
Wie schon die Jahre zuvor planten meine Freundin und ich mit dem Jahresurlaub sowie den angefallenen Überstunden in Asien zu überwintern. Da wir die letzten Jahre in Thailand mit dem Rucksack unterwegs waren und es inzwischen nichts mehr mit Urlaub sondern eher mit "heimkommen" zu tun hat musste ein neues Ziel her: Vietnam.
Da wir aber auf jeden Fall über Bangkok (in Zukunft: BKK) fliegen und noch zwei Freunde besuchen wollten kam mir hier der Gedanke endlich mal eine verrückte Sache machen zu können.
Über die Seite http://www.thailandmarathon.org war auch ein einfaches sich anzumelden.
Zu dieser Zeit hatte ich schon einen 65-KM Lauf und den Freiburg-Marathon hinter mir und war aber auch schon beim Bodensee-Megathlon und Berlin Marathon angemeldet..... egal - auf einmal war das Hauptziel: BANGKOK FINISHEN !!!
Ich glaube ich hatte bei jedem Training die Frage im Kopf was mich in der Hauptstadt meines Lieblingvolkes so erwartet...
In BKK angekommen (die Schuhe und wichtigsten Marathonutensilen im Handgepäck / wie die Profis) hatten wir noch ein paar Tage Zeit bis zum Marathon - zum Aklimatisieren genau richtig. Am ersten Tag machte ich mich von der Khao San Road gleich in den Lumpini-Park auf um hier die eine oder andere Runde zu drehen. Vor lauter Stau hatte ich bis zur Dunkelheit allerdings dann nicht mehr sooo viel Zeit zum Training. Aber egal - ich verlegte mich auf das Chang-Training

Nicht verheimlichen möchte ich, daß ich noch in der Khao San Road ein Fitness-Studio besuchte (wer sich auskennt: Herrlich mit Blick über die verrückte Langnasenstraße gegeüber der Polizeiwache) Hier konnte ich für ein paar Bath das Laufband ausprobieren. Da wir uns noch eine Woche in einem Luxushotel am Meer aufhielten bevor ich zum Marathon startete, konnte ich hier auch jeden Tag auf dem Band (klimatisiert) trainieren.
UND ENDLICH WAR ER DA - DER TAG VOR DEM START:
Wir holten im ehemaligen World-Trade-Center (das heisst seit diesem Jahr: Center of the Word und wurde umgebaut) meine Startunterlagen. Ich weiß nicht was ich beim einpacken gedacht hatte, aber ich hatte keinerlei Unterlagen oder Zahlungsbestätigung dabei. Nach längeren Thai-/Englisch Diskussionen und dem Problem dass sich mein Name mit "ß" schreibt und es dadurch zu verschiedensten Abwandlungen im thailändischen kommen kann war es soweit - ich bekam meine Startnummer, ein T-Shirt, eine Tasche und noch so verschieden Kleinkram wie Seifen, Thaimassageöl und soweiter in einer Tasche ausgehändigt. Gestartet wird übrigends mit Champion-Chip. Wie immer in Thailand: Es geht alles sehr ruhig, freundlich und mit viel lachen zu. UND ES GEHT IMMER!
Aufgrund der Hitze, des Smogs und des Verkehrs wird der Marathon um 02.00 Uhr vor dem Königspalast gestartet. Also zurück ins Guesthouse, viel trinken, versuchen zu schlafen und viel Bananen essen.... Auf jeden Fall aber scharfes vermeiden, was in Thailand aber nicht ganz sooo einfach ist.

Jetzt kam langsam der Flash den ich bislang vor jeder neuen Strecke (auch vor dem Bodensee-Megathlon) bekam: Zittern am ganzen Leib, Ständig das Gefühl doch noch Krank zu werden - einfach gesagt: Angst vor mir selber.
Hier endlich mal ein grosses Lob an meine Freundin Claudi die mich den gesamten Zeitraum von Landung in BKK bis zum Ende des Marathon aushalten musste. Das war sicher nicht einfach - zuerst riesige Euphorie und zwei Wochen davor kein anderes Thema und kurz davor einfach nur die Hose voll......
UND ENDLICH WAR ES 01.30 UHR

