ein alternativer Titel wäre auch:
Probleme über Probleme

Kurz vorweg: wenn ich mich mal hier auf "ein paar postings weiter unten" oder so beziehe: Ich hab’ noch ein kleines, mehr oder weniger schlecht gepflegtes Blog..... Und wem’s zu lang oder zu langweilig ist: einfach nicht lesen, aber irgendwie war mir mal danach.... Immerhin mein erster WK (und noch dazu ein Halbmarathon) in meiner Heimatstadt (und nein: ich bin kein geborener Sachse, wenn das wen interessiert).
Eigentlich sollte das ja hier ein Bericht über meinen ersten Marathon meines Lebens werden. Leider, und die Gründe kann man ja ein paar Postings auch nachlesen, wurde daraus aber nix. Ist auch nicht schlimm, kann man sich ja noch auf etwas freuen und ich muss nicht gleich für den Ultralauf trainieren. Zumal mir dazu sowieso die Zeit für’s Training fehlen würde.
Also wurde es „nur“ ein halber Marathon und 21,1 Kilometer können auch ganz schön wehtun. Aber, wie der Titel dieses Eintrags ja schon suggeriert, soll es hier ja heute nicht um’s Laufen gehen, sondern um Probleme. Um genau zu sein, um drei Probleme. Meine drei Probleme. Aber mal chronologisch.
Tag x-1
Da waren sie nun zum ersten Mal, meine drei Probleme: Mein Gott, bin ich schlapp. Ich habe Gummi in den Beinen und bestimmt auch zu wenig trainiert. Wie auch besser, mit dem Scheiß-Knie. Obwohl, eigentlich merk ich’s ja kaum noch. Außerdem sind auch morgen eigentlich drei andere Probleme zu bewältigen: Linus muss zum Kindergeburtstag, wir müssen mal wieder dringend in den Garten und die Spülmaschine muss auch noch ausgeräumt werden.
Nacht X-1
So schlecht geschlafen habe ich schon lange nicht mehr: Alptraumhafte Anwandlungen wecken mich immer wieder aus dem Schlaf. Im Traum überhöre ich den Startschuss, breche bei Kilometer 10 gnadenlos ein und mein Knie ist auch nur noch ein Wrack, so dass ich von den Sanis in’s Ziel gefahren werden muss. Außerdem habe ich auch noch vergessen, meine Nippel abzukleben, so dass mich im Ziel außer bösartigen Schmerzen auch noch zwei rote Punkte auf dem Laufshirt als blutigen Laufanfänger outen. Zu allem Überfluss schütte ich mir bei den Verpflegungsstellen dauernd irgendeine klebrige Flüssigkeit in’s Gesicht. Später muss ich erfahren, die klebrige Flüssigkeit ist irgendswie-sowas-wie Cola. Wenn es mir auch nur bei einer Station passiert, doch dazu später mehr.
Tag X, D-Day
So irgendwie noch halb in der Nacht
Habe ich schon erwähnt, dass ich schlecht geschlafen habe? Jedenfalls werde ich um halb sieben von Problem Nummer 1 geweckt. Der brüllt in einem Wutanfall in der Küche vor sich hin und die beste Monna von allen hat sich in die Dusche verzogen. Kann man eh nix machen. Irgendwie gelingt es mir, Thilo zu beruhigen und da waren auf einmal wieder Problem 2 und 3 wieder da: Ich muss heute den Halbmarathon laufen. Und mir geht es gar nicht gut. Irgendwie komme ich auf die wahnwitzige Idee, den Kindern Fieber zu messen (denen geht’s irgendwie auch nicht so gut). Ist aber nix. ABER BEI MIR! 37,5°C!!! Alarm. Ich muss absagen. Sofort wieder ins Bett. Geht gar nicht. Gott sei Dank. Dann muss ich mich wenigstens nicht 21,1km lang quälen, nur um am Ende festzustellen, dass ich meine Wunschzeit, die bei unglaublichen sub 1:45h liegt, um Stunden verfehlt habe. (Ja, nach meinem Osterlauf vor vier Wochen (1:47:38) musste die magische Grenze irgendwie denn doch fallen, da war ich immerhin aufgrund von Kniepause noch schlechter trainiert.)
