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Luzern Marathon: Grosse Euphorie beim ersten Mal...

Luzern Marathon: Grosse Euphorie beim ersten Mal...

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Das erste Mal...– nicht für mich, aber für Luzern! Die Innerschweizer haben am Vierwaldstättersee mit einer (fast) perfekten Premiere und 35'000 begeisterten Zuschauern für Furore gesorgt. 5'600 klassierte Teilnehmer freuten sich über die einmalig schöne Streckenführung, die von Citymarathonfeeling bis zu beschaulicher Seeidylle alles bot.

Frisch ist es am frühen Sonntagmorgen des 28. Oktobers. Bei gefühlten acht Grad Starttemperatur macht man sich im Vorfeld natürlich Gedanken, wie die Wettkampfausrüstung aussehen soll. Gute Idee der Veranstalter, im Startnummernpaket gleich Armlinge als Geschenk beizulegen. Diese textilen Armhülsen schützen vor Kälte und lassen sich bei steigenden Temperaturen bequem nach vorn krempeln. Aus Gründen, die rational nicht nachvollziehbar und eher bei der ästhetischen Wahrnehmung zu suchen sind, lasse ich die Dinger aber in der Garderobe und friere lieber ein wenig.

Der Reihe nach: Vor der Startnummernausgabe geniesse ich zunächst die einzigartige Anreise zum Startgelände: Wer nämlich am Luzerner Bahnhof ankommt, nimmt dann am besten das Schiff, um zum Start zu gelangen. Im 15-Minuten-Takt buxiert die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) Läufer und Begleitung kostenlos vom Bootssteg beim Bahnhofsplatz zur Anlegestelle beim Verkehrsmuseum an der gegenüberliegenden Seeseite. Ich stehe an der Bugreling und blicke über den frühmorgendlichen See auf die noch schlummernde Stadt, die wenig später fest in der Hand von tausenden Laufsportlern und einem hellwachen, begeisterten Publikum sein würde.

Nichts für Morgenmuffel
Der frühe Start um 8:30 Uhr hat vermutlich weniger mit der Befürchtung der Veranstalter vor hohen Temperaturen um die Mittagszeit, als der Hoffnung auf voll belegte Hotelbetten für die Nacht zuvor und nicht zu weit in den Nachmittag reichenden Strassensperrungen und Fahrplanänderungen zu tun. Aus entfernten Regionen anreisenden Teilnehmern bleibt deshalb nichts anderes übrig, als frühestmorgens aufzubrechen und sich mit obstrusen Bahnverbindungen – zwischen 4.00 und 5.00 Uhr lässt sogar das Schweizer Bahnnetz Wünsche offen – den Weg in die Innerschweiz zu erkämpfen. Die Veranstalter haben im Vorfeld viel für Ökologie rund um den Anlass geworben. Die unchristliche Startzeit steht dazu leider im Widerspruch. Ein um eine Stunde später angesetzter Start hätte sicher noch mehr Teilnehmer motiviert, nicht mit dem Auto, sondern dem ÖV anzureisen. Aber der Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie fällt ja nicht nur Laufsportveranstaltern schwer... – Vorbildlich aber, dass Läufer, die mit der Bahn anreisen, nur die Hinfahrt zu bezahlen brauchen. Gegen Vorweisung der Startnummer ist die Heimreise kostenlos.

Start, Ziel, Marathonmesse und das übliche Drumherum liegen direkt beim Schweizer Verkehrsmuseum. Bis zu den Garderoben sind es dann nochmals gemütliche 10 Minuten zu Fuss – die einem "danach" auf dem Rückweg nicht mehr ganz so gemütlich vorkommen wollen. Immerhin gibt es ordentlich Platz zum Umziehen (Turnhallen, Zelte, etc.) und so weit ich hörte, für die meisten warmes Duschwasser.

