
Ich bin schon am Vortag angereist und habe mich mit Hanka und Jens getroffen, die beide ihren ersten Marathon laufen wollten. Irgendwie hatten wir gleich einen Draht zueinander, eben Läuferfamilie. Da es bis zum Start von meinem Quartier nur ein paar Schritte waren, konnte ich am Marathon-Morgen recht lange schlafen. Trotzdem war ausgeschlafen etwas anders...
Kurz nach 8:30 Uhr war ich dann im Startgelände direkt an der Elbe. Wunderschön, mit Blick zur Festung Königstein und den anderen Felsen auf der gegenüberliegenden Elbseite. Die Sonne strahlte vom azurblauen Himmel, nur der Wind war noch recht frisch. Dass für die Startzeit von 9:20 Uhr noch wirklich wenige Läufer vor Ort waren, hatte ich gar nicht gleich registriert. Doch dann kam schon eine Durchsage, dass sich der Start verzögert. Bei Rathen war jemand seinen letzten Weg gegangen. Zumindest ging auf der Bahnstrecke nichts mehr und hunderte Marathonläufer saßen in den Zügen fest. Diese mussten erst mit dem Bus nach Königstein transportiert werden, so dass der Start auf 10:20 Uhr festgesetzt wurde. Die letzten waren dann erst kurz vorm Start da. Deren Situation stellte ich mir noch schlimmer vor als unsere, wir waren wenigstens schon an Ort und Stelle. Vor dem Start habe ich wieder Hanka und Jens, aber auch Ralf und Schrambo getroffen. Und gerade diese Beiden äußerten schon ihre Bedenken wegen der Startverzögerung und der daraus resultierenden Wärme. Ich war aber noch optimistisch, dass ich die sub4h wie vorgesehen angehen kann.
Dann ging es endlich los und ich registrierte, dass mir nach dem Ausziehen der langen Sachen nicht kalt war. Kein gutes Zeichen. Der Start selbst war Gänsehautfeeling pur. Die Schützengilde gab den Startschuss ab und eine superlaute Sirene gab es vom Schaufelraddampfer, der die Angehörigen der Läufer nach Dresden transportierte.
Mein Ziel war klar, nur der Weg dazu nicht, denn es gab auch einen Pacemaker für 4h. Da er aber gleichmäßig laufen und ich aber langsamer angehen wollte, habe ich mich ihm von Anfang an nicht angeschlossen. Das war wohl die einzig richtige Entscheidung des Tages!
Ich bin also vorsichtig losgelaufen und obwohl die Beine wirklich locker waren, ging mein Puls höher, als er bei diesem Tempo hätte sein sollen. Und mir war von Beginn an warm. Nach einem km habe ich mir sogar einen Zopf gebunden, obwohl mich sonst die offenen Haare nicht stören. Und im Prinzip habe ich von Anfang an gewusst, dass es mit sub4h nichts wird, nur es noch nicht wahrhaben wollen!
Beim ersten leichten Anstieg habe ich Tempo rausgenommen und trotzdem ging der Puls extrem hoch. Die ganze Zeit hatte ich aber immer noch den Ballon des Pacemakers im Blickfeld und die Hoffnung nicht ganz aufgegeben. Nach knapp 7 km kam dann die erste Getränkestelle, bei diesen Temperaturen für mich eindeutig zu spät, denn ich hatte richtig Durst. Da es dort gerade steil bergan ging, bin ich da schon ein paar Schritte gegangen, um Kräfte zu sparen. Danach ging es hügelig weiter, wenigstens teilweise durch schattige Waldstücke. Und ich habe dummerweise versucht, wenigstens in die Nähe der geplanten Pace zukommen. Trotzdem lag ich bei km 10 schon eine reichliche Minute hinter der geplanten Zeit zurück. Aber ich habe insgeheim immer noch an Wunder geglaubt.
Danach lief es im folgenden Flachstück besser und ich bin relativ gleichmäßig um die 5:40 gelaufen. Dann begann die Schleife nach Pirna und ich machte den nächsten Fehler. Da ich gerade in einer Gruppe lief, bin ich einfach deren Tempo mitgegangen. Das war über lästiges Kopfsteinpflaster und bergan für mich aber zu schnell und der Puls ging in astronomische Höhen. Auch die Wasserstellen waren an diesem Tag und zu diesem Zeitpunkt zu weit auseinander. Nach km 13,5 kam erst bei km 20 die nächste. Für meine Begriffe waren generelldie Abstände nicht optimal geplant.