8:00h
Da waren sie dann schon mal wieder, meine drei Probleme: Ich bin scheißnervös, mag keinen Honig, mit denen ich eigentlich meine Wettkampffrühstücksweißmehlbrötchen beschmieren müsste, um optimale Ergebnisse zu erzielen und habe sowieso gar keinen Hunger. Na ja, irgendwie zwinge ich mir dann doch zwei Brötchen (mit Käse und Schinken, oh nein, wenndasmalgutgeht) rein.
8:30h – 11:00h
Habe ich es schon angemerkt: Ich habe Probleme. Drei Probleme.
Nr. 1: Was mache ich mit der Zeit bis ich losfahren muss?
Nr. 2: Wo ist mein Powergel? (achja, ich habe mich dann doch entschieden, das mal im WK zu probieren, aber dazu später mehr). Und
Nr. 3: Ich muss mehr trinken. Irgendwie gesellt sich auf einmal noch ein Problem
Nr. 4 dazu: Ich bin viel zu dick. Viel zu dick, um überhaupt zu laufen. Geschweige denn einen Halbmarathon.
Nun, für viele Probleme gibt es eine Lösung. Für Nr. 1: Ich habe drei Kinder, die machen das schon. Außerdem muss ich noch mal meine Ausrüstung durchchecken und das Nippeltape zurechtschneiden. Ist die Batterie von der Pulsuhr noch voll? Wo ist der Pulsgurt? ..... Nr. 2: Bei den Socken. Wo es hingehört und besser auch hätte bleiben sollen. Doch dazu später.... Na, ihr ahnt es schon. Nr. 3: Ich trinke wie ein Wüstenscheich und muss dauernd auf’s Klo. Was auch Problem Nummer 1 merklich entzerrt. Nr. 4: Für Sofortmassnahmen ist keine Zeit mehr. Muss ich wohl noch eine Weile mit leben. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es immerhin 10 Kilo weniger als bei meinem ersten WK im letzten Jahr (ja, das waren ja auch bloß 10km) und fast 30 weniger, als zum Beginn meiner SuchtLaufkarrierre sind. Ein schwacher Trost.
11 Uhr irgendwas
Los, ich muss los! Nur noch 11/2 Stunden bis zum Start. Und wer weiß, vielleicht hat mein Fahrrad ja einen Platten und ich muss die 3km zu Fuß gehen (potentielles Problem Nr.1)! Vielleicht finde ich auch den Start oder die Garderobe nicht (Wäre dann Nr.2). Immerhin, um das potentielle Problem Nr. 3 zu umschiffen habe ich mir schon am Vortag die Startnummer abgeholt und wunderschöne Schuhe gekauft. Aber wer jetzt denkt, ich hätte die heute an: Nene, bin ja nicht blöd.
Ach du Schande, beim Thema Schuh fällt mir siedendheiß was ein: Der Chip! Wo ist der Championchip? Der Chihip?! Achja: den habe ich ja schon am Tag X-1 an die gebürsteten undabertrotzdemnochziemlichdreckigaussehenden Schuhen mit der „Kabelbinder-Zwei-hält-besser-als-einer-und-lässt-sich-dann-auch-besser-schnüren-Methode“ befestigt. Ein Blick an meinem astralen Läuferleib herunter bestätigt diese blasse Erinnerung: Sitzt bombenfest am rechten Schuh. Wie immer zum WK übrigens die NB857, meine Glücksbringer.
11 Uhr irgendwas + 10 Minuten
Kaum angekommen am Startbereich, waren sie schon wieder da, meine drei Probleme: Ich bin viel zu früh, mir ist flau im Magen und ich habe überhaupt gar keinen Bock nicht zu laufen. Und sowieso schon mal keinen Wettkampf.
12:00h
Die Kleiderabgabe geht schnell durch, erstaunlicherweise keine Probleme, außer einer widerspenstigen Trainingshose, die nicht über die Schuhe wollte. Kaum verlasse ich die Garderobe/Marathonmesse waren sie aber schon wieder da: es ist erstens saukalt, zweitens wehrt sich der Müllbeutel, denn mir als Windschutz überstülpen will, so dass ich fast auf der Treppe stolpere und drittens will ich jetzt nach Hause. Zum letzten zuerst: das wäre jetzt aber irgendwie zu peinlich. Den Müllbeutel überrede ich schließlich doch noch und gegen Problem Nr.1 hilft der Müllbeutel so leidlich. Außer an den Armen. Und so laufe ich mich auch knapp 10 Minuten ein und erleichtere noch einmal –so gut wie möglich heimlich- meine Blase.
