Beim Gigathlon handelt es sich um einen grossen Event, der 1998 ins Leben gerufen wurde und seit 2000 jährlich durchgeführt wird. Normalerweise dauert der event 2 Tage, aber im Schweiz Expo-Jahr 2002 und jetzt im 2007, also fünf Jahre später, dauert der event 7 Tage. Die Idee ist, dass man während diesen Tagen mit den Inlines, Bike oder Rennrad, schwimmend- oder laufenderweise quer durch die Schweiz tingelt. Das kann man alleine tun, in einem Zweierteam, oder dann für die Normalos in einem Fünfterteam, wo jeder eine der Disziplinen übernimmt, was dann meistens immer noch hart genug sein kann. Starten kann man während 2, 3 oder den vollen 7 Tagen.
Klar, dass gerade die Kategorie der Fünferteams heiss beliebt ist, so dass die Startplätze verlost werden. Daher hab ich mit leichtem Gewissen zugesagt, als Ende letztes Jahr ein guter Arbeitskollege bei mir im Büro auftauchte, und mich fragte, ob ich Lust hätte, in einem Fünferteam für 2 Tage als Läuferin mit dabei zu sein. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mit meinem Pech bei Auslosungen eh rausfallen würde. Etwas überrascht war ich dann schon, als es irgendwann mal Ende Januar hiess, wir seien definitiv dabei. Na gut, dann machen wir halt mal. Das Team war bunt zusammengemischt aus Arbeits- oder privaten Kollegen von unserem Team-Captain Mike, wobei man doch sagen muss, dass die drei Männer definitiv die ambitionierten Hobbysportler sind, während wir zwei Girls, zuständig fürs Laufen und Inlinen da waren, um die guten Zeiten der Kollegen runterzuziehen

Der Check-In-Tag:
Bevor man die Früchte des harten Trainings zur Schau stellen darf, muss man einen Tag vorher die Prozedur des Check-Ins über sich ergehen lassen. Das heisst, dass das ganze Team muss am Startpunkt in Basel auftauchen, um sich einen Chip ans Hansgelenk kleben zu lassen, den man während dem ganzen Anlass nicht mehr ablegen darf. Danach Material fassen: Jedes Team kriegt zwei Gigathlon-Zelte, Bodenmatten für jeden, einen Rucksack voll mit Trinkflaschen und Kühltaschen, und natürlich die ganzen wichtigen Dinge wie Startnummern und Gutscheine fürs Essen. An dieser Stelle möchte ich schon einmal ein ganz grosses Lob aussprechen für die Organisatoren und all die freiwilligen Helfer, die zu einem reibungslosen Ablauf diesen Riesenevents beigetragen haben. Es ist eine unglaubliche Leistung, die Infrastruktur für so viele Leute bereitzustellen, aber es hat alles reibungslos geklappt, vom kurzen Anstehen fürs Frühstück, Lunchbag bis zum perfekt organisierten Radtransport und den vielen Bus-Shuttles, mit denen man von den Parkplätzen stressfrei in die Wechselzonen reisen konnte.
Da unser Team bereits früh eingecheckt hat, können wir als eins der ersten Teams unser Zelt im dafür vorgesehenen Camp aufstellen. Am Abend bietet sich ein unglaubliches Bild. Hunderte von Gigathlon-Zelten, in den verschiedenen Farben der verschiedenen Kategorien sind aufgestellt auf einer riesigen Wiese.
Tag 1 – Wenn die Sonne selten lächelt
Gigathlon ist definitiv nichts für Morgenmuffel. Mike, unser Schwimmer quält sich bereits morgens um vier Uhr aus dem Zelt um zu Frühstücken und um Punkt sechs Uhr morgens in den Neopren gepellt in den Rhein zu hüpfen und 12.5 km im Fluss zu schwimmen. Allerdings schon mit dem ersten Handicap. Da die Strecke unterwegs von einem Kraftwerk unterbrochen ist, müssen die Schwimmer aus dem Wasser, die Füsse in Crocs stecken und so einen Kilometer laufenderweise an Land absolvieren. Danach geht’s erst wieder schwimmend im Fluss weiter.
Dann erfolgt die Uebergabe an Liliane, unsere Inliner-Frau, auf die ein Abstecher nach Deutschland wartet, denn die Inline-Strecke verläuft 28 km wieder Rhein-aufwärts, aber eben auf der Deutschlandseite.
