Ich dachte Hape Kerkelings „ich bin dann mal weg“ könnte thematisch wohl passen

Dazu noch etwas aufmunternde Musik geladen und los. Schnell auf den Rodderberg gefahren, meine Hausstrecke wollte ich laufen. Der Rodderberg ist übrigens ein erloschener Vulkan, Naturschutzgebiet und liegt direkt gegenüber vom schönen Siebengebirge. Hier bieten sich wunderbare Strecken mit schönsten Ausblicken auf Bonn, Wachtberg und eben auch das Siebengebirge und den Rhein. Der Abend ist ziemlich warm, so 27° und schön. Es sind erstaunlich wenige Leute unterwegs, wie angenehm.

Ich trabe langsam los und stelle gleich fest, dass Hapes Erzählungen eine recht beruhigende Wirkung auf mich haben. Eigentlich will ich die kurze Strecke um den Holzfolder Hof laufen, einem rund 25 Hektar großem Anwesen mit Reithalle und allem was dazu gehört. Nach 2 Kilometern auf der sonnigen Strecke kommt ein Abzweig in den Wald, es läuft gut. Ich beschließe eine neue Strecke auszuprobieren. Ab in den Wald, eine leichte Gefällstrecke in Richtung Golfplatz, es ist schattig, angenehm, Hape berichtet von seiner kläglichen Pyrenäenüberquerung, nach 2 Tagen ist er schon völlig fertig. Weichei

In mir reift der Gedanke den Golfplatz zu umrunden. Das dürfte doch wohl zu schaffen sein. Nach rund 3 Kilometern erreiche ich den golfplatzeigenen, unvermeidlichen Parkplatz. Hier ist es wuselig voll. Kaum ein Platz frei. Au weia, der Rückweg führt vermutlich über mindestens 3 Golfbahnen. Das kann ja heiter werden. Jetzt folgt erst mal Neuland, nur die Richtung ist mir in etwa bekannt. Aber die Strecke ist wunderschön, kein Mensch unterwegs und es läuft sich heute richtig gut. Hape lässt sich unterdessen lieber fahren. Die letzten Häuser von Kürrighoven sind erreicht. Jetzt geht es einen recht langen, teils für mich steilen, Anstieg hoch in den Wald. Ich verspüre ein erstes leichtes Grummeln in der Magengegend. Was hab ich denn heute gegessen? Na, wird schon gut gehen. Die Strecke wird wieder flacher, Hape erzählt von seinem Karrierestart, interessiert mich eigentlich gar nicht, das Buch sollte doch so lustig sein? Egal, meine Gedanken schweifen ab, das Leben ist schön. Da kommt auch schon die erste zu querende Bahn in Sicht, die Richtung stimmt also. Gut gemacht. Kein Golfer in Sicht, also rüber. Wieder ein kurzes Waldstück, das zweite Green ist zu queren, auch hier geht alles gut. Jetzt droht noch das letzte zu querende Loch. Dies ist ziemlich unübersichtlich, weil der abschlagende Golfer kaum gesehen werden kann. Mein Weg führt rund 20 Meter über die Bahn, es ist niemand zu sehen. Ich verschärfe etwas das Tempo, möchte ja nicht von einem Golfball erlegt werden. Dies will aber meinen Darmregionen nicht wirklich gefallen, also wieder langsamer werden. Ein leicht pfeifendes Geräusch zwingt mich aber wieder zu schnelleren Schritten. Das war knapp

Vielleicht sollte man hier in Zukunft lieber mit Helm laufen. Nun geht es einen Abhang herunter durch einen lichten Fichtenwald. Ich mache mir langsam Gedanken ob ich mein Laufequipment nicht standartmäßig um ein Päckchen Taschentücher erweitern sollte. Der Gedanke meinen zarten Hintern mit Fichtenzweigen säubern zu müssen macht mich irgendwie unglücklich :eek: Zum Auto sind es noch rund 4 Kilometer schätze ich. Das geht nicht gut und Hape nervt langsam. Also Musik. Warum ich da als erstes „Naturträne“ von Frau Hagen drauf habe ist mir schleierhaft. Das nächste Stück trifft’s besser. „Be a warrior“ von Jestofunk lässt mich wieder schneller werden. Jetzt wieder raus aus dem Wald, noch rund 3 Kilometer. Rechte Hand wieder der große Hof, nur Wiese. Linke Hand undurchdringliches Dickicht. Nix geht mehr. Ich erreiche in nun höchster Not eine Kuhweide, schwinge mich mit elegantem Seitschwung über den Zaun und befinde mich Sekundenbruchteile später lang ausgestreckt auf Augenhöhe mit der Grasnabe. Es ist aber weiter nichts passiert, aufrappeln und noch schnell ein paar Meter weg vom Weg. Doch ich habe die Rechnung ohne den Weidebullen gemacht, der mich ziemlich unfreundlich mustert und mir sehr klar zu verstehen gibt, dass er mich hier nicht dulden wird. Ich entschließe mich zu einem gequälten Rückzug. Jetzt bleibt mir nur noch das Weizenfeld gegenüber, wie peinlich

Also wie vom Hafer gestochen hinüber sprinten, das Hinweisschild, welches den geneigten Hundebesitzer auffordert doch Bello bitte hier nicht tätig werden zu lassen, ignoriere ich, betrifft schließlich die Hunde. Nun hocke ich also im Weizenfeld, meine wohl ziemlich rote Rübe leuchtet weithin sichtbar in der Abendsonne

Einzig ein älteres Paar spaziert kopfschüttelnd vorbei und fragt sich wohl, warum da ein schweißgebadeter Jogger mitten im Weizenfeld sitzt

Nun ja Weizenhalme sind auch nicht viel angenehmer als Fichtenzweige stelle ich noch leicht verbittert fest bevor ich weiterlaufe

Die letzten 2 Kilometer begleitet mich „November Rain“ von Guns n Roses, was auch nicht so recht passen will. An meiner Laufmusiksdramaturgie muß ich wohl noch etwas arbeiten. Doch die Kraft reicht sogar noch für einen kleinen Endspurt. So komme ich nach anderthalb Stunden - um einige Erfahrungen reicher in meinem noch kurzen Läuferleben - wieder am Ausgangspunkt dieses schönen aber etwas gefährlichen und etwas peinigenden Laufes an. Langsam macht sich das Training doch bezahlt
