Ist jetzt sehr, sehr lang geworden, wer also nur über den Lauf an sich lesen möchte, bitte nach unten scrollen.
Vorgeschichte
Bis Februar diesen Jahres bin ich mehr oder weniger, aber immer regelmäßig 3 mal die Woche, gelaufen, ohne irgendwelche Wettkampfambitionen zu haben. Mit einer Ausnahme, ich habe das neue Jahr mit dem Silvesterlauf in Eisenhüttenstadt eingeläutet, mein erster öffentlicher Lauf seit ca. 20 Jahren. Und schon da habe ich Feuer nach mehr gefangen, aber noch unbewusst.
Und dann sah ich in der hiesigen Regionalzeitung einen Artikel, dass im Herbst der 1. Schlaubetalmarathon stattfinden soll. Ja, den muss, nein, den will ich mitlaufen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine rechte Ahnung, was mich eigentlich erwartet. So habe ich erst mal viele Informationen im Internet gesucht und dabei dieses Forum gefunden. Was besseres konnte mir nicht passieren, denn in Büchern stehen nur die starren Trainingspläne. Das Forum dagegen lebt und gibt für jeden, der es möchte, sehr individuelle Tipps

Vorbereitung
Nachdem der Entschluss gefasst war, habe ich mir erst mal einen HM-Trainingsplan gesucht und ab März langsam das Laufpensum gesteigert. Denn bis dahin war meine weiteste gelaufene Strecke 11km.
Und ich bin die Stadtmeisterschaft mitgelaufen, die aus insgesamt 5 verschiedenen Läufen bestand. Herausgekommen ist immerhin der Vizetitel in meiner AK und auch die Wettkämpfe an für sich waren für mich wichtig, z.B. wie man sich so ein Rennen einteilt.
Vorläufige Höhepunkte waren dann im Juni 2 Halbmarathons, aber auch der Berliner Frauenlauf und die City-Nacht waren tolle Lauferlebnisse. Letztere sind wir dann schon in Familie gelaufen, denn auch meine bessere Hälfte hatte ich mittlerweile mit meiner Lauferei angesteckt.
Dann begann die unmittelbare Marathonvorbereitung, einen Plan dafür hatte ich mir zusammengebastelt. Dabei habe ich dann festgestellt, dass mir die langen Läufe doch recht schwer fielen. Ich habe immer gerade so das vorgeschriebene Pensum geschafft, niemals mehr. Genau 4 Wochen vor dem Marathon ist mir dann aber ein 32er super gelungen, doch 3 Tage später lag ich dann mit einer Seitenstrangangina nieder

