50 Wochen nach Start meiner Laufkarriere, nach 154 Trainingsläufen mit 1951 km in 218:31 h und bei 4:17 h und 38,25 km pro Wocheim Schnitt, war der große Tag endlich gekommen. Pünktlich waren Hitze, Kälte und Regen vorbei und es ging von Bingen, wo ich übernachtet hatte, nach MZ. Mann, war das ne kurze Nacht, irgendwie konnte ich nicht richtig schlafen, na ja, ist vielleicht normal vor sonem großen Ereignis, was? „Jetzt fängt der ernst des Lebens an?“ *grins*
Früh noch schnell den Trinkgürtel fertiggemacht und ne 1,5l Flasche mit Vitamin-, Calcium- und Magnesiumtablettenpampe mit Salz prepariert, 2 Bananen eingeworfen, Brustwarzen abgeklebt und reichlich Vaseline verschmiert und ab durch die Mitte!
8:15 kam ich nach Mainz, alles schon gesperrt, aber ein dreister BMW vor mir, zeigte mir, wie man durch die Fußgängerzone an den Absperrungen vorbei doch noch in den Bereich innerhalb der Strecke kommt, wo es massig Parkplätze gab. Die 7 Sachen noch mal gecheckt und ab ins Getümmel. Parkdeck: „aha, hier gibst du dann deinen Beutel ab“, hinten hoch auf die Terasse und hinten Richtung Läuferzentrum, „es muß doch möglich sein, die Dixies zu vermeiden?!!!“. Erdgeschoss WC mit Megaschlangen, also hoch Richtung Messe, wo die Schlange wesentlich kürzer war und die Klofrau ständig auf Zack herumgewuselt ist.
Bingo! Jetzt schnell(?) zurück zur Beutelabgabe, Regencape oder Pulli eigentlich nicht notwendig, also schon im Rennoutfit weiter Richtung letzter Startblock.
Leichter gesagt als getan: Auf Höhe des Start/Zieltores und der Moderationstribüne gibt es einen Treppenabgang ins Parkhaus, das den halben Durchgang versperrt!!! Absoluter Stau, gerade starten die Handbiker und es geht nix vorwärts oder rückwärts. Also vor der Moderationsbühne vorbei…. Dafür über die Balustrade geklettert und auf dem Randstein entlangbalanciert, man will ja nicht seinen Chip aktivieren, wo noch ne halbe Stunde bis zum Start fehlt, gelle.
In den Startblöcken noch gähnende Leere, man kann bequem mitten auf der Straße bis zum Holzturm gelangen. Aber da stehen die Gelbhemden wie ein Mann und lauschen Herrn Dr. Weiß, der empfiehlt, wenn man sich jetzt schlecht fühle oder Fieber habe, lieber doch nicht zu starten, er hätte schon mal auf ´ner Intensivstation gearbeitet…. Ah ja, dann geh ich lieber noch was sinnvolles machen, nämlich noch mal für kleine Jungs. Oder zählt „nicht ausgeschlafen“ als „schlecht fühlen“? An die Mauern oder ins Gebüsch is nich so mein Stil, an der nächsten Straßenecke bereitet das nette Kellnerteam aus Polen das Cafe fürs Öffnen vor und freundlicherweise darf ich das WC benutzen. Danke und winke, winke!
Zurück am Holzturm werden gerade Rentner und Schaaaf befeiert, ich befeier kurz mit und gucke lieber gleich in die Startaufstellung. Dort treff ich u.a. Reinhard wieder und ettliche andere Gelbhemden, die so wie ich langsam in den Bereich der Zielzeitstartblöcke einfiltrieren. Dann ertönt auch schon der Countdown aus einer Vielzahl von Läuferkollegenkehlen und es tut sich erstmal nix… war ja zu erwarten, und ich rechnete so mit 20 Minuten, aber schon nach knapp 8 Minuten überquerte ich die Startmatte und drückte meine Polaruhr an. Ich lief wie schon fast das ganze letzte halbe Jahr ohne Pulsmessung, im Wettkampf zeigen auch die S410er sowieso nur Stuss und ich wollte nur auf Zeit laufen. Am Arm trug ich die Zwischenzeiten für 4:15, d.h. 6:03 min/km, worst case Plan war 4:30 und Traum war u4h, der aber nicht auf Teufel komm raus geträumt werden sollte, denn beim 1. Marathon sollte man sehen, dass man möglichst durchläuft und nicht ab km 30 zum Walker mutiert, der dann hinterher sich damit tröstet, dass er doch bis dahin voll auf 4h Kurs gewesen wäre….oder?