12:20h
Ich reihe mich irgendwo in der Mitte des knapp 2500 Läufer starken Startblocks ein. Und prompt war ich nicht mehr allein. Denn abgesehen von 2499 anderen Läufern waren auch meine drei Probleme wieder da: Ich kann den Zeitläufer für 1:44h nicht entdecken (denn soll es aber mit Luftballons bestückt geben!). Mein flauer Magen dreht sich fast um und neben mir hat sich einer bestimmt drei Tage nicht gewaschen. Um Problem Nr. 3 umgehend abzustellen schlängele ich mich nach hinten. Keine gute Idee, der Wind steht schlecht. Sehr schlecht. Hätte ich ja auch mal vorher draufkommen können. Also zurück nach vorn, was nicht ganz so einfach ist. Schließlich ist aber auch das Problem behoben. Der flaue Magen weicht irgendwie auch einer erhabenen Stimmung, denn auf der nebenan liegenden Gerade werden gespannt die Sieger des Marathons erwartet. Den Zeitläufer kann ich immer noch nicht sehen.
12:45h
Die ersten 4 des Marathons werden noch beklatscht, dann wird auch schon von 10 heruntergezählt. Der Startschuss fällt..... und nix passiert. Nach einer halben Minute bewege ich mich stockend in der Masse vorwärts und überhole schon die ersten Dussel, die sich viel zu weit vorne eingereiht haben. WO ZUR HÖLLE IST DER ZEITLÄUFER??? Ohne geht gar nicht, will doch 1:45h unterbieten.
Da aber alles Fluchen nichts hilft, muss ich also erstmal ohne laufen. Und prompt kamen sie schon wieder: Ich bin zu schnell, warum verdammich habe ich mir immer noch keinen Garmin Forerunner geholt (dann wüsste ich wenigstens mal halbwegs, wie schnell zu schnell) und wieso sind eigentlich so viele langsame Läufer vor mir???
13:33h
Bis Kilometer 10 habe ich so allerhand überholt und auch tatsächlich schon bei Kilometer 4 die erste Kilometermarkierung entdeckt. Problem Nr.1: Ich bin ganz schön viel viel zu schnell. Die Kilometer in 4:45min - 4:50min abgespult. Sei’s drum. Ich muss ja immer noch Problem Nr. 2 einholen: Den Zeitläufer. Und da, da vorne isser auch. Luftballons, Neonshirt! Nach einem kleinem Spurt kann ich den Aufdruck auf seinem neongrellen Shirt erkennen: Zeitläufer 1:59h!! JA KANN DENN DAS DIE MÖGLICHKEIT SEIN? WIESO STAND DENN DER SOWEIT VORNE? Frechheit. Außerdem will ich den gar nicht haben. Womit wir bei Problem Nr. 3 wären: Ich muss weiter so schnell laufen, weil ich den Heini sonst nie kriege. Bei Kilometer 10 gucke ich auf meine Uhr und verharre fast in Ehrfurcht: 47:47h. Verdammt, meine zweitschnellste 10km Wettkampf-Zeit. Und ich muss noch 11,1km machen. Jetzt will ich es aber wissen, also gilt ab jetzt das Motto: Wer bremst verliert. Zum ersten Mal schnappe ich mir am Verpflegungsstand zum Getränk auch ein Stück Banane. Also, wie ging das nun noch mal: Becher schnappen, wenn möglich mit Cola. Banane andere Hand. An den Tischen vorbei. Rechts ran, stehen bleiben, trinken, schlucken. LOSrennen, Becher wegfeuern. Banane pellen, irgendwie in den Mund stopfen. Schale wegfeuern. Uuups, habe ich einen getroffen. Wenigstens keinen Läufer, „nur“ einen Zuschauer. An dieser Stelle: Entschuldigung, war keine Absicht.
13:38h (so in etwa)
Streckentechnisch jeweils in der Mitte zwischen den „Vollverpflegungsstationen“ befinden sich noch ganz zauberhafte Wasserstellen. Becher, Schwämmchen alles da. Ich schütte mir ab jetzt bei wirklich jeder Station Wasser über den Kopf, bin ganz schön heißgelaufen. Irgendwo bei der letzten Wasserstation erwische ich sogar tatsächlich mal einen Schwamm, so dass es ein bisschen weniger Sauerei ist. Irgendwie habe ich auch gar keine Probleme mehr. Vielleicht fallen Sie mir auch nicht mehr ein, weil ich pausenlos mit Zeiten im Kopf jongliere. Wieso muss die Uhrzeit eigentlich in diesem blöden 60er System erfasst werden? Vielleicht merke ich aber auch einfach gar nix mehr.
