Nach 2 abgesagten Terminen wegen Krankheit bzw. Verletzung hatte ich heute das Glück
ganz kurzfristig in einen Termin von jemand anderem hineinzurutschen.
Gerade wieder angefangen mit Laufen, wenn auch Miniumfänge mit sehr geringem Tempo
griff ich natürlich zu, denn bei den Wartezeiten bis zu 2 Monaten weiß ich ja nie ob gerade
Dann mein Ischias wieder in die Quere kommt.
9.00 Uhr mit sämtlichen Laufschuhen, Duschzeug, Top und Hose im Gepäck sollte ich im
Institut „natural running“ in Hannover sein.
Sicherheitshalber fuhr ich kurz nach 7 los (bei Stau auf der A2 weiß man nie), natürlich war
ich viel zu pünktlich da – und musste grinsen als ein schwarzer Golf mit der Auschrift „natural running“ neben mir in eine Parkbox fuhr und ein zerstrubbelter junger Mann in weißen Arztklamotten und asics-Laufschuhen ausstieg und über die Straße raste.
Den gesamten Donnerstagabend hatte ich in einer totalen Aufregung verbracht – mehr als bei meinen vielen Leistenoperationen. Aber bei denen habe ich ja auch schon Routine und nun ging es um die Chance endlich die Ursache meiner ständigen Ischias/ISG-Schmerzen rauszu-
finden und vielleicht bald wieder mal schmerzfrei laufen zu können.
Ich gab dem Herrn Doktor 5 min Vorsprung und machte mich auf den Weg.
Bis auf die freundliche Sekretärin (mit der ich schon unzählige Mails getauscht hatte) waren wir allein im Institut.
Große helle Räume in einem uralten, klassischen Gebäude – etwas karg eingerichet mit einer Mischung aus physiotherapeutischen und lauftechnischem Equipment erwarteten mich.
Ein sehr jung aussehender Dr. M. Marquardt stellte sich mir vor und bot mir einen Pezziball als Sitzplatz an (was sonst

Ausgiebig musste ich meine Lauf- und Leidensgeschichte erzählen, er fragte nach, ich ergänzte und er machte sich Stichpunkte. Endlich mal einer der zuhört, nachfragt und sich Zeit nimmt. Naja bei 300 Euro Gebühr möchte das auch sein.
Danach schaute er auf die Befunde (MRT war ja top in Ordnung) und lachte herzhaft über die Einlagen.
Ob Beinlängendifferenz oder nicht, eine Fersenerhöhung oder eine Einlage mit solcher wäre totaler Unsinn. Ein Läufer hat stets nur ein Bein direkt am Boden, somit würde eine Einlage eine Beckenschiefstellung/Beinlängendifferenz niemals ausgleichen. Im Gegenteil, durch die
Einlage würde der natürliche Stil verfälscht und meist käme es zu mehr Problemen.
Das klang einleuchtend!
Natürlich gestand ich die Einlagen nie getragen zu haben und auch stets im Alltag in den weichen Nike-Free`s rumgelaufen zu sein.
„Perfekt, sie sind eine kluge Frau“ meinte er,

Als drittes nahm er mich dann sehr genau unter die Lupe.
Er prüfte die Beckenhaltung, schaute die Wirbelsäule an und kam zu dem Schluss die Schiefstellung wäre minimal und mein Körper könne ohne jegliche Hilfe damit gut leben. Es folgten Muskellängentests, Hinbiegen auf der Liege, Verdrehen von Beinen und Füßen, so dass ich einen kleinen Moment Angst hatte meine Füße oder Knie könnten vielleicht hinterher verkehrt herum stehen
Sein wörtliches Fazit: „Sie sind eine Gummipuppe!“