Für den Rennradfahrer ist während dem ersten Tag eine etwas entschärfte Etappe vorgesehen. Auch er ist in Deutschland unterwegs, eine lange, aber wunderschöne Sightseeing-Tour durch den Schwarzwald (96 km, 1500 HM), aber halt leider ohne Zeitmessung. Ausserdem verschlechtert sich das Wetter zunehmend, ein leichter Nieselregen hat eingesetzt, aber wenigstens ist es warm. Zurück in der Schweiz und am berühmten Rheinfall übergibt der Radfahrer den Chip an den Mountainbiker, der dann wieder alles geben darf. Der radelt dann wieder tiefer in die Schweiz rein (40 km, 650 HM), um mir dann in Winterthur den Chip zu übergeben.
Ich bin unterdessen nach der ganzen Warterei froh, endlich was tun zu können und trabe los. Bereits nach ein paar Hundert Metern realisiere ich, dass die Läuferin vor mir genau das gleiche Tempo läuft wie ich. Ich finde es doof, hinter ihr zu bleiben, also schliesse ich auf und frage sie, ob wir zusammen laufen wollen. Sie stimmt zu, und so geht es zusammen weiter. Die Halbmarathonstrecke ist schön, wenn auch nicht ganz „ohne“. Ueber 450 Höhenmeter geht’s aufwärts, um dann bei ungefähr bei Kilometer 8 über eine steile Naturtreppe die Kyburg zu erreichen. Wir motivieren uns gegenseitig, oben angekommen belohnen uns die Zuschauer mit viel Applaus und gutem Zurufen. Danach geht’s weiter über sanfte Hügel und verschiedenste Untergründe dem Ziel entgegen. Leider geht es meiner Spontan-Partnerin auf den letzten Kilometern nicht mehr so gut. Obwohl sie mir anbietet, ohne sie weiterzulaufen, beschliesse ich, sie jetzt nicht im Stich zu lassen, nachdem wir ¾ der Strecke so gut zusammen gelaufen bin. Ausserdem wollte ich eh mit einem Polster laufen, da ich weiss, was am zweiten Tag auf mich wartet. Also motiviere ich sie zum Weiterlaufen. Endlich kommen wir oberhalb vom Flughafen Dübendorf an, wo das Ziel und das nächste Camp aufgebaut ist. Jetzt geht’s nur noch auf der Piste geradeaus ins Ziel. Genau in dem Moment hört der Regen auf, und die Sonne kommt raus, so dass man auf der Piste geradezu dampfgegart wird. Blöd auch, dass an nach den vorgegebenen 21 km statt das Ziel nur ein Schild ist „noch 1 km“. Das sorgt temporär für leichten Frust. Aber meine Partnerin und ich schaffens doch noch, gemeinsam ins Ziel einzulaufen, und sind überglücklich, es geschafft zu haben. Der Zieleinlauf ist ein wunderschönes Gefühl und meine Beine fühlen sich gut an, genau richtig, um am nächsten Tag wieder laufen zu können.
Laufzeit: Etwas frustrierende 2:25, der Aufstieg auf die blöde Kyburg hat doch etwas mehr gebremst, als ich gedacht habe.