Ich bekam Antibiotika und habe 9 Tage Laufpause gemacht. Danach habe ich dann noch einen 30er mehr schlecht als recht geschafft. Kräftemäßig war ich nicht auf der Höhe, aber ich wusste nun, dass ich den Marathon trotzdem schaffen kann.
Der Vorabend
Den ganzen Tag habe ich mir schon Beschäftigung gesucht, um mich abzulenken. Mittags für die Familie aufwendig gekocht und für den nächsten Tag vorgekocht. Dann habe ich zusammen mit meiner walkenden Kollegin erst unsere Startunterlagen vom Orga-Büro und dann den @Martinwalkt nebst Begleitung vom Bahnhof abgeholt. Zusammen sind wir dann bei sehr unfreundlichem Regenwetter zum Foritreffen in den hiesigen Italiener. Dort habe ich dann wieder viele nette Läufer kennengelernt, ohne jetzt alle mit Namen zu nennen. Und der Abend verging wie im Fluge. Kurz vor 22 Uhr, der Schließzeit im Orga-Büro, dann noch mit Udo seine Startunterlagen geholt. Das gestaltete den nächsten Morgen etwas entspannter. Und Kathrin und Bianka waren noch voll am Wirken oder besser Bananen abzählen. Aber beiden war die Anstrengung und Anspannung voll ins Gesicht geschrieben.
Vor dem Lauf
Ich glaube, ich habe in der Nacht kein Auge zugemacht und Hustenanfälle hatte ich auch. Na, das konnte ja heiter werden.
Aber da wir alle Startunterlagen hatten, sind wir relativ entspannt zum Bahnhof gefahren und haben eine Stunde vor Start unseren Berliner Kumpel abgeholt. Er hatte sich ganz spontan am Vorabend entschieden, am Halbmarathon teilzunehmen, genau wie mein Mann, für den es sogar die Premiere war.
Danach ging es zum Orga-Gebäude, dort die Sachen abgegeben und so lange wie möglich drin aufgehalten. Denn es war bei Sonnenschein saukalt, die Felder waren sogar mit Rauhreif bedeckt.
Dann doch nach draußen begeben, ein bisschen Erwärmung mitgemacht und dann haben die beiden Organisatorinnen noch ein paar wirklich rührende Worte gesagt, bevor der Startschuss fiel.
Der Lauf
Erst wurde eine Runde im Stadion gedreht, bevor es dann Richtung Diehlo ging. Natürlich viel zu schnell, aber ich habe mich dann schon beizeiten runtergebremst. So ging es dann die ersten 3 km ständig bergan, ich habe versucht, mein Tempo zu finden und mich so bei 6:45min/km eingepegelt, eigentlich nicht zu schnell. Auf gerader Strecke bin ich dann auch schneller geworden und es ging bis Kieselwitz locker. Hier und da habe ich dann mal bekannte Gesichter gesehen, die einen angefeuert haben, das ist eben der Heimvorteil. Aber das Tollste war dann der Sprecher am Ortsausgang von Kieselwitz, der inmitten von einem Menschenpulk stand. Er bekam von einem mit Fernglas bewaffneten Mitstreiter die Namen durchgesagt und so wurde man schon 100m vorher persönlich angefeuert. Wirklich klasse.
Und dann ging es ins Schlaubetal, erst mal bergab, wo ich es richtig rollen lassen habe. Dabei bin ich dann auch auf 2 Läufer aufgelaufen, die dann für einige Kilometer vor mir her liefen. Den Anstieg nach der Kieselwitzer Mühle habe ich dann genau wie meine beiden Mitstreiter zum Teil gehend bewältigt. Wir waren damit auch nicht langsamer als die uns nachfolgende Läuferin, die den Anstieg laufend überwand. Die folgende Strecke war wirklich traumhaft schön, in goldgelbes Laub gehüllt und sah ganz anders aus als noch wenige Wochen zuvor. Toll auch die Ausschilderung der "Stolperstellen", die sich gerade unter Laub gern verstecken. Aber es ist alles gut gegangen. Überhaupt war die gesamte Ausschilderung perfekt, man konnte sich gar nicht verlaufen.
Auf diesem Teilstück ging es mir auch noch gut, immer in geringem Abstand zu den beiden grellgelb gekleideten Läufern.
So ziemlich an der schmalsten Stelle kam mir dann ein Mann mit Warnweste und Helm entgegen und brubbelte etwas, was ich nicht richtig verstand. Kurz danach des Rätsels Lösung, er hatte sein Quad in den Morast der Schlaube versenkt

So kam dann bei reichlich 17km die Bremsdorfer Mühle, wo ich mein erstes Gel nahm mit Untermalung einer lustigen singenden Truppe. Und weiter ging es, über die B246, überhaupt wurden die Straßen immer für die Läufer gesperrt, so auch dieses Mal. Die Strecke entlang des Treppelsees ist dann etwas breiter, aber dort waren auch viele Wanderer unterwegs, die einen immer applaudierten. Einmal kam mir eine ganze Truppe Radfahrer entgegen. Im Nachhinein habe ich gelesen, dass es eine öffentliche Radtour von Frankfurt/Oder zur Bremsdorfer Mühle war. Aber auch das war kein Problem, alle waren sehr diszipliniert und ich bin nie behindert worden. Vielleicht weil ich schon leidend aussah

Denn kurz danach begann meine Krise. So bei km19 lief die mir nachfolgende Läuferin auf mich auf, machte Komplimente zur schönen Strecke und war relativ schnell entschwunden. Ich konnte und wollte auch nicht folgen. Ich hatte einfach keine Lust mehr und noch über die Hälfe der Strecke vor mir

Die HM-Marke hatte ich so bei knapp 2:25h erreicht, damit hatte ich auch die sub5h abgeschrieben und habe danach auch nicht mehr auf die Uhr geschaut. Ich bin dann mehrere Anstiege teilweise gegangen, erst recht das aufgerissene Stück Straße bei Siehdichum. Auch das Kopfsteinpflaster habe ich nicht nur laufend bewältigt, aber vor mir ging es einem Läufer ebenso. Und dann bin ich doch wieder ins Laufen gekommen und am Verpflegungspunkt "Drei Tannen" hatte ich ihn erreicht. Er verweilte dort, ich bin aber nach meinem zweiten Gel auf dem Radweg weiter nach Fünfeichen, aber es lief weiterhin recht zäh.
Dort erwartete mich dann am Ortseingang der Hammermann in Person und lief ein Stück mit mir mit, danke Beate


