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Mein 1. Wettkampf, der beinahe keiner wurde.

Mein 1. Wettkampf, der beinahe keiner wurde.

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Rückblick:

Ende November 2006 dämpfe ich meine letzte Zigarette aus.
Damit ich mein Kampfgewicht nicht erhöhen muss, werden Anfang Dezember Laufschuhe angeschafft und gleich 3x wöchentlich getestet.
26.12. 1.Sportverletzung 4 Wochen Pause

Der Entschluss:

Ende Jänner, bekommen ich die Möglichkeit kostenlos an einem Laufbewerb im Rahmen des Wiener City Marathons teilzunehmen.
Ich dachte das wäre die Chance ein Ziel vor Augen zu haben.

Beim Junior Marathon, Kids Challenge und Bambinilauf kam ich ins schleudern mit der Altersklasse.

Staffelmarathon wäre von den Distanzen in Ordnung gewesen, nur wollt ich mich nicht vor 3 Leute verantworten müssen.

Marathon – töten kann man sich auch einfacher.

Also blieb nur mehr der Halbmarathon als Distanz übrig. Nach durchforsten des Internets, nahm ich mir als Ziel eine Zeit um die 2 Stunden vor. Damit die Motivation nicht sank, teilte ich mein Vorhaben auch gleich meinem Umfeld mit und somit setzte ich mich zugleich ein bisschen unter Druck.

Das Training:

Mein Freund und späterer Pacemaker war von meinem Entschluss derart begeistert, dass er mir gleich bei den meisten Trainingseinheiten beistand. Je länger wir trainierten, desto mehr Zweifel kamen bei mir auf mein Ziel zu erreichen. Anfang März absolvierte ich meinen 1. langen Lauf. In einer 5 er Gruppe legte wir ca. 18km in 1h 51min zurück. Es war mir schon klar, dass dieser Lauf kein langsamer für mich war, aber das lag daran, dass auch ein Läufer dabei war, der für den Marathon in Sub 3:00 trainierte. Durch dieses Ergebnis, wurde mein Ziel aber greifbarer für mich. Ich könnte es schaffen, wenn ich die nächsten 2 Monate konsequent trainiere.
3 Tage später kegelte ich mir beim Volleyball spielen den Finger aus und musste 3 Wochen pausieren. Ich habe zwar versucht mit Gips zu laufen, aber aufgrund der auftretenden Schwellung, lies ich es bleiben. Ich war am Boden zerstört und dachte, so kannst die SUB 2:00 vergessen.
Nach dem Motto “Aufgeben tut man nur einen Brief“, habe ich nach einer vorsichtigen Einstiegswoche, wieder rasch in gewöhnter Manier trainiert. Nach 2 weiteren langen (schnellen) Läufen, wurde mein Ziel für mich wieder realistisch.

Vor dem Wettkampf:

An einem Abend, 3 Tage vor dem Wettkampf, verspürte ich ein merkwürdiges Gefühl im Magen und entschloss mich schon zeitig ins Bett zu gehen. Kaum ins Bett gelegt, ging es schon los. Mir wurde kalt und übel. Die Nacht verbrachte ich mit 38,5°C Fieber, kotzen, Durchfall, fluchen und der Kloschüssel im Arm. Ich dachte mir nur – Bitte - das darf doch alles nicht war sein, jetzt so kurz davor soll alles scheitern?
Am nächsten Morgen meinte meine Frau: „Gut - dass du dich gleich innerlich auch gereinigt hast.“
Ich wäre ihr beinahe an die Gurgel gesprungen, jedoch meinte sie es nicht böse, sondern wollte mir durch ihren (schwarzen) Humor klar machen, dass alles gut werden wird. An diesem Tag musste ich unbedingt ins Büro, damit ich an meine Startunterlagen kam. Für nichts andere auf dieser Welt wäre ich an diesem Morgen ins Büro gefahren. Es ging mir zwar nicht besonders gut, jedoch habe ich den Tag ohne ungewollten „Ausscheidungen“ überstanden. Als ich am Nachmittag vom Büro nach Hause kam, hüpfte ich mit 37,8 gleich wieder ins Bettchen und schlief mich die Nacht über gesund. Der nächste Tag verlief bis auf ein flaues Gefühl im Magen halbwegs normal.
In der Wettkampfnacht, hatte ich natürlich schwer mit der Nervosität zu kämpfen und konnte, obwohl ich zeitig zu Bett ging, vielleicht gut 2h schlafen. Um 4 Uhr früh habe ich beschlossen, dass es sowieso keinen Sinn hat und habe mich auf meinen großen Tag vorbereitet.