Naja das ich hypermobil bin wusste ich –nur so hatte es noch keiner ausgedrückt. Aber ich mochte seine direkte Art.
Eine so bewegliche Person mit so verdrehbaren Gliedmaßen wäre ihm noch nie unter die Finger gekommen.
Natürlich fragte er nach vorangegangenen Therapien von Arzt, Physio und so weiter.
Bezüglich Dehnens und manueller Therapie schüttelte er den Kopf und meinte Hypermobilität benötige hauptsächlich Krafttraining und Dehnen wäre nur als angenehme Entspannung zu betrachten.
Einzig mein Hüftbeuger wäre ein wenig verkürzt.
Abgeschließend mit der Körperanalyse machte er sich wieder Notizen und ich musste in Bikinislip und BH schlüpfen um die Laufanalyse zu machen.
Ich bekam zig Kreuze mit einem schwarzen Filzstift auf den Körper gemalt.
Er vermaß Beine und Füße, drückte auf Wirbel und Muskeln um die genauen Positionen zu finden.
Dann ging es aufs Laufband.
Was für ein komisches Band war das denn???? (Katasstrophe!)
Mittlerweile bin ich ja Laufbandtraining gewöhnt, da ich ja durch meine Verletzungssphasen darauf ausgewichen bin. Aber mein Laufband (und das ist auch kein Luxusteil) ist wesentlich breiter und hat eine glatte, durchgängige Lauffläche.
Dieses hier, bei Dr. M. Marquardt war ein Band aus einzelnen Lamellen (glaube er sagte Rollenband oder so) und war total schmal.
Zuerst musste ich barfuß drauf und ich war schon skeptisch als ich den noppig-harten Untergrund fühlte und fragte mich schon etwas bange wielange ich wohl darauf aushalten müsse.
Zuerst musste ich gehen und der Doc stellte Kameras an und richtete Licht aus.
Es gab eine Kamera hinter mir und eine direkt neben mir. Vor mir an der Wand war ein großes Kreuz (ähnlich einem Zielfernrohr) angebracht.
Dann ging es los mit dem Laufen, Marquardt stellte auf 10km/h

„Ach Sie werden das schon schaffen“ meinte er und grinste.
Na klar schaffte ich, aber die Füße taten auf dem komischen Untergrund schon nach kurzer Zeit weh und mein ISG meckerte schon auf der rechten Seite.
Gottseidank war es nach 5min vorbei – dachte ich – aber es ging erst los. Ich musste mich umdrehen und stand nun mit dem Rücken zum Display und musste anders herum laufen. Natürlich nicht rückwärts, das Band lief auch andersherum. Sinn der Sache war, dass ich von vorn aufgenommen wurde.
So langsam wurde es anstrengend und noch dazu fing mein Bauch dermaßen an zu grummeln,
so dass sogar Dr. Marquardt einen Kommentar dazu abgab

Die gleiche Choose kam dann noch mal in Laufschuhen.
Klar guckte er meine 3 mitgebrachten Paare an und lobte mich für meine Auswahl.
Alles Lightweighttrainer (Nike Air Marathoner, Mizuno Wave Aero und Lunartrainer), für die man in Laufschuhgeschäften oder von manch anderem Läufer getadelt wurde. Meist hieß es ja: „Du läufst doch langsam, Du brauchst doch gar keinen Lightweighttrainer“…
Marquardt sah das anders. Gerade Supinierer (wie ich) benötigen Schuhe die total flach gebaut und leicht sind und keinerlei Stütze haben.
Nach dem Test durfte ich duschen und mich wieder normal anziehen.
Ein komisches Gefühl ständig halbnackt dort rumzurennen. Normal habe ich mich da ja nicht so, aber der Blick auf die Waage, auf die ich mich anfangs stellen musste, lies mich etwas erblassen, meine geringen Trainingsumfänge hatten sich deutlich aufs Gewicht geschlagen.

Marquardt war natürlich zufrieden, aber kannte mich vor 3 Jahren auch nicht.
Nach dem Duschen setzten wir uns beide wieder auf die Pezzibälle, diesmal aber nebeneinander – vor den PC.
Gemeinsam schauten wir alle Bilder an und M. Marquardt erklärte mir Bild für Bild die Analyse.
Sein Fazit:
Mein Laufstil ist eigentlich im großen und ganzen optimal (echt????