Danach bin ich dank eines älteren Mitläufers gut in den Lauf gekommen, der sich mir wegen meines auf dem Shirt stehenden Namens angeschlossen hatte

Doch dann kamen relativ dicht 2 Verpflegungsstellen, bei denen ich schon mit 2 Bechern Wasser bewaffnet, erste Gehschritte einlegte. Mein Mitläufer sogar länger, aber er schloss dann immer wieder zu mir auf. War irgendwie witzig, wie wir unabgesprochen nebeneinander herliefen. Er machte immer Platz bei Überholvorgängen, das war wirklich lieb von ihm. Ich solle auch sagen, wenn er mich stören würde. Aber das brauchte ich nicht, denn ab km 32 wurde es richtig hart und er ist dann sein Tempo weitergelaufen. Letztendlich ist er in 4:13 angekommen

Mir hat dann kurzzeitg Cola geholfen und bis km 35 lief es wieder einigermaßen. An der nächsten Verpflegungsstation habe ich dann schon eine längere Gehpause eingebaut, aber alle „Läufer“, die ich sehen konnte, ebenfalls. Das war kollektives Gehen, sowas habe ich auch in Berlin nicht erlebt. Dann bin ich wieder angerannt, habe einige von den anderen Gehern wieder überholt und mich dann bis zur Verpflegungsstation bei km 38 gerettet. Dort war grandiose Stimmung, für die ich aber nicht wirklich viel Aufmerksamkeit übrig hatte. Mittlerweile war auch die Sonne verschwunden und es war schwül geworden, was es nicht einfacher machte. Als ich dann wieder laufen wollte, bekam ich plötzlich ein Stechen im Oberbauch. Im Nachhinein habe ich es auf die Kohlensäure der Cola geschoben, die gerade frisch eingeschänkt wurde. Zumindest habe ich einige Versuche gestartet und musste immer wieder gehen. Doch nach einer Weile war das überwunden und ich bin tatsächlich wieder in einen Lauf gekommen. Sicherlich auch, weil die tolle Silhouette von Dresden das nahe Ziel ankündigte. Nochmal ging es über Kopfsteinpflaster und jeder Schritt tat weh. Dort halfen aber auch die vielen motivierenden Zuschauer, teilweise applaudierten sie sogar von Brücken herunter.
Einen km vor dem Ziel gab es das offizielle Foto und ich glaube, ich habe sogar noch ein Lächeln hinbekommen.
Wirklich grandios war der Zieleinlauf ins Stadion. Dort ging es eine dreiviertel Runde durch eine Gasse auf der Tartanbahn, links und rechts von anfeuernden Zuschauern flaniert. Toll, einmalig, das hat alle Strapazen vergessen lassen! In 4:21:26 habe ich diesen Marathon gefinisht. Und dann gab es eine wunderschöne Medaille und erstmal genug zu trinken. Als ich dann so auf einer Bank saß und mich erholte, haben mich Hanka und Jens entdeckt und zusammen haben wir den Lauf Revue passieren lassen. Beide kamen kurz vor und kurz nach mir ins Ziel und waren bei diesen Bedingungen für ihren ersten Marathon super zufrieden.Und ich war es auch.
Aber dieser Marathon hat mich einiges gelehrt. Ich wusste, dass mein Puls wegen der Wärme zu Beginn viel zu hoch ist und ich habe nicht die Pace korrigiert. Dadurch habe ich meine Reserven beizeiten verbraucht, aber dem richtigen Hammermann bin ich wohl noch mal davon gekommen. Viel mehr war bei diesen Bedingungen nicht drin und Manfred Steffny hat wohl am Vortag auf dem Läufersymposium darauf hingewiesen, die Erwartungen entsprechend den Bedingungen herunterzuschrauben.
Am Ende ist es Platz 77 von 165 und AK-Platz 13 von 38 geworden und damit bin ich überaus zufrieden. Der Lauf an sich ist wunderschön und zum Genießen, aber vielleicht nicht unbedingt bestzeitentauglich.
Viele Grüße
Anett