Der Wettkampf :

Ein Laufkollege drückte mir am Morgen ein Powergel in die Hand und sagte scherzend: “Nimm das ab Kilometer 15 und du wirst deinen Pacemaker überholen.“ Ich hab zwar schon davon gelesen, war mir nicht bewusst, dass ich es auch brauchen könnte. Mein Pacemaker riet mir zur Vorsicht, da ich noch nie ein Powergel probiert hatte. Da ich mich im Vorfeld nicht entschließen konnte, habe ich es einfach mal mitgenommen und wollte später entscheiden

Um ca. 8:45 begaben wir uns in den Startbereich. Ich will mich wirklich über niemanden lustig machen, aber es gab schon den einen oder anderen witzigen Läufer bzw. deren Methoden sich vorzubereiten. Ich sah einen älteren Mann der sich durch Schwimmbewegungen Richtung Himmel aufwärmte oder einen andere der so stark dehnte, dass ich dachte der möchte den LWK umwerfen.

Eigentlich war ich für den langsamsten Starterblock vorgesehen, da wir bei der Anmeldung keine Endzeit konnten. Mein Pacemaker schleppte mich jedoch nach vorne weit nach vorne. Als Wettkampfneuling wusste ich natürlich nicht, ob das in Ordnung ist und vertraute einfach auf seine Erfahrung. Als wir hinterm schnellsten Starterblock angekommen waren, meinte ich nur ich möchte nicht unbedingt von hinten überfahren werden. Mein Pacemaker kümmerte sich wirklich rührend um mich und fragte mich noch mal kurz vor dem Start, ob ich nicht noch einmal pinkeln muss. Ich dachte mir nur – Mensch das frag ich meine Kinder vorm schlafen gehen. Noch eine Minute bis zum Start, ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, war nervös, aufgeregt aber hoch motiviert.
Plötzlich ertönte die Startsirene und es erklang der Wiener Walzer, statt das alle zu laufen begannen, drehte ein Pärchen neben mir ihre Walzerrunden Links von uns starteten, etwas weiter hinten die Staffelläufer, da deren Strecke im ersten Abschnitt etwas kürzer war. Das Feld begann sich zu bewegen, vor mir tausende Läufer, hinter mir tausende Läufer es war überwältigend. Nach weiteren 2 Versuchen setzte sich die Masse in Bewegung und wir überquerten die Startlinie. Es war mühsam meinen Pacemaker zu folgen, er wählte eine Linie ganz links an der Leitplanke und wir waren fast die gesamte Brücke nur am überholen, was wiederum bestätigte, dass es vollkommen in Ordnung war sich weiter vorne einzureihen.
Vermutlich hätten wir noch weiter vorne im Feld auch nicht gestört. Auf der Reichsbrücke bekam ich schon fast mein 1. Problem, ich hatte mit meinen Emotionen zu kämpfen als wir eine Frau mit Krücken überholten. Und eines kann ich Euch sagen, diese Frau war nicht langsam unterwegs.
Ich konzentrierte mich nur noch auf meinen Pacemaker, hatte selbst keine Technik mit und verlies mich voll ihn. Da wir unsere Getränke selbst mitnahmen, waren wir nicht auf die Versorgungsstellen angewiesen, was sich auch schon bei der 1. Versorgungsstelle als Vorteil erwies. Die Läufer teilten sich links und rechts und in der Mitte öffnete sich das Feld, wie dazumal das rote Meer bei Moses. Mein Pacemaker drückte mir einen Becher in die Hand und sagte: „Probiert das!“ Nachdem ich die Hälfte des Inhalts sorgfältig in meinem Gesicht und am Körper verteilt hatte, erklärte ich ihm, dass es mit nicht schmeckt. In Wirklichkeit war ich nur entsetzt über das Trinkergebnis.
Wir waren nach 5 km mit 27:09 gut in der Zeit und es ging mir gut. Zeitweise lief es mir kalt den Rücken runter und ich war den Tränen nahe, wenn ich die Menschen am Straßenrand beobachtet, wie sie die Läufer anfeuerten und motivierten.
Bei km 7 bekam ich die Order in der Mitte weiterzulaufen. Plötzlich schüttete jemand einen Becher Wasser über meinen Rücken und ich dachte nur, was ist das für ein Spinner. Als ich über meine linke Schulter blickte, sah ich natürlich meinen Pacemaker. Ich meinte nur – so heiß war es auch wieder nicht. Ein paar Kilometer weiter war ich ihm schon dankbar dafür.
Bei KM 10 sollte ich meine Familie treffen, damit Sie uns mit frischen Getränken ausstatten konnten. Ich hoffte nur, dass meine Frau den vereinbarten Treffpunkt findet, da sie so ihre Probleme mit der Orientierung in großen Städten hat. Als wir sie am Straßenrand entdeckten und der kleine mit 2 Trinkflaschen, großen Augen und offenen Mund da stand, hätte ich schon fast zu heulen begonnen.
Mit einer Zeit von 53:56 bei Kilometer 10 konnten wir zufrieden sein. Bis Kilometer 12 lief alles perfekt, ab dann machte mir schon die Hitze zu schaffen. Kurz vor KM 14 forderte mich mein Pacemaker auf mich abzukühlen, was ich mit Freude auch tat. Er selbst nutze ebenfalls die Gelegenheit um sich zu erfrischen. Ab diesem Zeitpunkt liefen wir fast nur mehr in der Sonne und das ganze auch noch bergauf. Bei KM 15 entschloss ich mich das Powergel zu riskieren, mein Pacemaker forderte mich auch währenddessen nur weiterzugehen, er selbst nutze die Gelegenheit für eine Kurze Pinkelpause. Später stellte sich auch heraus warum er mich aufforderte dabei zu gehen. Er erklärte mir 2 Kilometer später, dass es ihm selbst aufgrund der Temperaturen mit dem Kreislauf kurzfristig nicht gut gegangen ist. Natürlich hätte ich ihn sofort aus seinem Dienst befreit, wenn er mir etwas gesagt hätte, schließlich opferte er sich ja für mich auf um mich zu unterstützen.
Ob mir dieses Powergel geholfen hat oder nicht kann ich nicht beurteilen, auf jeden Fall begann ich bei km 17 zu schwächeln. Darauf hin forderte er mich auf – und dafür möchte ich mich bei den Damen schon im Vorhinein entschuldigen – such dir ein nettes Popscherl aus und lauf einfach hinterher. Gesagt, getan. Natürlich passierte mir dann auch gleich ein Missgeschick und ich verlor beim coolen zustöpseln meine Trinkflasche. Trotz dieses Fehlers konnten wir auf den letzten beiden Kilometern das Tempo wieder leicht steigern. Als wir ins Ziel liefen, war ich zwar glücklich, aber dennoch etwas enttäuscht da die Uhr bereits 2:01 anzeigte. Nur was habe ich als Anfänger wieder einmal nicht bedacht habe, war der Unterschied zwischen Brutto und Netto Zeit.
Schließlich konnten wir mit 1:57 finishen und ich war der glücklichste Mensch der Welt.