Nun denn: Es geht flockig los, wider erwarten eigentlich, ich überhole ordentlich, ohne groß aufgehalten zu werden und werde kaum überholt, jedenfalls kommt keine größere Hektik auf, wie ich das bei anderen Wettkämpfen auch schon erleben musste. Lustig sind die vielen Pinkelpäusler, unglaublich, dass man das nicht besser timen kann! Nach 5:40 ist der 1. km rum, angefühlt hat es sich nicht so schnell und ich fühle mich wirklich keineswegs angestrengt. Km 2 in 5:55, alles paletti, schau mer mal, wie viel Zeitpolster auf die 6:03 ich für hintenraus (wie lange „hintenraus“ auch sein mochte) rauslaufen könnte. 5:50 auf km 3 und hier treffe ich auf Iris aus der Doku, die mit Ihrem Mann unterwegs ist. Kurz mal angefragt, was sie denn so vorhätte, „ HM in u2h“ und viel Erfolg gewünscht. Wir bleiben „zusammen“ bis ca. km 7, dann zieht sie langsam davon (1:57:xx, gratuliere, vor Allem, weil sie in der Doku ja so als freudloses Antivorbild rüberkam und jetzt ganz offensichtlich richtig Spaß am Laufen gefunden hat, echt schön!). Km 4 in 6:04, ich bin eigentlich gut im Fluß und überhole nicht mehr bewusst, das muß sich wieder ändern, denn es wird unnötig langsam und es gibt doch einige, die doch unberechtigt weit vorne gestartet sein müssen, na ja. Da war ja auch die 1. Verpflegungsstelle dabei! Jetzt erinnere ich mich wieder, ich geh da immer ein paar Meter, ich verschluck mich sonst immer. Da hab ich gleich ne Frage: warum erst Wasser, dann Frubiase, dann Banane? Ich bevorzuge, die Pampe zuerst zu trinken, dann die Banane einzuwerfen und dann mit Wasser nachzuspülen…. Geht ja irgendwie, aber praktischer wärs, andersrum die Sachen auszugeben, wenn jemand versteht, was ich meine.
5:35, das ist wieder gefühlsmäßig o.k., verstandmäßig grenzwertig. Km 6 in 5:42, das 7. Schild verpasse ich, 7 und 8 zusammen in 11:22, km 9 incl. 2. Verpflegung in 5:58. Vor mir läuft ne Gruppe, die öfters mal Hellau ins Publikum ruft, ich überlege, ob nicht Alaf wirksamer für die Laufgeschwindigkeit sein könnte, sehe aber davon ab, es auszuprobieren.
Km 10 in 5:36, 10 km in 57:43, 3 Minuten Vorsprung auf 4:15h! In der Allee auf dem Weg zur Christuskirche werd ich zum 1. Mal persönlich angefeuert, ich winke und überlege, wer das jetzt wieder war, promt überseh ich wieder ein Kilometerschild, Mist ;)! Km11 und 12 also in 11:33, km 13 in 5:36. Km 14 verpass ich schon wieder, weil ich mit einem Mädel plauder, die mit einem Schört läuft, dass mir schon ein paar mal aufgefallen war: „Ich lauf für Andrea“. Andrea war noch 2004 mitgelaufen und wenig später an Krebs gestorben. Ihre Freunde liefen alle mit dem Schört ihr zu Ehren. Ich meinte, dass sie bestimmt zuguckt, wünschte viel Glück und unsere Wege trennten sich wieder. Sie lief HM, zunächst überholte ich, bald darauf sie und sie setzte sich nach vorne ab. Km 14 und 15 in 11:18. Jetzt kam die lange Gerade, fast 2,5 km und ich wollte mal gucken, wann mir die 1. Gelbhemden entgegenstürmen. Km 16 in 5:50. Vor lauter Träumen überseh ich schonwieder ein Schild, km 17 und 18 in 11 Minuten! Das liegt daran, dass die Gerade rückzus 1. etwas abwärts geht und 2. einem jetzt die langsameren entgegenkommen. Es sind schon einige Elendsgestalten dabei und manch einer geht auch schon…. Da fühlt man sich doch gleich richtig beflügelt, wie gemein….
