Ich freue mich auf den Lauf und vor allem auch darauf, mit Jörg gemeinsam meine Runden drehen zu können.
Der einzige Negativpunkt heute: Seit gestern habe ich einen lästigen Schnupfen. Jörg meinte, das könnte eventuell psychosomatisch sein. Nur für den Fall, dass dies zutrifft, beschließe ich im Stillen, meine Psychosomatik einfach zu ignorieren

Um 19.30 holen mich Jörg und Heike am Flughafen Nürnberg ab. Wir fahren nach Heideck, einer Kleinstadt südlich von Nürnberg, wo wir günstige Zimmer bekommen haben (in Nürnberg gibt es eine stark besuchte Messe, Hotelzimmer sind daher rar - und extrem teuer).
Samstag, der 14.: Auf der Wöhrderwiese tummeln sich knapp vor 10.00 Uhr 154 LäuferInnen und jede Menge an HelferInnen, die sich die nächsten Stunden als Rundenzähler und Versorger betätigen werden.
Jörg und ich gehen entspannt ins Rennen. Für uns ist es eine Standortbestimmung vor dem Supermarathon am Rennsteig. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Das Startsignal ertönt, Heike fotografiert und wir machen uns mit ihren Glückwünschen versehen auf die sechstündige Reise rund um die Wöhrderwiese.
Die ersten Kilometer traben wir uns warm; die Temperatur erreicht bald angenehme 10 bis 12 Grad und es läuft sich gut in dem parkähnlichen Gelände.
Wir beschließen, so weit wie möglich immer drei Runden zu laufen, dann bei der Versorgung einen Schluck zu trinken ... und so weiter.
Wir sind ungefähr 15 Kilometer gelaufen, als ich am Wegesrand ein bekanntes Gesicht entdecke: Ich brauche eine Sekunde, ehe am inneren Display "Udo" aufleuchtet

Wir freuen uns sehr, ihn zu sehen. Udo hat mir geschrieben, dass er nach Nürnberg kommen wird um einen Longjogg zu machen, und um uns anzufeuern. Wir laufen zwei Runden miteinander und unterhalten uns bestens, ehe Udo sich für seine eigenen Trainingsrunden um den benachbarten Wöhrdersee für einige Zeit verabschiedet.
Bei Kilometer 30 habe ich einen leichten Durchhänger. Drei Stunden sind um und ich spüre meine Füße, die etwas brennen und meine Oberschenkel. Wir laufen mit knapp 10 km/h und ich habe zwischenzeitlich das Gefühl, dass mich mein Schnupfen doch mehr belastet, als ich wahrhaben will. Ich schwitze am Kopf mehr als sonst, checke immer wieder meine Pulsuhr, die aber kontinuierlich Werte um 138 Schläge anzeigt.
Bei km 33 ist die unangenehme Lustlosigkeit wieder verflogen. Dafür habe ich jetzt das Gefühl, dass Jörg etwas zu kämpfen hat. Aber auch ihm geht es nach kurzer Zeit wieder besser. Solcherart gefordert traben wir der Marathonmarke entgegen.
Wir beschließen, nach deren erreichen eine Runde zu gehen. Das tun wir dann auch - und plötzlich ist Udo wieder da und marschiert neben uns her

Bei der Versorgung schnappen wir uns ein Getränk und dann laufen wir wieder los. Schließlich wollen wir uns ja auch die 50 km-Fahne holen und mit ihr eine Runde drehen.
Während der abgelaufenen Stunden haben uns die schnellsten LäuferInnen mehrmals überholt. Wenn sie an uns vorbeilaufen, feuern wir sie schon einmal an. Bei unserer 50-Kilometer-Fahnen-Runde bekommen wir dafür auch von ein paar der ganz schnellen Glückwünsche zugerufen.
Die sechste Stunde ist angebrochen. Uns geht es gut! Wir unterhalten uns über alles mögliche und freuen uns auf das baldige Finale - vor allem auch deshalb, weil wir sicher sind, die 55-Kilometer-Marke knacken zu können.
Das macht übermütig: Eine attraktive Frau ist mir unter den Zusehern aufgefallen, die uns genau mustert und sich dann angelegentlich mit ihrem Mann unterhält.
In der nächsten Runde, die gleiche Szene wieder. Ich frage Jörg, ob er die Frau kennt, aber auch er kann nur rätseln. Wir schieben das Interesse der Dame auf unsere männlich-attraktive Erscheinung

Udo ist auch da und sie sehen uns während der nächsten Runden noch gemeinsam zu und drücken uns wohl die Daumen. Auch Heike ist von ihrem Stadtbummel zurück, feuert uns an und fotografiert.
Letzte Runde: Wir haben von unseren unermüdlichen Rundenzählern blaue - mit unseren Startnummern versehene - Fahnen erhalten und ganz unabgesprochen erhöhen wir das Tempo. Die letzte Runde wird dann auch unsere schnellste sein. Udo ist, ganz der rasende Reporter, quer über die Wiese galoppiert, und schießt noch ein paar Fotos von uns. Dann hören wir, wie die Sekunden heruntergezählt werden.
Die Schlusssirene ertönt und wir stoppen auf der Stelle und stecken unsere Fahnen in den weichen Erdboden neben einem großen Baum. Wir umarmen einander - ich freue mich riesig, dass wir beide aus dem Training heraus so eine Distanz geschafft haben.
Beinah hätten wir noch eine ganze Runde geschafft. Aber egal: In der Schlussabrechnung stehen exakt 55.919 Meter.
Wir gehen langsam zum Ziel. Ich möchte mich auch noch bei meinem Rundenzähler bedanken, der mit aufmunternden Worten nicht gespart hat. Leider ist er schon weg.
Wir trinken alkoholfreies Bier und genießen es, dass sich Heike und Udo mit uns freuen.
Sonntag, der 15.: Ich habe nach meiner Ultra(positiven)-Premiere fast zehn Stunden geschlafen.
Am Vormittag haben wir noch die beeindruckende Dokumentation im Reichstag besucht.
Danach waren wir noch kurz auf der Burg, ehe mich Heike und Jörg am Flughafen absetzten, um sich auf den Heimweg zu machen.
Meine Muskulatur fühlt sich noch etwas müde an. Das war's in Sachen "Nachwirkungen" dann erfreulicherweise aber auch schon.
Ich habe in den letzten Wochen mehrmals über mein Wunschziel für die sechs Stunden in Nürnberg nachgedacht. 60 Kilometer erschienen mir immer zu hoch gegriffen. Ich hatte mir schließlich eisern vorgenommen, diesen Lauf im Trainingstempo zu laufen. Ich wäre auch mit 50 sehr zufrieden gewesen. Insgeheim habe ich aber mit 55 Kilometern spekuliert. Dass es fast 56 geworden sind, darüber freue ich mich riesig.
Danke noch einmal an Jörg (wir sind ex-aequo auf Rang 73 gelandet), danke an Heike für die Betreuung, an Udo, der uns mit seiner ruhigen Art aufgebaut hat, an Mobile und ihren Mann, die extra wegen uns zum Zuschauen gekommen sind.
Gratulation an GastRoland und Sylvie, die ebenfalls die Wöhrderwiese sechs Stunden umrundet haben. Und: Schade, dass Meerunner uns nicht angesprochen hat. Mit seiner Vermutung, ich sei wohl der mit der Startnummer 177, hat er richtig geraten. Gratulation auch an ihn, mit seinen 55,3 Kilometern.
Liebe Grüße
Wolfgang