Banner

Mein schönster Lauf des Jahres oder: Warum grüßen Darmstädter Läufer nicht?

Mein schönster Lauf des Jahres oder: Warum grüßen Darmstädter Läufer nicht?

1
Als ich heute Nachmittag in unserem Innenhof unter dem blühenden Kirschbaum saß, im Internet surfte und das (fast schon) Sommerwetter genoss, hatte ich keinerlei Lust, laufen zu gehen.
Als Sebastian dazukam und schwärmte, alle Leute wären so entspannt und fröhlich und man merkte erst jetzt so richtig, wie schlimm doch der Winter gewesen sei, wollte ich das aber dann auch nicht so recht glauben. Einerseits kann man bei dem bisschen Schnee, der hier in Darmstadt gefallen ist, noch lange nicht von Winter reden, andererseits waren die Läufe bei knackigen Minusgraden, die einem den Schweiß in den Haaren gefrieren ließen, richtig spitze!
Als ich mich dann gegen 19 Uhr doch überwunden hatte, eine Runde durch den Wald zu trotten und feststellte, dass sich alle meine kurzärmeligen Laufshirts entweder in der Wäsche oder im Sauerland befanden, war ich kurz davor, es doch sein zu lassen. Doch es gab ja noch das Ruhrmarathon-Finisher-Shirt. Warum denn nicht mal ein wenig rumprollen, auch wenn dies beinhaltete, einen falschen Genitiv durch die Gegend tragen (Finisher des weltweit ersten Twin-Marathon_)? Naja, immerhin hatten sie nicht „Twin-Marathon’s“ drauf geschrieben... :klatsch:
Davon, dass meine ansonsten obligatorischen Falke-Run-Socken ebenfalls in der Wäsche sind, ließ ich mich dann auch nicht mehr abschrecken, es sollte ja nur eine kurze Runde werden... :tocktock:

So fand ich mich dann um 19:15 laufenderweise im Darmstädter Stadtverkehr, welchem ich auf schnellstem Wege zur Lichtwiese und dem angrenzenden Wald entgehen wollte. Die Lichtwiese ist die Läuferautobahn Darmstadts, direkt hinter dem Universitätsgelände liegt der von unzähligen Waldwegen durchzogene Stadtwald. Hatten sie sich im Winter doch eher versteckt, so kommen sie jetzt aus allen Löchern, alle paar hundert Meter begegnen einem einzelne oder vergruppte Läufer, Wanderer, Radfahrer oder Am-Stock-Geher.

Beim ersten entgegenkommenden Läufer grüße ich mit „Nabend“, erhalte keinerlei Reaktion. Nun ja, versuchen wir es also etwas offensiver. Der nächste Läufer erhält ein freundliches, lautes „Hallo“. Keinerlei Reaktion. Der dritte murmelt zumindest irgendetwas, was wie ein Gruß klingen könnte. Die Schar mit Stöcken beschwerter Damen, welche ebenjene hinter sich herschleifen, lässt sich durch mein „Guten Abend“ nicht von ihrem Kaffeeklatsch abhalten. :sauer:

Unterdessen läuft es sich richtig gut. Eigentlich wollte ich es betont langsam angehen lassen, doch mit 15 Minuten für die ersten 3 Kilometer bin ich schneller als gedacht. Ich überhole einen Läufer, drehe mich um, er grüßt zurück! Geht doch!

Der Wald ist hier einem erheblichen Erholungsdruck ausgesetzt, dennoch ergötze ich mich am frischen Grün, es riecht nach Frühling, ich beschließe, vielleicht doch etwas länger zu laufen. Hinter einigen fürchterlich stinkenden Fischteichen begegnet mir ein älterer, fahrradfahrender Mann samt Hund – bevor ich etwas sagen kann schallt mir ein freundliches „Nabend“ entgegen. Über kleine Wege abseits der großen Schneisen laufe ich bergauf und bergab, nach zirka einer Stunde passiere ich eine blühende Schlehenhecke am Wegesrand. Ihr Duft haut mich fast um. Ich schwebe wie auf Wolken über den weichen Waldweg, atme tief ein, langsam färbt sich der Himmel mit einem wunderschönen Abendrot.