Da sich der Königspalast nicht zu weit von der Khao San Road befindet gingen wir zu Fuß zum Start. Dazu muss man anmerken, daß in drei Kategorien gestartet wird. Um 02.00 Uhr wurde der Block mit den "langsameren Läufern" die eine Zeit zwischen 05 und 06 Stunden anpeilten gestartet. Um 03.00 dann der "mittelmässige Block" mit Zielzeiten von 03 bis 05 Std. und um 03.30 Uhr dann der Spitzenblock. Ungewohnt, aber aufgrund der breiten Straßen und geringen Teilnehmerzahl ganz gut gemacht.
Am Start angekommen konnte ich mal sehen, wieviel Zuspruch die Sportart Marathon in Thailand geniesst: Es befanden sich rund 2000 Läufer am Startplatz und noch etwa 200 Zuschauer (meist Begleitung von den Läufern), das Fernsehen und .....Aus! Kein einziger Fan säumte die Strecke, die teilweise sechsspurigen Straßen waren Menschen und Verkehrsleer. Hier ahnte ich das erste Mal was mich erwartet...
Der erste Block wurde gestartet und lief über die Startmatte in die ruhige Dunkelheit. Es war äusserst befremdlich nur die Turnschuhe auf dem Asphalt zu hören. Kein Fan schrie, keine Rassel - nix - Dunkelheit und Ruhe.....
Das machte meine Anspannung nicht besser - nachdem ich der Claudi dann versprochen hatte, das ich "Safty First" auf meinen Körper hören würde und im Notfall abbreche und es bei inzwischen kühlen 26 Grad nicht übertreiben würde kam endlich mein Startblock an die Reihe. Offiziell hatte ich immer mit einer Zeit von 4 bis 5 Stunden gerechnet - innerlich hatte ich mein Ziel unter 4 Std. zu bleiben aber bis kurz vor dem Start noch aufrecht gehalten. Aber es war sooo schwül und stickig, das mir spätestens jetzt klar wurde, das es auf 4,5 Std rauslaufen würde.
Startschuß - los ! Ich lief los und Claudi ging zurück durch die Nacht in die Khao San Road zum Ausschlafen.