Ich glaube jetzt weiß ich auch warum ihr alle sagt: „Der 1. ist der schönste und sollte gelingen“
Trotzdem bin ich froh die Ratschläge nicht befolgt zu haben und gleich als 1. Wettkamp eine Großveranstaltung gewählt zu haben.

Lg Silent
Du möchtest laufen - Was machst du dann hier :D

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:groesste: :respekt: :hurra: :bounce:
Herzlichen Glückwunsch zu so einem schönen und schnellen Wettkampf-Einstieg und diesem anschaulichen Bericht - weiter so :daumen: . Da hat wohl jetzt einer Blut (und Power-Gel) geleckt. :D
Gruß
Claudia
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Gratuliere - das ist ja ein flotter Laufbeginn! Und so eine gute Zeit auch noch!!
Grüße von lila :zwinker2:
Ich bemerke, dass auch ich täglich Spuren hinterlasse. Zum Beispiel mit der Kaffeetasse.

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herzlichen glückwunsch!

je mehr *längere* laufberichte ich lese, desto größer wird der wunsch, selber *weiter* zu laufen......

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Glückwunsch zu dem tollen HM-Debut und das mit deutlich unter sub2! Da geht noch was! :daumen:
Gruß Thomas
PBs: 5km: 19:03 - 5,6km: 21:25 - 10km: 41:25 - HM: 1:26:39 - M: 3:11:15 - 50km: 4:09:09
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Diese Frau mit Krücken hät ich auch gern gesehen.
Genauer gesagt: ich hab Sie am Heldenplatz gesehen und wenn ich mich recht erinnere, hatte sie eine startnummer vom marathon. hätte mich interessiert wie man 42km mit krücken läuft - rein von der technik her.

gratuliere auch zu deiner leistung. :daumen: ich hab bei meinem ersten halbmarathon vor 5 jahren über 2 stunden gebraucht.
(und bin diesen sonntag das erste mal unter 3 stunden gelaufen - über 42km :D )

freu dich auf deinen ersten ganzen marathon - der wird noch schöner als der halbe!!!

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Danke für die Glückwünsche, wie lange haltet dieses geile Gefühl an :D :D :D
naphta hat geschrieben:Diese Frau mit Krücken hät ich auch gern gesehen.
...
Ich habe sie ca. 30-45min nachdem ich im Ziel war nochmal beim Zieleinlauf gesehen. Was soll ich sagen Sie wirkte immer noch sehr fit. Leider kann ich es nicht genauer sagen da ich ja keine Technik dabei hatte :klatsch:

Von der Lauftechnik her würde ich sagen, es sah so aus wie wenn man mit Krücken geht, sprich Krücken am Boden, Beine am Boden und das ganze halt im Lauftempo. Ist schwer zu erklären, wir waren mit ca. 5:20 zu beginn unterwegs und wir haben Sie nicht schnell überholt. Wirklich bewundernswert solchen Ehrgeiz zu besitzen. Das muss ziemlich stark auf die Handgelenke bzw. die Unterarme gehen.

Quirli hat geschrieben:...Da hat wohl jetzt einer Blut (und Power-Gel) geleckt. :D
:D :teufel: :teufel: :teufel: :D
Du möchtest laufen - Was machst du dann hier :D
Gesperrt

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