Ich erreiche einen Trimm-Dich-Pfad, welcher immer noch gut gepflegt und sogar benutzt wird. Hier begegnet mir der Mann mit Hund erneut und wieder grüßt er. Die Läufer, die ich zwischendurch getroffen habe, ignorierten meine Grüße jedoch ausnahmslos. Auch das Reh, welches vor mir auf dem Weg steht, quittiert mir den Gruß damit, dass es mir sein weißes Hinterteil zeigt und in den Wald flieht.

Langsam bekomme ich Durst, doch die eingefasste Quelle am Wegesrand ist leider versiegt. Über den „Kotelettpfad“ gelange ich zum „Moltketempel“, bezeichnenderweise eine Grillhütte. Mir begegnet ein Läufer, er grüßt nicht zurück. Dafür lässt ein Buchfink sein „Ge-ge-ge-ge-grüßest-seist-Du-Maria“ durch den Wald schallen. Auch zahlreiche Meisen, Kleiber, Spechte und sogar ein Kuckuck sorgen dafür, dass der Frankfurter Fluglärm angenehm übertönt wird. Auch wenn der Kuckuck weit weg ist, getreu des Spruchs: „Kuckuck, Kuckuck, sag mir doch, wie viele Jahre hab ich noch“ kann ich ruhig einige Jahre von seinen heutigen Rufen zehren, bevor ich mal wieder einen Waldlauf im Frühling machen muß...

Ich bin nun schon 90 Minuten unterwegs, aber immer noch habe ich Lust auf mehr. Eigentlich schade für die Darmstädter, dass sie sich nicht grüßen. Im Sauerland wird sich ausnahmslos gegrüßt, selbst Läufer und Stöcke-Trager leben in friedlicher Koexistenz und heben zumindest eine Hand zum Gruß. Hier dagegen wissen die meisten Leute nicht einmal, wie denn ihre Nachbarn heißen. Trotzdem grüße ich penetrant weiter, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag sein kann, den Hessen Kultur beizubringen... :teufel:
Ich fordere ja gar nicht, dass sich alle ausziehen und umarmen, wie es gestern in Spanien geschehen ist, aber ein freundlicher Gruß unter Joggern wäre doch wirklich nicht zuviel verlangt.

Noch immer laufen meine Beine ohne jedes Mucken wie von selbst durch den langsam dunkel werdenden Darmstädter Wald, an einem Grabstein eines längst verstorbenen Oberförsters vorbei, über den Dachsberg, mit einigen Bogen zurück in die Stadt. Mir begegnet ein Igel, der zwar auch nicht grüßt, jedoch betrachte ich es als Zeichen von Sympathie, dass er sich wenigstens nicht einrollt. Unter einer Straßenlaterne erblicke ich einen Maikäfer, bevor ich nach 2 Stunden 19 Minuten wieder auf dem Haus bin.
Selbstverständlich hatte ich keine Vaseline benutzt und habe mir deshalb einen ordentlichen „Wolf“ gelaufen, auch das Ruhrmarathon-Shirt ist in Brusthöhe nun rot statt weiß und ich habe mächtigen Durst. Von der Blase unter dem großen Zeh, die mit Falke sicherlich nicht entstanden wäre, reden wir da mal gar nicht. Dennoch fühle ich mich sauwohl! Manchmal muß man einfach loslaufen, Trainingsplan, Wasserflaschen, Pulsuhren... ignorieren und den Frühling genießen. Wenn die Darmstädter dann noch fröhlich zurück grüßen würden – nicht auszumalen! :D

2
Herrlich, köstlicher Bericht :hihi:

Danke dafür :daumen:

Hier in Hamburg ist es lustig, wenn ich grüße, kommt auch ein Gruss zurück, somit habe ich es in der Hand :zwinker5:

Läuferautobahn - ein interessanter Begriff, solche Plätze (Wege) gibts hier auch und zu einem solchen werde ich bald aufbrechen, ich bin gespannt, wer sich da aus den Löchern traut und wie oft man mir mit dem Nordic Walking Stock in den Hintern pickt, weil ich zu langsam bin :D
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

Hessen

3
Hallo,
ich kann Deinen Bericht gut nachvollziehen.
Hessen sind ja von Natur aus stur, und bei den Extremhessen
(das sind die aus dem Süden) ist es noch krasser. :wink: :zwinker2:
Viele Grüsse
Geri (Mittelhesse, grüßt aber auch immer) :winken:

4
Gemüsegriller hat geschrieben:Maikäfer, bevor ich nach 2 Stunden 19 Minuten wieder auf dem Haus bin.
Selbstverständlich hatte ich keine Vaseline benutzt und habe mir deshalb einen ordentlichen „Wolf“ gelaufen, auch das Ruhrmarathon-Shirt ist in Brusthöhe nun rot statt weiß und ich habe mächtigen Durst.