Nach dem Königspalast ging die Strecke sofort auf eine Hochautobahn über den Dächern von Bangkok. Vier Spuren in die eine Richtung und vier Spuren in die andere Richtung. Rechts Betonwall- Links Betonwall. Keine Fans, Ruhe, Stille, nur 2000 Paar Schuhe die auf dem Asphalt auftreten. Dazwischen verschiedene Motorräder mit Blaulicht, einem Kamerateam und noch mehr.... Eine äusserst gespenstige Szene - die ich aber auf keinen Fall missen möchte.
Alle zwei Kilometer gab es Wasser. Leider schmeckte es ab und an etwas modrig oder halt einfach ungewohnt - erst hier kam mir der Gedanke, das ich ja sonst mit dem hiesigen Wasser nicht mal die Zähne putze, es aber hier trinke!!! Naja, aber ich war froh an meinen von daheim mitgebrachten Squezzy-Gels. Nach kurzer Zeit war ich auch daran gewöhnt, daß Schweißbäche an meinem Körper runterliefen, die Luft stickig war und ich fing langsam an die Szenen zu geniessen. Innerliche Ruhe kehrte ein....
Nach 14 Kilometern auf der Autobahn in die eine Richtung kam der Wendepunkt, um auf der anderen Seite 14 Kilometer wieder zurück zu laufen. Hier stand ein großes Bild des thailändischen Königs mit Frau, der in Thailand nicht nur König sondern auch Oberhaupt des Buddismus ist. Entsprechend wird er verehrt. Viele Läufer stoppten kurz und grüssten den König mit dem WAI - die Hände zu einem Dach gefaltet vor dem Kopf, der örtliche Gruß.
Davor wurde ich aber dann auch von der Spitzengruppe überholt. Die Spitzenläufer hatten jeweils eine Fahrradbegleitung mit Licht und Hupe. TOLL - erstens sah man, was die für Geschwindigkeiten laufen, zweitens konnte man auch als Läufer mal den Spitzensportlern klatschen (ich war einer von wenigen die das auch taten) und drittens klappte es auch ohne Probleme, da genügend Platz vorhanden war und sich das Läuferfeld bereits auseinander gelaufen hatte.
Nach der Autobahnetappe (ca. 28 KM), zurück im zentraleren Teil von BKK gesellten sich 10 KM-Läufer dazu, die erst um 06.00 gestartet worden waren und einen Teil mit uns die gleiche Strecke liefen. Hier ging dann langsam die Sonne auf und es ging über die große Stahlseilbrücke die zu Ehren des Königs Rama VIII gebaut wurde.
Leider wurde es auch wärmer und stickiger und da wir uns langsam dem Zentrum von BKK näherten (Royal Torf Club und UN-Gebäude) auch deutlich smogiger. Teilweise hatten wir Läufer eine Spur und auf den anderen drei/vier lief der Verkehr langsam an. Manchmal musste man kurz stoppen (von der Polizei geregelt) da der Querverkehr passierte. Hier begrub ich dann offiziell meinen Traum von unter vier Stunden ;-)
GENAU JETZT WEISS ICH ES: DIE POLIZEI WAR SCHULD !!! ;-) WIE IMMER !!!
Naja, erst zwei Kilometer vor dem Ziel (wieder in der Nähe meiner Lieblingsstraße in BKK) standen dann auch Zuschauer und Schulklassen mit Musikinstrumenten um uns den Zieleinlauf zu versüssen. Völlig fertig kam ich als 913ter von 2000 mit einer Zeit von 4:45 Std. im Ziel an und wurde hier auch dann von meiner Claudi erwartet.
Es hatte inzwischen ca. 34 Grad und eine Luft zum Schneiden.
Im Ziel bekam ich eine (absolut geile, große, goldene und vorallem verdiente) Finishermedallie mit dem Konterfei der Prinzessin (das ist in Thailand eine große Ehre) und etwas zu trinken. Ok, ein paar Langnasen lagen sich in den Armen, aber die Thailander liefen grösstenteils völlig unbeeindruckt über das Ziel. Aber im Buddismus werden Gefühle halt einfach nicht gezeigt. Egal ob Freude, Ärger oder Leid....
Kurz zusammengefasst:
Eine verrückte Idee, die jeder Bangkokfan (und ich bin ja offensichtlich nicht der Einzigste) einmal machen kann. Aber extra nach BKK zum Marathon fliegen lohnt m.E. schlicht und einfach nicht. Ich bin happy das ich es gemacht hab, das hat meine Liebe zu dem Moloch nur verstärkt - aber ich denke das es interessantere Marathons in der Welt gibt. Für die von Euch die es noch vorhaben:
Nehmt eigenes Gel mit - die Verpflegung ist eher mässig
Nehmt evt. eigenens Wasser mit - das Wasser ist völlig ungewöhnlich
Nehmt genügend Taschentücher für danach mit - ich hab zwei Wochen lang schwarz geschneuzt.
Sonst - Viel Spass - Es war eine Erfahrung wert und ich bin stolz in der Stadt der Engel einen Marathon gelaufen zu sein.

Vielleicht noch eine Story am Rande:
Einen Tag später ging es dann auf die eigentliche Rucksacktour nach Vietnam - das dreimonatige Visum hat ein Schweinegeld gekostet. Die restlichen Squezzys und die Laufschuhe hab ich noch in Thailand verkauft - der Flug BKK-Hanoi war günstiger als wenn wir ihn in Deutschland gebucht hätten. Aber Egal: Bei der Ausreise aus Vietnam zurück nach BKK am Flughafen von Saigon hatten wir das Gepäck schon abgegeben und waren schon auf dem Weg in den Flieger als ich von zwei freundlichen Herren in Uniform abgeführt wurde. Es sei eine Handgranate in meinem Gepäck gefunden worden...
Äusserst blaß im Gesicht sah ich dann auf dem Röntenbild meines Rucksackes: Tatsächlich eine Handgranate ! Beim Auspacken entpuppte sich die Handgranate dann als Finishermedallie des BKK-Marathon..... ;-)
Sollte bis zu diesen Zeilen noch jemand wach sein: Es ist ja wohl unschwer zu erkennen, daß ich Thailand und BKK-Fan bin. Aber nach dem Urlaub in Vietnam bin ich nun Thailand, BKK-Fan, Vietnam und Saigon-Fan. Aber in Vietnam haben sie noch andere Probleme als an einen Marathon zu denken. Trotzdem: Beide Länder sind eine Reise wert !