Km 19 in 5:50, km 20 in 5:13, (kann das sein???) und bis zum HM 6:38, d.h. 1. Hälfte in 2:00:38!!! Das sind gut 7 Minuten Polster auf 4:15 h und ich fühl mich einfach nur sehr gut!
Jetzt geht es mit Rückenwind über die Brücke und ich laufe an einen 0/42er ran: 5:09 der 22. Kilometer (-100m). Er ist ein Radfahrer und läuft halt seit einem Jahr mehr, als er radfährt. Er möchte deutlich u4h laufen und in 5:35 für km 23 ist mein Geschwindigkeitsrausch schnell verflogen und er wieder davongezogen. 5:34 und es wird einsamer, denn viele sind ja mit ihrem HM schon fertig, Zuschauer gibt’s auf der falschen Rheinseite auch nicht so viele und nach der Hälfte der Sonderschleife kommt der Wind plötzlich von vorn, na so was! 6:07 für km 25, wieder bedingt durch die Verpflegungsstelle. Seit der Radfahrer weg ist, fällt mir eine andere 0/42erin auf: Sie ist ca. 30 kg leichter als ich und läuft die ganze Zeit Vorfuß, wobei sie die Knie ziemlich weit (vorne) hochzieht. Sieht irgendwie lustig aus, wir laufen im selben Bereich bis km 35, dann ist sie weg, natürlich auch nach vorne…..
Km 26 in 5:45, km 27 in 5:50, jetzt geht es über die Brücke zurück. Gegenwind und „fette“ Steigung, ich mach den 1. Gelchip auf und achte, da ich alleine laufe wieder auf die Entgegenkommenden, die nicht besser ausschauen als auf der langen Geraden bei km 18, nur weniger!
5:51 für km 29, die Strecke ist weiterhin über die ganze Allee gesperrt und recht einsam jetzt. Ein Motorradfahrer fährt ganz langsam rechts am leeren Straßenrand, die blaue Linie ist ganz links und alle laufen auch links, kein Grund zur Aufregung. Nicht so für einen Feuerwehrfuzzi: Er saust über die ganze Straße, um den Typen zu stoppen und ihm einen Vortrag zu halten. Er verbannt ihn auf den Fußweg und kehrt aufgeblasen auf seinen Posten zurück….. was ein T…..
Km 30 in 5:59, 2:52:28 Durchgangszeit. 9 Minuten Vorsprung auf 4:15, jetzt kann ich eine Minute pro Kilometer verlieren und komme trotzdem sub4:20 an, geil!
Aber wie bestellt merke ich jetzt, was ich im Training ja auch immer gemerkt habe, nämlich die Gummiwand, das Gummiband, was weis ich, jedenfalls läufts nicht mehr so leicht ab dem 2. Mal Schott. 13:25 für km 31 und 32, oh weia! Dabei kommt es zu einem Wiedersehen mit Reinhard alias Niks Praktikant: Seit dem Start habe ich ihn nicht mehr gesehen, höchstens von ferne, jetzt bin ich aber bis auf 10 Meter an ihm dran und brülle: „Reinhard, quäl dich, du Sau!“ War wieder die falsche Taktik, er nimmt mir noch ca. 5 Minuten ab bis ins Ziel, Mist! 5:13 für km 33, da wird wohl ein Schild falsch gestanden haben.