13:50h (auf jeden Fall kurz vor km 15)
Also gut, da ist es wieder, das Schild: Verpflegung 200m. Bleibt knapp eine Minute. Ich tu’ es wirklich! Powergel aus Gesäßtasche. Problem Nr.1: Das Aufreißen: dabei fällt mir das Mistding beinahe hin. Also müssen die Zähne helfen. Problem Nr.2: „Geschmacksrichtung: Green Apple caffeinated“. Problem Nr. 3 trifft mich heftig, wenn auch nicht unerwartet: Ich drücke mir vorsichtig eine kleine Portion in den Mund .... und.... und.... muss kotzen. Nein, nicht wirklich. Aber viel fehlt nicht. Also Nase zuhalten und runter. Hinfort mit dieser absolut überflüssigen und unerträglichen Pampe. In den bereitstehenden Vorgarten reingeworfen. Sollen die sich das doch reinziehen. Ich mache das jedenfalls NIE NIE NIE wieder. So eklig war das bei meinen Selbstversuchen im Training nie! Ich schwöre! Gott sei Dank sind nun auch die Tische mit den Getränken da und obwohl alle Helfer ihre jeweiligen Gebräue lauthals anpreisen, muss ich ausgerechnet an einen geraten, der nix sagt. Und: Früchtetee. Na ja, immer noch besser als Green Apple caffeinated.
Kurz vor dem Ende (es muss so 14h gewesen sein)
Wieder ein Wasserstand. Aber es waren nur meine drei Probleme. 1. Ich habe keinen Bock mehr, ich will nach Hause. Aber das kannte ich ja schon. 2. Mir ist heiß, ich schwitze. Ich schütte mir Wasser über den Kopf. 3. Es ist gar kein Wasser. Haben die Helden am Wasserstand doch tatsächlich irgendeine süße Plörre abgelegt. Gut, im Nachhinein kann man sagen: Wasser ist nicht orange. Aber das im Zustand geistiger Umnachtung noch auf die Reihe zu kriegen ist gar nicht so einfach. Gott sei Dank gibt’s auch wieder Schwämmchen und viiieel Wasser, so dass ich wunderbar abgekühlt und grobgereinigt nur einige Sekündchen verloren habe. Zum ersten Mal 1Sekunde über 5 Minuten gelaufen! So geht das ja nicht.
Das Ende, jedenfalls ganz bald
Die letzten drei Kilometer will mir keine Zeit unter 5 Minuten mehr gelingen. Es geht stetig bergauf, ist kurvig, windig. Und außerdem sind zu uns Halbmarathonis noch die 10km Läufer gestoßen. Und zwar ausgerechnet die Mittelschnellen, so dass wieder Hindernislaufen angesagt ist. Dazu kommen noch Marathonis auf der zweiten Runde, die es nun bald hinter sich haben. Ein bisschen neidisch bin ich ja schon. Also eine ganze Menge Probleme. Da, da, DAAAA: km20. Nun gebe ich aber alles. Beim letzten halben Marathon konnte ich noch eine ganze Menge Läufer einholen. Jetzt reicht es noch für zwei Handvoll Läufer bis ins Ziele, irgendwie geben alle alles. Und außerdem haben ja diese Weicheizehnkilometerläufer ja noch Reserven... ;-)
Das Ende
Ich biege um die Ecke und: TATA-TUSCH-FANFAREN: Die Zielgerade.
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Scheiße, ist die lang.
Hatte ich gar nicht so in Erinnerung. Aber nun kann ich schon die Uhr erkennen: 1:43:xx. Moment, das ist doch die Brutto-Zeit, schießt es mir durch den Kopf! Ich bin deutlich unter 1:45h! Jippiie! Jetzt schon glücklich! Aber da sind noch ein paar Meter zu laufen. Aber die schaffe ich auch noch. Nach dem Zieldurchlauf kann ich immerhin noch stehen, da habe ich auch schon anderes erlebt. Und habe nun endlich auch keine Probleme mehr. Bis zum nächsten Lauf, versteht sich.
P.S.: Brutto 1:44:06, Netto 1:42:21 und den blöden Zeitläufer habe ich bis zum Schluss nicht eingeholt.
Gruß und Danke fürs Lesen, Frank