Überläufer hat geschrieben:
Da bestimmt halt der Ansatz, was "real" ist, und was nicht.
Meiner ist es (nicht von mir erfunden), daß der Mensch Wahrnehmungen hat und das Denken im weiteren Sinn des Wortes. Das soll der Ausgangspunkt sein (auch nach Descartes "cogito ergo sum"). Mit unserem Denken sind wir aber immer auch Teil der Welt, wir stehen ihr nicht gegenüber. Alle unsere Welterfahrung beruht auf Wahrnehmung und Denken. Jede Frage nach einem "Ding an sich" ist sinnlos, ja eigentlich belanglos, da wir eben nur die Wahrnehmungen eines Dinges verarbeiten können. Etwas "Dahinterstehendes", wie der "große Simulator" ist durch Wahrnehmung und Denken nicht belegbar und für die Wirklichkeit irrelevant.
Mit unserem Denken (und damit auch mit unserer Vorstellung) leben wir in etwas, was wir "Gedankenwelt" nennen können. Wenn ich ein Dreieck betrachte, es als solches erkenne (durch Wahrnehmung und Denken), kann ich es mir vorstellen, auch wenn ich es nicht mehr betrachte. Das Dreieck als Idee existiert aber auch ohne unser Denken. Sind wir die ersten, die es wahrgenommen haben, so kommt es durch unsere Wahrnehmung in die "Gedankenwelt", die "Ideenwelt" und existiert dort auch ohne uns.
Die meisten hier formulieren ihre Argumente auf der Basis eines naiven Realismus, der den sogenannten Gegenständen verhaftet bleibt und nicht bis zur subjektiven Wahrnehmung vordringt bzw. sie mitdenkt. (Die philosophische Richtung, die ich hier vertrete, nennt man Monismus und hat sehr viel mit dem moderneren Konstruktivismus gemein.)
Wenn man davon ausgeht, dass Wahrnehmung existiert, muss man auch die Existenz von den wahrgenommenen Objekten als gegeben akzeptieren:
Ich denke, also bin ich. Das Gegenstück dazu: Ich nehme eine Umwelt wahr, also gibt es noch irgend etwas außer mir.
Teilweise hat der Mensch ein intuitives Gedankenmodell von seiner Welt. Teilweise leitet er sich die Existenz von Bestandteilen seiner Umwelt indirekt aus experimentellen Beobachtungen ab: Kein Mensch hat je ein Elektron gesehen, doch gibt es diverse Phänomene, die sich durch die Existenz eines solchen Teilchens hervorragend erklären lassen.
Der Mensch bedient sich bei seinen Ableitungen und Schlussfolgerungen der Logik und der Mathematik. Im Gegensatz zu überläufer würde ich nicht sagen, dass ein Dreieck auch existiert, wenn man es nicht denkt. Ich bin da ein radikalerer Konstruktivist. Das Dreieck ist eine Erfindung. Es ist ein erfundenes Konzept. Ebenso ist Wahrheit und Falschheit ein erfundenes Konzept. Auch der Begriff der Realität ist natürlich ein Produkt der Gedankenwelt. Entsprechend ist auch Logik selbst ein von Menschen konstruiertes Konzept, um sich in der Welt besser zurechtzufinden. Von daher müsste man selbst den Satz: "Ich denke also bin ich" anzweifen, denn er setzt bereits Logik voraus.
So kommt man zu dem Schluß, das alles anzweifelbar ist, selbst diese Schlußfolgerung.
Um also irgendwie weiter zu kommen, muss man bestimmte Dinge einfach voraussetzen, ohne sich aber völlig sicher sein zu können.
Logik ist auf jeden Fall ein elementarer Eckpfeiler, auf den man nicht verzichten kann.
Und wenn wir dann die Existenz von Wahrnehmungen auch noch voraussetzen, wird sehrwohl die Frage relevant, was wir eigentlich wahrnehmen.
Den Philosophen war schon lange bekannt, dass hinter der wahrgenommen Umwelt möglicherweise etwas ganz anderes stecken könnte, wie es uns bei der Wahrnehmung erscheint. Die Wahrnehmungen könnten sich beispielsweise als Traum herausstellen. Dann ist das, was wahrgenommen wird, letztlich ein Produkt des eigenen Ichs.
Hinter den wahrgenommen Objekten könnten auch komplexere Dinge stehen, die sich der unmittelbaren Wahrnehmung entziehen. Das klassische Beispiel ist ein Schatten, den man von einem Objekt sieht.
Bis dahin ist die Frage, ob die Welt so ist, wie sie zu sein scheint wie Überläufer schreibt "sinnlos, ja eigentlich belanglos, da wir eben nur die Wahrnehmungen eines Dinges verarbeiten können". - aber nie direkten Zugriff zu dem Ding an sich haben.
Erstaunlich war für mich daher die Erkenntnis, dass die Frage, ob wir eine Simulation sind oder nicht, keine reine Spekulation ist. MAn kann über sie tatsächlich Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen. Und der Grund liegt, wenn man es gedanklich genau analysiert in folgendem:
Die Welt wie wir sie kennen, ist in der Lage, SICH SELBST sehr detailliert zu simulieren, mit Hilfe von Rechnern, die IN IHR existieren bzw. in Ihr existieren könnten. Wir müssen also nicht über etwas spekulieren, was "AUßRHALB" unserer Welt ist. Wir können aus Beobachtungen INNERHALB unserer Welt Schlußfolgerungen treffen über die Wahrscheinlichkeit einer Simulation.
Um das noch einmal zu verdeutlichen, ein Beispiel:
Man kann Statistik über die Lebenserwartung der Menschen machen. Es gibt einige Menschen, die werden älter als 105 Jahre. Die meisten werden es jedoch nicht. Soll ich nun davon ausgehen, dass ich über 105 Jahre werde? Oder ist es besser, davon auszugehen, dass ich vor dem Alter von 105 sterbe? Sicher ist letzteres die sinnvolle Antwort.
Nun zurück zu der Frage, ob unsere Welt eine Simulation ist:
Gehen wir davon aus, dass die Menschheit nicht ausstirbt und weiter technischen Fortschritt betreibt. Dann ist vorhersehbar, dass sie Simulationen durchführen wird, in denen bewusste Kreaturen ähnlich wie wir existieren. Es wird daher zu einer simulierten Welt kommen. Andererseits kann man davon ausgehen, dass in unserem Weltall tausende Zivilisationen wie die Menschheit existieren oder mehr. Auch sie würde Simulationen durchführen.
Wir haben also unter den Voraussetzungen sehr viele simulierte Welten und wir kennen nur eine Welt, von der wir nicht wissen, ob sie simuliert ist oder nicht. Wovon sollen wir nun ausgehen? Soll ich davon ausgehen, dass unsere eigene Welt anders ist wie die vielen simulierten Welten und selbst nicht simuliert ist? Oder soll ich davon ausgehen, dass ich auch Bestandteil einer Simulation bin?
Auch hier ist letzteres nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit die sinnvollere Antwort.
Die Wahrscheinlichkeit, ob wir in einer simulierten Welt leben, ist daher eng korreliert mit
a) der Wahrscheinlichkeit, ob die Menschheit nicht sobald ausstirbt und
b) wie wahrscheinlich weitere intelligente Zivilisationen in unserer Welt sind.
Wir werden möglicherweise nie beweisen können, ob wir in einer Simulation leben oder nicht. Aber es ist doch erstaunlich, dass wir durch die Analyse unserer Wahrnehmungen (= Erforschung der Welt) immerhin Erkenntnisse über Wahrscheinlichkeiten gewinnen können, ob wir simuliert sind oder nicht.