Viktor Roethlin ist auch da
Als Aushängeschild und Botschafter für den Luzernmarathon engagierten die Veranstalter niemand geringeren, als den aus der Nähe von Luzern stammenden Viktor Roethlin. Genau, das ist der, der kürzlich in Osaka beim WM-Marathon als Dritter über die Ziellinie lief. "Vik", wie ihn Insider und solche die es gerne wären, nennen, sorgt unmittelbar vor dem Start für Stimmung und fordert über Lautsprecher mehrfach die Welle: "Hände in die Höhe..." und so weiter. Wir machen gerne mit, denn Bewegung hilft gegen schlotternde Beine (und unbedeckte Arme...). Der WM-Bronzemedaillengewinner ist es dann auch, der mit dem Startschuss die rund 5'600 Läuferinnen und Läufer auf die Strecke schickt. Mehr als die Hälfte gehen die Volldistanz über zwei Runden; der Rest begnügt sich mit dem Halbmarathon über eine Runde. Die Organisatoren lassen sich bei den Pacemakern nicht lumpen: Nicht weniger als 14 Taktgeber (Marathon) und 2 (Halbmarathon) wurden engagiert. Die Volldistanzen werden vom 3-Stunden-Ziel im Viertelstundenintervall bis Zielzeit 4:30 abgedeckt.

Schon bald wird klar, dass Organisatoren und Sponsoren einiges in die Werbung für die Veranstaltung investiert haben. Als ich mich der Seebrücke nähere, bin ich überrascht, wie zahlreich die Menschen schon auf den Beinen sind – notabene so früh an einem Sonntagmorgen. Schweizer sind ja nicht wirklich berühmt für ungezügelte Begeisterungsausbrüche. An diesem Tag lehren uns Innerschweizerinnen und Innerschweizer aber eines besseren. Schon an der Haldenstrasse, als wir am Casino und den vielen mondänen Hotels vorbeiziehen, winken und klatschen uns unzählige Hände zu. Am Schweizerhofquai stehen die Zuschauer dann dicht gedrängt an den Banden und feuern uns euphorisch an. Klar, dass ich mich von diesem Enthusiasmus anstecken lasse und schneller als geplant am Schwanenplatz in Richtung Seebrücke eile. Schöne Erinnerungen an meinen New York-Marathon vor zwei Jahren werden wach... – Gänsehaut, feuchte Augen; ich beginne zu "fliegen". Der Jubel reisst erst ab, als ich unter dem imposanten Dach des Luzerner Kultur- und Kongresszentrum (KKL) hindurch bin. Jetzt gilt die Konzentration wieder dem Laufrhythmus. Es geht der Stadtgrenze entgegen, in Richtung Horwer Halbinsel, die es zweimal zu umrunden gilt.

Fiese Steigungen und prominente Anfeuerungsrufe
Nachdem ich das Stadtgebiet hinter mir gelassen habe, finde ich mich rasch in ländlicher Umgebung wieder. Bei Langensand erwartet uns der erste Anstieg und gleich darauf bei Kastanienbaum der zweite. Auf der ersten Runde nimmt man die 20 und 30 Höhenmeter noch locker mit und versucht mit höherem Tempo auf den Abstiegen den Pace-Verlust wieder wettzumachen. Ein Vorhaben, das mir beim zweiten Durchgang und 25 Kilometern in den Beinen nicht mehr recht gelingen will.
Eine wunderbare Überraschung erwartet uns bei etwa Kilometer 7: Plötzlich steht wieder Viktor Roethlin an der Strecke, klatscht und ruft uns entgegen: "Super, ihr seid gut unterwegs!"
Die ganze Welt spricht von Roger Federer, wie sympathisch er wäre und wie sehr er trotz seines Erfolgs auf dem Boden geblieben sei. Mit Viktor Roethlin gibt es mindestens einen zweiten Schweizer Weltklassesportler, der dem Tennisstar in nichts nachsteht. Wenn dich einer wie Roethlin anfeuert, dann spürst du, dass er es ernst meint, wenn er im Interview sagt, er habe vor jedem Respekt, der die 42,195 Kilometer bewältige. "Der Viktor ist einer von uns...!" schwärmt eine Läuferin auf meiner Höhe und dieser schöne Gedanke begleitet mich auf den nächsten Kilometern.
Nach den Steigungen ziehen wir am See entlang. Die Sicht auf die umliegenden Berge wäre phantastisch, störte nicht ein leichter Nebel den Blick. Es geht durch Kastanienbaum und Horw, in beiden Ortschaften ebenfalls viel begeistertes Publikum an der Strecke. Sogenannte Guggenmusigen (laut und öfters gewollt nicht ganz harmonisch musizierende Fasnachtsorchester) und Traichler (Einheimische, die mit riesigen Kuhglocken läuten) treiben mich über den Asphalt.

