Ich stehe hier an der Finishermarke 2:15. Das erste mal wird mir bewusst, was da jetzt genau, bzw. auf was genau ich mich da eigentlich eingelassen habe. Halbmarathon, jaja, lauft ihr mal. Ich weiß es noch wie gestern. Jetzt steh ich selbst hier. Einer von ca. 7000 Läufern, einer von vielen. Meine Gedanken gehen kurz zurück an den Anfang, an die fixe Idee, ich denke kurz an die Waldläufe im Schneegestöber, -7° bei Dunkelheit, denke an falsche Schuhe und an Wölfe die sich zwischen meinen Beinen verirrt haben. Denke an dicke Knie und Hundebissen im Wald. Denke an Nippelpflaster und Vaseline und den interessiert belustigenden Blick der Verkäuferin. Alles wofür? Hierfür? Nagut!
Ich sehe mich um und sehe ganz viele gelbe Schildchen (die die Halbmarathonläufer von den Marathonis unterscheiden) um mich rum. Ich sehe in sehr angespannt und teilweise auch müde Gesichter. Müde? Wieso? Das Wetter ist zu diesem Zeitpunkt (kurz vor 8:30) absolut genial, alle meine Knochen haben heute morgen keinerlei Anzeichen von Schmerz gezeigt, meiner Partnerin juckt es in den Füßen, ich könnte Sweet Home Alabama singen und eigentlich ist alles gut, wieso nur bin ich so furchtbar nervös? Liegt es an dem was vor uns (um jetzt mal in den Plural zu wechseln) oder dem was hinter uns liegt. Egal.
An uns vorbei schieben sich einige uffgeregte mit den Worten: Ach, 2:15, nee.. da gehen wir doch noch lieber n bisschen vor. Dass ist doch zu langweilig. Schade nur, dass genau dieser Herr an KM 15 am Strassenrand hockte, mit Roter Birne und Schwämmchen in der Hand und sein Ziel wohl total verfehlt hatte. Wäre ich gehässig hätte ich ihm zugerufen, na? 2:15 ist wohl zu langweilig. Aber ich bin nicht gehässig, deswegen dachte ich es mir nur.
Vor uns schweben pünktlich um 8:30 Herzluftballons gen Himmel, die mit Sicherheit einer tiefen Symbolik unterliegen, die mir in diesem Moment und in dieser Verfassung aber reichlich egal sind. Ich bin heiß wie Frittenfett und will endlich auf die Strecke. Gesagt getan. Eh man es sich versieht ist man auf eben genau dieser. Kurzes In-mich-Reinhöring. Danke, passt. Herr Knie und Herr Fuß sind heute anscheinend im Urlaub. Meine Verlobte hat sich durchgerungen mich bei meinen HM-Debüt, welches auch ihres ist, zu begleiten und nicht, wie eigentlich besprochen ihr Heil in der Flucht zu suchen und an die Zwei-Stunden-Marke zu kommen. Schatz, ich sage dir meinen Dank dafür!
Wir gehen die ersten zwei Kilometer an, das Läuferfeld sortiert sich erstmal in aller Ruhe. Zwischendurch denke ich schonmal, gelle, wenn die weiter so alle überholen bekomme ich gleich die Walkingstöcke der Powerwalker (meinen Respekt!) in den Allerwertesten gerammt, war aber doch nicht so, gottseidank. Zwischendurch werden wir von einem Typ im Anzug überholt. Ziemlich forsches Tempo, trotz oder wegen des Schlips, egal, war eh ne Staffel, die dürfen dass.

Die erste Verpflegungststation kommt in Sicht. Wasser! Immer schön trinken! Schön! Und auch die Dusche der Feuerwehr kommt mir selbst zu diesem frühen Zeitpuntk schon sehr gelegen.
Nach einigen zurückgelegten Kilometer folgt wieder die kurze Unterhaltung mit meinem Innern. Alles klar? Ja? Echt? Cooool. Und weiter gehts.
In Kassel ist es so, dass nach Kilometer 8 die Strecke leicht bis zum Kilometer 15 oder so, nach oben führt, was meinem Puls irgendwie gefällt und er sich gleich am nach oben klettern beteiligt. Er, und ich gleich mit. Da sind wir nun, der Berg, der Puls, der Stimpy. Aber es läuft. Es läuft super. Ich habe keine Ahnung auf welchen Kilometer wir sind, ich weiß nur dass ich laufen will. Einfach so. Die Stimmung genießen und zusehen dass meine Mütze immer schön nass bleibt. An dieser Stelle mal nen fetten Respekt an die Zuschauer, super! Danke!
Bei Joeys Garage in Kassel stehen unserer Freunde, pünktlich wie die Maurer. Sie johlen, sie klatschen, wir johlen, wir klatschen. Es ist einfach ein tolles Gefühl hier zu sein.
Danach folgt der Abstieg und hier wurde es dann irgendwie kurzzeitig ein wenig ungemütlich. Erst überholte uns ein Rettungswagen, dass erste Zeichen für uns, dass nicht alle so einen Spass haben wie wir, nur um kurz drauf eine (bewusstlose?) Frau am Strassenrand aufzukabeln. Sie wird wohl nicht die letzte gewesen sein heute, aber "meine erste". Ich wünsche dir von hier alles Gute!
Kurz drauf kommen die wahnsinnig schnellen Kenianer mit ihrem Tross an Begleitfahrzeugen an uns vorbeigehuscht. Wahnsinn, was die drauf haben. Leider wurde es an diesem Teil der Strecke ziemlich eng zwischen den Belgeitfahrzeugen und uns. Aber letztenendes ist uns selbst dass egal gewesen. Wir laufen und fühlen uns gut, machen Witzchen und gucken uns die Leute an.
Auf den letzten paar Kilometer unten in der Aue stellten wir fest dass wir noch eine Schippe drauflegen können und, gesagt getan taten wir dies auch.
Ich habe sowas ja noch niemals erlebt, aber der Zieleinlauf in Kassel wird mit Abstand das schönste Erlebnis meines bisherigen Lebens sein. Die Zuschauer waren so fröhlich und ausgelassen und alles in allem war es ein super Event. Meine Zielzeit unter 2:15 habe ich mit 2:18 nur geringfügig überschritten, dafür war es ja auch grade mal der erste von vielen.
Abschließend bleibt mir nur noch zu sagen dass wir auf jeden Fall nächstes Jahr wieder da sein werden. Und dann sind wir so schnell, dass wir mit der "Elite" nichts mehr zu tun haben werden, weil wir dann schon frisch geduscht im Zieleinlauf stehen werden. Elebäh!
Danke fürs Lesen. Danke an die Zuschauer die uns ein solches Spektakel geliefert haben und immer mit frischem Wasser für uns da waren! Super!
Stimpy, der sein Glück noch gar nicht fasse kann.
Ps.: Schlechtschreibfehler kann man sich bunt anmalen, ausdrucken und an die Wand hängen!