Kann es sein, dass Du ein furchtbares Bild abgegeben hast??

Möglicherweise hatten die alle Angst, weil sie dachten sie wären Dein nächstes Opfer. So allein im Darmstädter Wald??

In DA grüßt man regional unterschiedlich..

5
..hmm, ich laufe auch in Darmstadt´s Wäldern, aber in einer anderen Ecke, und hier grüßen sich die meisten Läufer. Außer ein paar ganz wenigen, verbissen trainierenden, die stur gradaus gucken. Aber die Mehrzahl grüßt! Und auf die stöckerlschwingenden Kaffeekränzchen darf man hier nicht setzen, denen ist die Grüßerei der rennenden Zunft gar nicht geläufig :P
Sehr eigen sind auch die rasenden Kapuzen (ab Frühling wieder Schirmmützen) auf 2 Rädern, die buckelabwärtsrasend weder Blick für Wild noch Läufersleut´haben. Da springst Du lieber bevor Du grüßt :teufel:
Oft gibt´s´bei mir hier selbst bei 1,5 Stunden-Läufen gar nix zu grüßen wenn es nicht grad Sonntag und beste Kaffee-Time ist. Die Wälder im Norden Darmstadts sind so weitläufig, da begegnet einem gradmal Fuchs oder Reh...

Grüße von Huhnie

6
Danke für die Darmstädter Impressionen, die ich auch so bestätigen kann. Versuch aber nicht, hier die Darmstädter bekehren oder erziehen zu wollen; das gelingt nicht... :wink: Wenn Du viele nette und plaudernde Läufer um Dich haben magst, dann geh vielleicht einfach zum Darmstädter Lauftreff!

"Ein Maikäfer", du machst Scherze, gestern flogen sie schon zu Hunderten in der Heimstättensiedlung und den Wäldern Richtung Pfungstadt. Und in den nächsten Tagen sollen zwischen Darmstadt und Mannheim eher Milliarden als Millionen schlüpfen und umherschwirren.

Ansonsten konnte ich Deinen Laufrouten gut im Geiste folgen, nur wo steht der Grabstein eines längst verstorbenen Oberförsters?

Gruß Christoph.

7
ForrestGump hat geschrieben:Kann es sein, dass Du ein furchtbares Bild abgegeben hast??

Möglicherweise hatten die alle Angst, weil sie dachten sie wären Dein nächstes Opfer. So allein im Darmstädter Wald??

:D :D :hihi: :hihi:


Als ich so aussah war es ja schon dunkel...

8
ChristophPausD hat geschrieben:Danke für die Darmstädter Impressionen, die ich auch so bestätigen kann. Versuch aber nicht, hier die Darmstädter bekehren oder erziehen zu wollen]Darmstädter Lauftreff[/url]!

"Ein Maikäfer", du machst Scherze, gestern flogen sie schon zu Hunderten in der Heimstättensiedlung und den Wäldern Richtung Pfungstadt. Und in den nächsten Tagen sollen zwischen Darmstadt und Mannheim eher Milliarden als Millionen schlüpfen und umherschwirren.

Ansonsten konnte ich Deinen Laufrouten gut im Geiste folgen, nur wo steht der Grabstein eines längst verstorbenen Oberförsters?

Gruß Christoph.
Hallo Christoph,

der Lauftreff ist mir bekannt, lag nur in den letzten Semestern immer recht ungünstig. Vielleicht gucke ich da in nächster Zeit öfter mal vorbei.

Auf die Milliarden Maikäfern bin ich auch mal gespannt, aber immerhin besser als die Prozessionsspinner vom letzten Jahr. Gestern war es aber wirklich nur ein Maikäfer, den ich gesehen habe, vielleicht brauchen die hier noch ein paar Tage zum Schlüpfen.