Tag 2: Im Zeichen des Donnergottes
Wo der Wetterfrosch mit seiner Schönwetterprognose am Vortag doch etwas daneben lag , hat er am zweiten Tag leider recht. Bereits in der Nacht gibt es einen Temperatursturz, und Dauerregen samt Wind setzt ein. Liliane schafft es immerhin noch, in aller Herrgottsfrühe (Start wiederum um 6 Uhr morgens) die schöne Runde (31 km, 150 HM) um den Greifensee mit nur 20 Minuten Regen hinter sich zu bringen. Aber danach kennt Petrus keine Gnade mehr. Der Radfahrer muss die Königsetappe mit 121 km und satten 2600 HM bei widerlichsten Verhältnissen absolvieren. Entsprechend schlecht geht den meisten Radfahrern, die in die Wechselzone bei Weesen am Walensee kommen. Auch Mäck, unserem Radfahrer geht es ziemlich mies, er hat alles gegeben, und das Team muss nachher auch alles geben, um ihn wieder aufzuwärmen und seine Lebensgeister wieder zu erwecken. Ich laufe ebenfalls im strömenden Regen los. Die ersten fünf Kilometer geht’s auf flacher Strecke dem Walensee entlang. Zuschauer hats hier keine, wer will schon bei diesem Sauwetter draussen stehen. Man hört nur das Schlagen der Wellen gegen das Ufer, und das leise Rauschen der Autobahn, die der anderen Seeseite entlang läuft. Und irgendwo da weit vorne, man sieht es nicht durch die dicke Regenwand, ist das Ziel. Und bis dort wird es hart, das ist mir bewusst. Nach den ersten fünf viel zu schnell gelaufenen Kilometern (25 Minuten) geht’s dann in den ersten Aufstieg. Das Profil der Strecke sieht vor, dass man ca. 400 HM aufsteigt, um dann über steile, rutschige Bergpfade wieder bis runter an den See zu schliddern. Die Strecke wäre wunderschön, über Holzbrücken und wilden Wasserfällen entlang. Aber irgendwie will sich keine gute Laune einstellen, zu gross ist die Konzentration auf den rutschigen Pfaden und die Bange vor dem, was da noch kommen mag. Ich bin nur froh, dass ich beschlossen habe, in meinen Trailschuhen zu laufen. Danach geht’s durch ein Dorf, das nur per Schiff oder eben über diesen Pfad zu erreichen ist, wieder ein paar Kilometer dem See entlang, um dann die wahre Belastungsprobe zu erleben, nämlich den Garadur. Das unter Insidern gern genannte „Garadürli“ erweist sich als supersteilen ZickZack-Pfad steil aufwärts, quer durch einen Wald. Nochmals 450 HM sind zu bewältigen. Man sieht weder nach unten noch nach oben, so dass man jegliches Gefühl für Zeit und die zurückgelegte Strecke verliert. Hier läuft wirklich kaum mehr jemand, zu viel Kraft braucht diese Strecke. Die Läufer versuchen sich gegenseitig zu motivieren, doch so richtig Spass hat wohl gar niemand mehr. Und irgendwann mal ist man oben, die meisten sind allerdings viel zu erschöpft, um sich darüber noch zu freuen. Dankbar nimmt man das Wasser oder den warmen Tee am Getränkestand in Empfang. Ich stelle fest, dass ich für die letzten 2 km gerade 30 Minuten gebraucht habe. Jetzt geht’s nur noch bergab, im wahrsten Sinne des Wortes. Die letzten 4 Kilometer brausen die Läufer wieder bis runter an den See. Nur noch rollen lassen ist die Devise, leider gibt es auch einige, deren Knie nicht mehr mitmachen. Ich bin jedenfalls froh, dass ich unten angekommen nur noch ein paar hundert Meter ausrollen muss, und dann ins Ziel komme, denn von meinen Beinen kommen unterdessen diverseste Fehlermeldungen. Aber ich habs geschafft. Nach 2:48 h Kampf laufe ich glücklich ins Ziel, um Mike, der schon bereit steht schnell den Chip zu übergeben. Danach hilft nur noch warme trockene Kleidung und ein Teller voll Pasta, um die zitternden Muskeln wieder zu beruhigen.
Der Schwimmer muss dann bei scheusslichen 15°C Wassertemperatur (wobei das Wasser definitiv wärmer ist als die Luft) „nur“ 1,5 km schwimmen, und übergibt dann an Dave, unseren super Mountain-Biker, der die letzten 61 km mit ebenfalls 1100 HM nach Chur in unter drei Stunden absolviert, der Wahnsinnige!! Bei seinem Zieleinlauf haben wir ihn beinahe nicht mehr erkannt unter der Dreckschicht, die centimeterdick an ihm haftete.
Nach einer heissen Dusche und einem warmen Abendessen haben wir uns dann sehr, sehr müde, aber auch zufrieden auf den Rückweg gemacht.
Bilanz:
- Insgesamt haben wir als Team am ersten Tag 197 Kilometer und 2750 HM zurückgelegt. Am zweiten Tag warens 237 km mit 4700 HM. Gelandet sind wir auf Rang 123 von 231 Finisher-Teams in unserer Kategorie.
- Meine tiefste Ehrfurcht gilt vor allem allen Singles, die die gesamte Strecke allein absolvieren, aber auch den Couples. Das braucht eine ungeheure körperliche, aber auch mentale Stärke
- Die Organisation des Gigathlon ist sensationell
- Der Sportgeist an diesem Anlass ist super.
Sprich: I would do it again….

Danke für die Aufmerksamkeit und liebe Grüsse, Marianne