs schon sehr richtig bemerkte, ändern kann man eh nichts dran, also trainiere ich so viel, wie es mir Spass macht und was dabei rauskommt, das kommt dabei raus.
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