Am 1. April 2007 bin ich mein erstes Laufrennen gelaufen: den Murpromenaden –Halbmarathon, als Staffel mit meiner kleinen Schwester.
Damals war ich mir sicher: mein erster „richtiger“ Halbmarathon soll genau dieser sein!
Im Herbst mußte ich mit Schrecken feststellen, dass der Veranstalter, eine Grazer Wochenzeitung, sich aufgelöst und neugegründet hatte. Einige Mails zum „Neuübernehmer“ blieben lange unbeantwortet, bis endlich die Rückmeldung kam: Natürlich wird es diesen Lauf wieder geben.
Hurra! Dann stand meinem 6-Wochen-Plan mit Start Montag, 18. 2. Ja nichts im Wege.
Typischer Fall von „denkste!“

Vorher:
Am Freitag, 15. 2. bin ich nämlich grippig in der Dusche kollabiert, herausgestürzt und hab mir die Nase gebrochen.

Bis ich wieder halbwegs einsatzbereit war, dauerte es gut 2 Wochen. Es folgten zwei mühsame Wochenendläufe und wieder eine Woche mit Pause, da mein Mann beruflich abends nicht da war, und die Kids, 3 und 5, weder mitlaufen noch alleine zuhause bleiben können.
Vor 3 Wochen konnte ich dann wirklich mit dem Training beginnen, hatte mir aber jegliche Zielzeit sub 2h schon abgeschminkt. Ich wußte, dass ich einen Halbmarathon konditionell locker schaffen konnte, aber tempomäßig…naja, ich hatte 3 tempoläufe in der Vorbereitung, und die waren hart.
Also neues Ziel: 2:05 realistisch, wenns gut läuft und alle Trainer und Anfeuerer recht haben, 1:59:59.
kurz vorher:
Gestern abend war ich schon etwas unausstehlich, nervös, und hab immer wieder versucht, mich selber auf den Boden zu holen: „Du willst nur 21, 02 km laufen. Du brauchst dich weder speziell zu hydrieren, noch brauchst du Carboloading (aber der Kaiserschmarren war schon gut *G*), du läufst keinen Marathon, nur 21,02 km!“

Heute Früh hab ich mich gegen 9:00 aufs Rad gesetzt und bin bei strahlend blauem Himmel und bester Laune zu meiner Schwester gefahren, die ca 100 m von Start/Ziel entfernt wohnt und mir somit den Luxus einer Privatumkleide und –Dusche ermöglichte.
Singend. "schnucki, ach schnucki, fahr ma nach kentucky, in der bar old shatterhand da spieeeelt a indianerband......"

Anziehen.
Kurze Hose, ok. Ärmelloses Leiberl oder doch nur Kurz? Kurz.
Pulsgurt sitzt, Pulsuhr ist da. Zeitmessungschip ist am Schuh. Nike+-Sensor ist im Schuh. IPod……MIST, mein iPod hängt noch am Ladekabel!!!!!
Die liebste aller kleinen Schwestern hat sich dann für mich auf´s Fahrrad gestürzt und mir meinen iPod gebracht. Den brauch ich nämlich dringend!
Erstens, weil ich Musik zum Laufen brauch, zweitens, weil mir das sports-kit den aktuellen pace anzeigt, und ich mich halbwegs daran orientieren kann.
der lauf
Also: iPod auch da, es kann losgehen.
Im Starttrubel , den ich wie bei jedem rennen mit PINK im ohr erlebe,bin ich erstmals natürlich viel zu schnell, brems mich einige male runter, und trabe zufrieden mit der Menge mit.
Herrlich!
Es ist ein wunderschöner Sonntag, es ist wolkenlos, Temperaturen um die 15 °c sind angesagt, ich hätte heute sowieso einen langen Lauf gemacht, so mach ich ihn halt gemeinsam mit einigen anderen Läufern.
Ich lauf an dick-beknospten Kastanienbäumen vorbei, hoch oben sitzt ein Amselmännchen und läßt sich von dem gleichmäßigen Dahintrappeln der Läufer überhaupt nicht stören. Einige Passanten stehen da, klatschen, feuern uns an.
Ich fühl mich grad richtig wohl!
Neben mir entdecke ich einen jungen Mann in Schwarz, der genau meinen Takt läuft, und häng mich an. Also, eigentlich häng ich mich nicht HINTEN , sondern NEBEN an, im Augenwinkel seh ich , wie er mit mir im Gleichschritt dahinläuft…sehr angenehm. Als wir auf die Kalvarienbrücke zulaufen, suche ich meine Jungs, und seh sie auch schon: meinen Mann mit dem Fotoapparat und die Jungs mit leuchtgrün/leuchtgelben T-shirts, sie winken, hüpfen, schreien laut „HOPPHOPP MAMA!!!!!“, klatschen mit mir ab und freuen sich wie die Schneekönige.
Ich mich auch!
Links taucht der Kalvarienberg auf, dann schon der Karl-Morree-Steig, eine schmale Brücke, über die wir ans andere Murufer wechseln. Ich laufe bewußt langsam drüber und genieße den Blick auf die breit dahinfließende Mur, das Wasser glitzert, links und rechts beginnen die Bäume sich in zartes Grün zu kleiden….ich liebe den Frühling!!!
Schon geht’s dir Brücke wieder hinunter und ab jetzt gut 10 km flußabwärts, das sanfte dahinschwingen des Wasser macht gleich wieder ein bisschen Schwung!
Ein Blick auf den iPod zeigt mir, dass ihn mein doch etwas höheres Tempo scheinbar irritiert: bei km 10 zeigt er mir noch ca 9,4 km an. Laufen und Rechnen…..wenn der mir weniger strecke bei gleicher zeigt anzeigt, als real ist, lauf ich dann schneller, oder langsamer, als er mir anzeigt???
Jedenfalls paßts nicht mehr so ganz.
Dafür paßt er mit meiner Polar zusammen, die zeigt mir nämlich an, dass ich keinen puls hab.
fühlt sich zwar nach mehr an, aber auch gut.
Rechts fließt die Mur, links taucht schon der Schloßberg auf. Ein paar Polizisten stehen leicht fadisiert herum, einige Pensionisten klatschen begeistert und schauen jedem, der in dem aufgelockertem Feld vorbeiläuft, beim Anfeuern in die Augen!
Bei km 11 kommen wir in den Augarten, hier war voriges Jahr die Staffelübergabe. Erstmals nehm ich die Labestation in Anspruch und trink ein paar Schluck Wasser. Gerade soviel, dass der Mund wieder feucht ist, das Wasser ist nämlich sehr kalt, bei mehr würde ich Magenschmerzen riskieren.
Der Augartenpark ist ein Multi-Kulti-Sport-Spielplatz, Kinder spielen, Erwachsene spielen Fußball, die durchkeuchende Läuferschar wird nur am Rand wargenommen.
Bei km 12 zieht es sich erstmals gewaltig. Wir laufen Gehsteig-rauf-gehsteig runter durch eine Siedlung, vor und hinter mir ist grad niemand und ich fühl mich irgendwie grad etwas schlapp.
Denk mir: bis km 13 mach ich jetzt *langsam-lauf-pause*, dann geb ich wieder gas.
Der vorsatz hält etwa bis km 12,5, dann schließ ich wieder auf eine gruppe auf.
Es geht an den Südrand von Graz, rechts noch immer Mur und Murauen, links gepflügte Felder, die Sonne scheint vom Himmel runter, Vogelschwärme steigen auf.
Meine Jungs sind nachgefahren um einen weiteren Fotopunkt zu haben, wieder winken und klatschen sie begeistert. Mit halbem Ohr hör ich noch wie Christoph ruft: “ du mußt noch schneller laufen, mama, damit du alle überholen kannst….“

