Tüt tüt tüt, tüttüt tütütü tütütütütütütütütü!!!
Das ist dieses ekelhafte Geräusch, das mich an jedem Arbeitstag aus dem Schlaf holt. Komisch, heute klingt es irgendwie anders. Na klar, erstens ist ja Sonntag, und zweitens ist heute der Tag, für den Ich gemeinsam mit 4 Laufkameraden vom Lauftreff Ehingen 10 Wochen hart trainiert habe.
Also raus aus den Federn, was mir zur Abwechslung mal total leicht fällt. Da ich am Vorabend schon alles nötige vorbereitet habe, kann Ich mich schön gemütlich an den Tisch setzen und meine frisch aufgebackenen Weizenbrötchen mit Schinken geniessen, paralell dazu in die bereit gelegten Laufsachen schlüpfen.
Kurz bevor Ich das Haus verlasse, hole Ich mir noch einen Motivations-Kuss von meinem Schatz ab. Locker und voller Optimismus sage Ich zu Ihr: "Also dann bis ca. 12:35 Uhr auf dem Münsterplatz" und ab zum Auto. Unser Trainingsplan war auf 3:30 ausgelegt, nach Steffny.
Um 7:30 habe Ich mich mit 2 Laufkameraden verabredet, um gemeinsam nach Ulm zu fahren, ist ja nicht weit weg von uns. Die beiden sind bei unserem Zusammentreffen auch locker und gut drauf. Kein Wunder eigentlich, die letzten 10 gemeinsamen Trainings-Wochen haben uns schon sehr stark zusammen geschweisst.
Rückblick:
Aus der Lauftreff-Führung wurde uns nicht nur einmal der verbale Knüppel zwischen die Beine geworfen, da wir uns als Trainings-Gruppe zu fünft nicht innerhalb des Lauftreffs vorbereitet haben, sondern unser Training aus verschiedenen Gründen getrennt vom Lauftreff-Geschehen durch gezogen haben. Wir hätten nicht das nötige "Hintergrund-Wissen" meinte unser Lauf-Guru, der schon über 30 Marathons absolviert hat. Eigentlich ist er nur sauer, weil er sich nachher nicht in gewohnter Weise vor der lokalen Presse als großer Star präsentieren kann, der wieder einmal erfolgreich unwissende zum Marathon geführt hat.
Wir haben uns aber nicht aus der Ruhe bringen lassen und sind ein noch eingeschworener Haufen als vorher, nennen uns intern jetzt Outsider Running Team, alle ziehen an einem Strang

Auf dem Weg nach Ulm die bei uns schon übliche lockeren Sprüche und schon stehen wir mitten in der Stadt in einem kleinen Stau, na super. Aber da wir uns ja auskennen finden wir abseits einen kleinen Parkplatz, von dem aus wir in wenigen Minuten zu Fuß am Start sind.
Dort treffen wir auch unsere restlichen 2 Mitglieder vom inzwischen ins Leben gerufenen "O.R.T. Schoddrhaufa (unser Treffpunkt zum Training liegt an einem großen Schotterhaufen)".
Es ist noch ziemlich kühl, ca. 6°C, aber nicht der befürchtete Regen. Also in kurzem T-Shirt und kurzen Tight's an den Start, vorher noch die Blase entleert und los.
Punkt 9 Uhr fällt der Startschuss, und wie nicht anders zu erwarten kommt die Menge nur langsam zum laufen. Auf den ersten Kilometern ein ständiges Beschleunigen, überholen, abbremsen. Wie bei jedem Wettkampf, immer das gleiche Bild: Langsame Läufer, die sich viel zu weit vorne eingereiht haben, Gruppen aus Firmen-Teams, die zu fünft nebeneinander laufen, nur um gemeinsam auf Fotos zu sein

Ab Kilometer 5 geht es dann besser, und nun können wir auch unser geplantes Tempo von ca 4:57-5:00/km aufnehmen.
Alle sind gut drauf, schön locker der Laufrythmus, es werden hier und da ein paar Späßchen gemacht