Mal kurz umgedreht, was ist das? Da kam eine ganze Meute hinter mir her, das kann doch nur der walkende Martin mit Gefolge sein. Er hatte ja angekündigt, die zu schnell angehenden Läufer vor sich herzutreiben. Und irgendwie war es nun auch so, mein Kampfgeist war aber nun erwacht. Und meine Wiederauferstehung begann.
Bei km32 fuhr dann ein Fahrrad an mir vorbei, mein Kollege Frederic und er meinte, ich hätte es ja gleich geschafft. Ich habe ihm nicht mal widersprochen, denn das habe ich mir auch selbst so gesagt. Dabei fängt doch ein Marathon erst bei km35 an.
Also weiter, es gab jetzt nur noch klitzekleine Gehpausen an den Steigungen, ich wollte endlich ankommen. Und dann die nächste Überraschung. Am Verpflegungspunkt Forellenhof standen meine Nachbarn, die dort extra auf mich gewartet hatten

Also kurzer Plausch und weiter und dann hörte ich hinter mir Beifall. Sie haben dann natürlich auch die 3 LaufWalkKumpanen angefeuert, die an der Stelle ganz schön dicht an mir dran waren. Später habe ich sie dann nicht mehr gesehen, aber immer wieder gehört, eine wirklich lustige Truppe

Und dann habe ich die Fernverkehrsstraße und damit den Ortseingang Eisenhüttenstadt herbeigesehnt. Dort an der Verpflegungsstation stand dann Binchen. Ich habe dann doch die Cola dem Bier vorgezogen und wurde von Binchen noch den Anstieg hoch begleitet. Dankeschön liebes Binchen

Nun ging es ab km 39 erst mal durch die Siedlung bergab. Ein bisschen vorsichtig musste ich nun laufen, denn meine Oberschenkel krampften etwas. Aber ich hatte eine schöne Sicht über das EKO (ArcelorMittal), wie ich sie so noch nicht kannte.
Eine letzte Anstrengung war die Unterführung mit dem etwas zerklüfteten Weg, aber auch das habe ich gemeistert. An der letzten Kreuzung stand eine Helferin und murmelte was von 5 Stunden. Da ich schon ewig nicht mehr auf die Uhr geschaut hatte, bin ich auch davon ausgegangen, diese Schallmauer, die über den Marathon entscheidet

Also ins Stadion gebogen und da standen nur noch wenige Zuschauer, dafür aber alles bekannte Gesichter


Und der Blick auf diesen Zettel hat mir verraten, dass ich doch unter 5 Stunden geblieben bin, in 4:48:08h. Damit war die zweite Hälfte etwa genau so schnell oder langsam

Dann habe ich noch schnell @cabo und @martinwalkt gratuliert, die ja kurz nach mir gemeinsam ins Ziel kamen und bin schnell duschen gegangen. Denn ich wollte auf keinen Fall wieder eine Erkältung riskieren. Und danach habe ich mich massieren lassen, einfach herrlich.
Noch etwas zu trinken und zu essen geholt und nach Hause zum NudelnBologneseEssen gefahren.
Eigentlich wollte ich danach etwas ruhen, aber wir waren beide viel zu aufgewühlt. Mein Mann war auch hochzufrieden und ist bei seiner HM-Premiere knapp unter 1:50h geblieben

Die Party
Danach sind wir wieder in die Stadt gefahren, wo der Sportlerball in einem Festzelt stattfand. Zu Beginn war es dort recht kalt, aber dieser Zustand hielt nicht so lange an. Denn dann wurde zünftig auf der Tanzfläche und den Bänken getanzt und lautstark mitgesungen, ich war hinterher ganz schön heiser


Wir sind viel länger geblieben, als wir vor hatten und ich habe dann mehr als nur gut geschlafen.
Fazit
Ich bin froh, mir genau diesen Marathon als meinen ersten ausgesucht zu haben. So habe ich den Heimvorteil genossen und überhaupt das gesamte familiäre Flair. Ich musste am Start nicht ewig rumstehen, hatte an den Verpflegungsstationen 1A-Bedienung mit allem was das Läuferherz begehrt, konnte anschließend gleich eine warme Dusche und Massage genießen und hatte einen sehr persönlichen Zieleinlauf.
Klar ist es auch toll, von Massen von Zuschauern angefeuert zu werden. Aber hinterher steht man dann erst mal allein nach dem Zieleinlauf und hat erst mal keinen, der sich mit einem freut.
Mit der Zeit bin ich nach dem Verlauf des Rennens mehr als zufrieden. Die Strecke war schwer, die Vorbereitung alles andere als optimal, schließlich habe ich nur 3 Läufe über oder gleich 30km geschafft. So ganz im Vollbesitz meiner Kräfte war ich noch nicht, vor meiner Krankheit ging es lockerer.
Über den Winter werde ich die langen Läufe beibehalten und habe somit im nächsten Frühjahr eine ganz andere Ausgangsposition.
Auf jeden Fall war das nicht mein letzter Marathon, Berlin ich komme


Viele Grüße
Anett