Rechts kommt der gasrohr-steg, eine Holzbrücke, in Sicht, die Strecke schlägt hier einen Haken nach links, Labestation und wieder nach rechts, führt durch eine nette Siedlung bis an die Autobahn, wo eine 180 °Kurve uns wieder Richtung Muraufwärts bringt.
Ziemlich genau bei der Kurve schwächelt mein iPod entgültig, das kopfhörerkabel scheint einen Wackelkontakt zu haben, ich hör nur mehr Bässe und steck das Ding ganz aus.
Grad als ich mich drüber ärgern will, werf ich einen Blick nach rechts: „GERALD?????“ Neben mir taucht mein Maturakollege auf, den ich seit ewigkeiten nicht gesehen hab! Er läuft genau mein Tempo und wir tragen uns gegenseitig ins Ziel!
Wir schwatzen 2 km lang, über Wohnungsveränderungen, Laufgewohnheiten und bestrittene Läufe, dann wird’s ruhig und wir beide beginnen zu kämpfen.
Km 18 und 19 ziehen sich ewig lange dahin, da, wo im vorjahr noch eine labestation ist (auf die ich mich schon so gefreut hab!!!!) ist heuer keine mehr. Mist.
Egal, muß weitergehen.
Bei km 19,5 denk ich mir: „eigentlich mag ich jetzt echt nimmer! I bleib jetzt stehn!“ offensichtlich hab ich laut gedacht, denn geralds entsetztes:“echt??? Na geh!!!!!!“ rüttelt mich wieder auf.
Nein, natürlich nicht!

Etwa bei km 20 (!!!!) ist die letzte labestation, na jetzt brauch ich auch nix mehr, ich brauch schon alle kräfte zum weiterlaufen, da kann ich mich nicht auch noch aufs im-laufen-trinken konzentrieren!
Knapp vor km 21 seh ich einen mann gehen/humpeln….schaut sehr verkrampft aus. Ich ruf ich noch zu: „gleich da vorne!!!!!“ , er winkt lächelnd ab…
Sind aber doch noch 2 Kurven zu laufen, und endlich seh ich das Ziel. Ein letztes mal noch Gas geben, ich brauch eigentlich schon die ganze kraft um nicht langsamer zu werden, und lauf ein!
Geschafft!!!!
Mir wird eine Medaille umgehängt, meine Schwester erwartet mich schon.
ich hab keine Zeit gesehen, sie sagt irgendwas von „1:55 brutto“….hä??? gibtsjanicht.
Bitte Trinken, ich hab DUUAAAAST!
Meine Family ist auch im Ziel angekommen, müde und hungrig. Ich werd zur Privatdusche gebracht, und bekomm mein genaues Ergebnis vom coach höchstpersönlich aufs Handy geliefert:
1:54:18!
Kanns eigentlich gar nicht glauben!
2:06 hab ich für realistisch gehalten, 1:59:59 hab ich mir erträumt, und 1:54:18 bin ich gelaufen!
Der Start in die Saison war gut! der Sommer kann kommen!