Ein Publikum, von dem Läufer träumen
Die Verpflegung ist reichlich und lässt keine Wünsche offen. Sechs grosse und gut bediente Posten, die man mehrmals passiert, garantieren beste "Treibstoff-"Zufuhr. Wasser, Iso, Riegel, Bananen, Gel: alles da. Die Angst vor der zweiten Runde verliert ihren Schrecken mit der Vorfreude, noch dreimal den Abschnitt KKL-Europaplatz-Seebrücke mit diesen begeisterten Menschen passieren zu dürfen. Und nicht nur die Läufer beweisen Ausdauer, auch die Leute zeigen Standfestigkeit. Bei vielen Marathons ziehen die Zuschauer nach den 3-Stunden-Läufern bald einmal ihres Weges. Nicht so in Luzern: Nachdem ich die Horwer Halbinsel ein zweites Mal hinter mich gebracht habe, stehen immer noch Tausende an der Strecke. Von einer Terrasse aus johlen uns mehrere junge Frauen zu: "Ihr seit die g.....sten Typen!" – So etwas hört man ja nicht ungern. Also winke ich freudig zurück, auch wenn meine Beinmuskulatur zu diesem Zeitpunkt förmlich in der Säure badet...

Der Zieleinlauf führt durch das Verkehrsmuseum, laute Musik peitscht mich über die finalen Meter. Die Ziellinie kommt plötzlich, es stört der knapp bemessene Auslaufraum. Für mich einer der wenigen Minuspunkte. Es gibt Angenehmeres, als nach einem Marathonzieleinlauf gleich stehenbleiben zu müssen. Doch lassen wir das, denn wer sucht, findet immer etwas zum Stänkern. Jugendliche Helfer gratulieren jedem Finisher und streifen Medaillen über die Köpfe. Wer Glück hat, dem wird diese Ehre vom omnipräsenten Viktor Roethlin persönlich zuteil.

Der Luzern-Marathon hat Zukunft
Der Lucerne-Marathon hat Potential. Deutlich spürbar der Wille, einen Topevent mit Volkslauf-Charakter zu entwickeln. Die Stadt mit grosser touristischer Anziehungskraft, in wunderschöner Landschaft am Vierwaldstättersee, in Verbindung mit einer sehr attraktiven Marathonstrecke, hat gute Karten, sich einen Namen im Marathonkalender zu machen. Und die gelungene Premiere wird sich bestimmt über die Schweizer Landesgrenzen hinaus herumsprechen. Der Luzern-Marathon ist aufgrund des kupierten Geländes nicht unbedingt erste Wahl für jene, die eine neue Bestzeit im Fokus haben. Wer aber das Landschaftsspektakel, einen tollen Mix zwischen Citymarathon und Seeidyllenlauf, ein euphorisches Publikum und einen hervorragend organisierten Wettkampf sucht, kommt hier voll auf seine Kosten.

Marcel Baud
"Laufen ist eine der schönsten Formen von Anarchie."
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