Er meint der Abstoß ist gut, die Hüftstreckung ist ordentlich und die Körperhaltung auch.
Klar supiniere ich, aber das wäre nicht so unnormal und bei Vorfußläufern öfter so.
Wäre ich Fersenläufer würde ich Knieprobleme bekommen, da ich einen ganz leichten Senkfuß hätte, der aber durch die gute Fußmuskulatur abgefangen würde und der beim Vorfußlauf gar nicht so zum Tragen käme, da vorm Absinken der Fuß in die Gegenrichtung gezogen würde.
Samt Cursor, Linealen und Achsen markierte er einige Bereiche, zog Linien und es entstanden Gradzahlen. Mein Becken sinkt beidseitig leicht ab, was aber eine völlig normale
physiologische Bewegung wäre. Es gibt dafür Gradzahlen was im normalen Bereich ist und ich bin nur ein bisschen darüber.
Seiner Meinung nach liegt das an einem Kraftdefizit im Beckenbereich an dem zu arbeiten wäre.
Weiter gings zu den Knien. Die angemalten Kreuze wurden mit dem Cursor markiert und stufenweise festgehalten und gespeichert. Es entstand ein Zeichen was so ungefähr aussah wie ein querliegender Notenschlüssel.
Das war der Knackpunkt!
Der Notenschlüssel muss gerade stehen und darf nicht so doll querliegen.
„Na was meinen Sie, woran liegt das“ wurde ich gefragt. Gemeinsam kamen wir darauf, dass sich der Oberschenkel samt Knie leicht nach innen dreht. Warum?
„Wofür ist denn ihr angeschlagener Pirisformis verantwortlich?“ fragte Marquardt?
Da dämmerte es mir! Klar hatte ich bei meiner endlosen Recherche schon gelesen, dass der Pirisformis für die AUSSENROTATION des Beins verantwortlich ist.
Aha!
Der Pirisformis ist also zu kraftlos und mein Becken kann die Ausweichbewegung nicht gut kompensieren weil es ebenfalls kraftlos geworden ist.
Überlasteter Pirisformis, Muskelverhärtungen und Sehnenansatzentzündungen in dem Bereich sind also die Folge.
Daher weht der Wind. Klar hatte ich früher regelmäßig Krafttraining gemacht (bin damals auch schmerzfrei gelaufen), hatte aber durch die Leistenoperationen lange aussetzen müssen und nicht wieder regelmäßig weitergemacht… Sch… selber schuld!
Die Auswertung der Laufbilder war noch wesentlich umfangreicher, aber ich denke ich bin dabei schon gut ins Detail gegangen und habe das Wesentliche erzählt.
Marquardt zeigte mir noch seine Websiten und empfahl mir etliche Rumpfstabi und Laufkraft-Übungen mit Medizinball, Airbalancepad oder den eigenen Körpergewicht, die ich unbedingt machen sollte.
Einige davon gingen wir durch und es wurde recht lustig als ich auf dem Schaumstoffpad stehen musste (einbeinig natürlich) und er mir kleine Bälle zuwarf, die ich fangen und zurückwerfen musste.
Mann oh mann, gar nicht so einfach, war ein echter Lacher.
Einige Übungen auf dem Pezziball kannte ich schon, bekam ich aber sicherheitshalber noch mal gezeigt.
Himmel hat der Kerl Bauchmuskeln! Da werde ich ja blaß vor Neid was das hochrutschende Poloshirt da verborgen hatte.

Schließlich bekam ich noch eine Trainerin vorgestellt, die ich bei Bedarf buchen könnte (was sich 100km entfernt ja schlecht macht) und dann ging ich mit Balancepad und Medizinball unterm Arm zu meinem Auto.
In einem halben Jahr kann ich mich zu einer Auswertung/Erfolgsanalyse melden.
Cirka 2,5 Stunden bin ich im natural running Institut gewesen, meine Auswertung bekomme ich per E-Mail geschickt.
Auch wenn es ganz schön kostspielig ist, bin ich froh, dass sich mal jemand so viel Zeit genommen hat, mich bewusst unter medizinisch-läuferische Augen genommen und mit mir etliche Fragen durchgegangen ist.
Nun bin ich sicher keine Einlagen tragen zu müssen, keinen absolut falschen Laufstil zu haben, die richtigen Laufschuhe zu tragen und nur „funktionelle“ Probleme zu haben, die mit viel Übung hoffentlich irgendwann behoben sind.
Ganz nebenbei gab es noch ganz private medizinische Tipps, da ja über sämtliche Vorgeschichten, Zipperleins u.s.w. gleich am Anfang gesprochen wird.
Ich hatte jedenfalls das Gefühl ich war in kompetenten Händen.

Liebe Grüße
Marion
Achtung jegliche Rechtschreibfehler sind milde zu beurteilen, immerhin ist es 23.50 Uhr und ich bin seit 6.00 Uhr auf den Beinen!