Bei Km 10 ist das erste Gel fällig, am Verpflegungsstand kurz Tempo raus und Wasser hinterher gekippt, Tempo wieder aufnehmem.
Wir haben uns schon am Start darauf verständigt, das wir an den Verpflegungsständen langsam machen, die Zeit die da verloren geht wird nicht so übermässig ins Gewicht fallen.
Die Stimmung entlang der Strecke ist gut, wenn es durch bewohntes Gebiet geht. Auch auf der Donau zahlreiche Gruppen auf den "alten Ulmer Schachteln", mal Musik, mal Cheerleaders, echt klasse!
Bei Km 14 spüre Ich auf einmal einen Schlag gegen den Knöchel, hat mir doch irgend ein Hintermann einen schönen dicken Stein gegen den Fuß gekickt, na super. Aber zum Glück verfliegt der Schmerz sehr schnell wieder. Durch Neu-Ulm hindurch super Stimmung, wunderschön auch das kurze Stück durch die Landesgartenschau. Auf der Schleife kommen uns zum ersten mal auch Bekannte gesichter vom Lauftreff entgegen, die den Halbmarathon absolvieren. Kurzes gegenseitiges Anfeuern und weiter geht's.
Rüber auf die Ulmer Seite, wo sich bei ca. Km 20 die Halb-Marathonis in Richtung Ziel verabschieden, für uns geht's geradeaus weiter, wieder in Richtung Start. Bei Km 23 dann eine Wendeschleife, und es geht wieder Richtung Stadt. Eine Schleife am Ulmer Rathaus vorbei, die Menge feuertdie Läufer super an, dann geht's auf die Stadtmauer und in Richtung des wohl langweiligsten Streckenteils. Durch die Donauauen, schönes Naturgebiet aber keine Menschenseele, null Stimmung. Bei Km 25 lassen 2 unserer Mitstreiter abreissen, also nur noch der harte Kern unterwegs.
Rückblick:
Die beiden die abreissen lassen, konnten aus verschiedenen Gründen Ihr Training nicht so intensiv durchziehen, wie die restlichen 3 (der harte Kern). Teils wegen Verletzung, teils wegen Wohnungsumzug war das Training bei den beiden nicht so Kilometerreich, wie es sein sollte.
Also sind wir nun zu dritt auf dem schmalen Weg durch die Donauauen. Wir beschliessen spontan, das egal was passiert, wir gemeinsam die Ziellinie in Ulm überqueren. Nach allem was wir bisher zusammen erreicht haben eigentlich der beste Abschluss!!!
Ca. bei Km 35 werden wir den Klosterhof Wiblingen erreichen, als ich plötzlich ein Gefühl in mir bemerke, das Ich bisher nicht so kannte, zumindest nicht beim Laufen. Es stellt mir die Nackenhaare zu Berge und Ich bekomme Gänsehaut, gleichzeitig fühlt sich mein Körper total leicht an und all die Strapazen der bisherigen Strecke wie weggeblasen. Das muss das sein, wovon Ich schon so viel gelesen und gehört habe. Jaaaaaa, das ist mein persönliches Runner's High. Es verstärkt sich sogar noch, als wir durch den Klosterhof laufen, wo wir nochmal von vielen Leuten angefeuert werden, einfach klasse. Kurz zur Abwechslung eine Cola in die Kehle geschmissen und weiter hinaus aus dem Klostergelände. Tja, der Mann mit dem Hammer hat sich wohl verfahren, jedenfalls ist er nicht zu sehen. Oder er hat sich nur nicht ins Kloster getraut, clever Wahl der Organisatoren

Als wir wieder in die Donauauen laufen,meint einer meiner Laufkameraden: "So, jetzt geht's nach Hause".
Nur noch 6 Kilometer, die fast im Flug vergehen, schon sind wir in Sichtweite zum Ulmer Münster, so schön war der Anblick des höchsten Kirchturms der Welt noch nie, und Ich habe ihn schon sehr oft gesehen

An der Donau noch einmal kurz ein steileres Stück über die Bahnbrücke, dann geht's durch das Kino Xinedom und dann kommt die Krönung: Die Hirschstrasse in Ulm, voll besetzt mit tausenden von Menschen, die alle Läufer begeistert feiern. Was für ein geiles Gefühl!!!
Wir nehmen uns spontan an den Händen und geniessen dieses überwältigende Gefühl gemeinsam. Kurz vor der Ziellinie sehe ich im Augenwinkel meinen Schatz jubeln und dann ist er da, der absolut emotionalste Moment den Ich beim Laufen je hatte. Wir laufen gemeinsam über die Ziellinie und fallen uns überglücklich in die Arme. Und zur Krönung bekommen wir unsere Finisher-Medaille auch noch von einer Lauftreff-Kameradin umgehängt. Sie wollte es sich nicht nehmen lassen, uns die Medaillen zu überreichen, und ist kurzerhand über die Absperrung gehüpft, klasse

Während die anderen nach Getränken schauen, laufe Ich zum Ausgangsbereich, wo Ich meinem Schatz in die Arme falle. Und dazu die Antwort auf die Frage im Titel oben: Ja, Männer dürfen weinen!!!
Auch jetzt beim Schreiben dieses Berichtes habe Ich wieder Gänsehaut und Tränen in den Augen. Dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich schön, und Ich wünsche es jedem, egal welche Distanz er hinter sich bringt.
Kann sein, das dieser Bericht nicht gerade toll geworden ist, ist mein erster. Aber es ist für mich auch 3 Wochen danach immer noch schwer in Worte zu fassen, was da in mir vor ging.
Am Schluss möchte Ich mich noch bei ein paar Leuten bedanken:
Bei meinem Schatz Gabi: Danke für deine Unterstützung während der ganzen Zeit und für dein Verständniss. Ich liebe Dich!!!
Bei meinen Lauffreunden: Bernd, Helmut, Ralph und Jan. Ihr seid echt klasse, Ich freu mich schon auf weitere Projekte mit euch. O.R.T. Schoddrhaufa rulez!!!
Auch bei Markus (MarkyB) möchte ich mich bedanken für die positiven Wünsche und Worte. Ich freue mich schon darauf, mit Dir in Großbottwar deine PB zu verbessern!!!
Bevor Ich es vergesse: Die Zielzeit 3:33:xx, bei allen 3 auf die Sekunde gleich!!!
Durchgangszeit bei HM: 1:46:xx.
Die beiden, die abreissen lassen mussten kamen in 3:46:xx und 3:50:xx ins Ziel!!!
In diesem Sinne
Liebe Grüße
Micha