Das Grab des Oberförsters (von Braunshardt oder so ähnlich hieß er) findet man, wenn man von der Lichtwiese aus den Kirchweg läuft, jedoch nicht links Richtung Fischerhütte abbiegt, sondern weiter geradeaus Richtung Traisaer Brücke (heißt glaube ich Fußweg nach Traisa). Dort steht eine mächtige alte Eiche direkt am Wegesrand, darunter ein Grabstein.
Gruß
Paul

9
Moinsen!

Ich grüße immer nur mit einer kurzen Handbewegung. Bei Walkern habe ich es inzwischen aufgegeben. Erfolgsquote 0,00%. Gilt natürlich nur für mich hier Leipzig.

Und zu den Socken: haste die nun aus der Wäsche rausgeholt, oder Dich mit den ordinären Dingern abgegeben?

Ansonsten: Schööööner Bericht :)

Grüße!

Markus
am 1.9.2016 nach mehrjähriger Laufpause spontan für den Rennsteig-M angemeldet. Mal sehen was geht.

10
das kommt mir irgendwie bekannt vor... hier bei mir ist auch schon eine seltenheit wenn man zurückgegrüßt wird..
im norden war das anders..

aber nichts desto trotz.. ein schöner bericht
Bier löst keine Probleme ??? Ach, aber Wasser... oder wie !

11
Hallo

Gegrüßt wird immer - :D
zurückkommen tut meist nix :sauer:

Egal weiter ...

...freundlich geht sie zu Grunde...

abba ein toller Bericht

Grüße chang
Bild

12
Gemüsegriller hat geschrieben:

Beim ersten entgegenkommenden Läufer grüße ich mit „Nabend“, erhalte keinerlei Reaktion. Nun ja, versuchen wir es also etwas offensiver. Der nächste Läufer erhält ein freundliches, lautes „Hallo“. Keinerlei Reaktion. Der dritte murmelt zumindest irgendetwas, was wie ein Gruß klingen könnte.l
Ich fordere ja gar nicht, dass sich alle ausziehen und umarmen, wie es gestern in Spanien geschehen ist, aber ein freundlicher Gruß unter Joggern wäre doch wirklich nicht zuviel verlangt.

Manchmal muß man einfach loslaufen, Trainingsplan, Wasserflaschen, Pulsuhren... ignorieren und den Frühling genießen. Wenn die Darmstädter dann noch fröhlich zurück grüßen würden – nicht auszumalen! :D
Hallo,

nutze auch die Lichtwiese als "Lauf-Autobahn" und gehöre wahrscheinlich auch zu den sauertöpfigen (zugezogenen) Läuferinnen, die nicht grüßen - oder nur einen unverständlichen Gruß murmeln.

Einerseits: Wenn ich laufe, will ich meine Ruhe haben, bin mit den Gedanken wo anders, small talk und freundliches Grüßen habe ich den ganzen Tag im Büro. Da freue ich mich, manchmal etwas selbstversunken zu sein. :P

Andererseits: Wenn ich etwas schneller laufe, habe ich oft nicht die Luft laut zugrüßen. Dann gibt es nur ein Gemurmel.

Also: nicht immer das Schlimmste denken oder es persönlich nehmen.

Aber: für die Zukunft nehme ich mir vor, freundlich zu grüßen.

Im übrigen: diese Diskussion erinnert mich an die Diskussion bei Motorradfahreren - grüßen oder nicht oder nur die grüßen, die die gleiche Marke fahren ?
Bei schönem Wetter bekäme ich meine Hand kaum noch an :winken: den Lenker

13
Gemüsegriller hat geschrieben: Das Grab des Oberförsters (von Braunshardt oder so ähnlich hieß er) findet man, wenn man von der Lichtwiese aus den Kirchweg läuft, jedoch nicht links Richtung Fischerhütte abbiegt, sondern weiter geradeaus Richtung Traisaer Brücke (heißt glaube ich Fußweg nach Traisa). Dort steht eine mächtige alte Eiche direkt am Wegesrand, darunter ein Grabstein.
Gruß
Paul
Hallo Paul,

nach Deiner Beschreibung würde ich eine "Klip(p)stein-Eiche" finden, da Oberförster halt jedenfalls auch einen Baum mit Gedenktafel und Grabstein erhalten. Aber es gibt hier im Wald sooo viele benamte Eichen und andere Bäume, da können viele Oberförster eine letzte Ruhestätte gefunden haben.

Gruß, Christoph.
Gesperrt

Zurück zu „Foren-Archiv“