6:07 für km 34, das passt schon eher zu meinem Zustand. Seit 2 km gebe ich seltsame Geräusche beim ausatmen von mir. Besorgten Mitläufern erklär ich, dass das zu diesem Zeitpunkt so klingen MUSS und das Schöne am Ganzen ist, dass ich wieder viel mehr überhole als überholt werde. Ich bin jetzt wie im Tunnel, es geht immer weiter und jeder Überholte baut mich auf. Ich vermeide es, Kurven über die Bürgersteige zu schneiden, da muß man ja die Füße heben für, das muß wirklich nicht mehr sein. Km 35 in 5:59, ich werfe den 2. Chip ein und beginne, zusätzlich zu den Verpflegungsstellen ab und zu ein Schlückchen aus meinen 4 eigenen Trinkgürtelfläschchen zu nehmen. 3 werde ich bis ins Ziel aufbrauchen. Seit Mombach schreien die Leute öfters: Du schaffst das!“ Ich denk mir nur „ Das weiß ich“ und schlurfe weiter. Km 36 in 6:37, kurzzeitig ekeliges Wetter, der einzige Schauer während des Rennens geht auf uns nieder und ne Verpflegungsstelle ist auch wieder dabei. Ich zähl die noch zu laufenden Kilometer runter und rechne immer neue schlechtest-mögliche Fälle durch…. Km 37 in 5:56, km 38 in 6:21, km 39 in 6:12, km 40 in 6:26, hier seh ich endlich meine Frau, die mit einem Freund zum gucken und anfeuern gekommen ist. Leider hat sie irgendwas falsch verstanden und ruft irgendwas von „nur noch eine Stunde!“…. ich sehe davon ab, umzukehren und es besser zu erklären. Km 41 in 6:33, hier ist auch die fiese Kopfsteinpflasterpassage wieder, Gott sei Dank gibt es wenig Verkehr und ich kann in der Mitte auf den roten Steinplatten laufen. Die letzten 1,195 km, an Beschleunigung ist nicht zu denken, im Gegenteil, auf der Zielgeraden melden linke Oberschenkelrückseite und rechte Wade einen ungenehmigten Streik an, für den Fall, dass ich über einen Schlussspurt nachdächte. Ich werde noch von ein paar Marathonis überholt unter anderem eine blonde Kenianerin aus dem Rheinland incl. Hund und nach 7:50 min , 2:08:27 h für den 2. Split und insgesamt 4:09:05 h wanke ich ins Ziel. Bitte nicht meinen Zielfilm gucken, es sieht bestimmt schrecklich aus!
Ich stütze mich erstmal auf die Oberschenkel und bin fix und alle. Dann die Medallie, der Kenianerin zum Finish gratuliert (PB!) und weiter Richtung Tiefgarage, wo die Beutel abzuholen sind. Dort treffe ich bekannte Gesichter in gelben Schööörts: der.Bernd und Janedoe, der.Bernd hatte kumuliertes Pech in MZ: Zelten bei A….kälte und dann auch die kalten Getränke nicht vertragen und in diverse Richtungen abgegeben während des Laufs. Trotzdem 4:11, wenn das einer vor einem Jahr gesagt hätte! Und natürlich Reinhard und R2D2. Irgendwie war ich einfach nur leer und Freude trat da nicht übermäßig auf, nur Zufriedenheit und natürlich Stolz. Ich machte mich auf den Weg zum Brunnen neben dem Hilton, wo ich ein paar Leute aus dem LA-Forum endlich traf, Gruß an Uschi, Flummie, Talisker, Joparo und ET! Alle recht zufrieden, wie mir schien. Eigentlich war das der vereinbarte Treffpunkt mit meiner Frau, als sie einfach nicht auftauchte, versuchte ich noch mal im Zielbereich mein Glück und tatsächlich: Die Uhr tickte auf 5:20 zu und sie starrte die Zielgerade herunter….. Um so glücklicher war sie, mich gesund und relativ munter wiederzusehen, bei km 40 sah ich wohl nicht so ganz frisch aus! *g*
Im Nachhinein kann ich es nicht glauben, dass mein Einbruch so gering war und eigentlich erst bei km 35 kam. Hier noch meine 10er Splits:
1. 57:43
2. 56:19 (1:54:01)
3. 58:27 (2:52:28)
4. 1:02:14 (3:54:44)
Wir fuhren dann nach Erzhausen bei Darmstadt, wo ich mir bei meiner Tante den Bauch mit Kuchen vollschlug und relativ früh ins Bett ging. Das Gästezimmer ist im 2 Stock, ich hätte es aber auch selbständig vorwärtsgehend erreicht, wenn es im 2. Untergeschoss gewesen wäre!
Ausblick: weniger km, mehr Tempotraining!
Thanx to SWR, Olzo, dem ganzen Forum und meiner Familie,
wosp
