Ok auf dem Weg nach Köln war ich unausstehlich, ich fühlte mich am Samstag einfach noch richtig kränklich und war nervös…. Warum muss dieser Infekt so kurz vor dem Start zuschlagen? Mensch 4 Monate habe ich mich intensiv und gewissenhaft vorbereitet um dann wegen so einem Mist mit leeren Händen dazustehen. Verdammt… naja im Ende is es genauso wie Markus sagte man is einfach sehr dünnhäutig und ich war das bestimmt ganz besonders, denn ich hatte nun wirklich begründete Zweifel und Ängste.
Wie kommen auf der Marathonmesse an, ich versuche auf die Schnelle meine Startnummer usw. zu ergattern. Auf die Schnelle, das ich nicht lache die gleiche Idee haben noch 20.000 andere Läufer. Irgendwann habe ich meine Startnummer und auch meinen Chip auf Funktion getestet. Zumindest der Chip funktioniert und somit wird die Zeiterfassung mich wohl morgen registrieren. Ob aber dabei auch das dabei rauskommt, was ich hoffe….
Am Samstagabend geht es zum Geburtstag meiner Tante – eine Familienfeier, die zwar eigentlich sehr schön ist, aber ich kann mich nicht darauf konzentrieren, außerdem bin ich müde und will schlafen. Ich brauche jede Entspannung und Erholung, die ich vor dem großen Lauf noch bekommen kann. Mein Cousin Dirk läuft ebenfalls in Köln erfahre ich auf der Party, allerdings läuft der Kerl schon seinen vierten Marathon und startet in der ersten Gruppe und nicht wie ich in der letzten. Aber immerhin nimmt er mir die Angst vor der letzten Startgruppe, so sei ihm das vor ein paar Jahren auch gegangen, aber das wäre kein Problem gewesen, erzwungenermaßen langsamer anzugehen sei ein Vorteil und außerdem wäre das Tempo zu beginn auch hinten nicht so langsam.
Also noch ein wenig Nudelsalat inhalieren und langsam aber sicher Richtung Bett verabschieden. Tolle Idee so bekomme ich noch ordentlich Schlaf und bin fit und motiviert und überhaupt….. Verdammt jetzt liege ich schon seit 2h wach und an Schlaf ist nicht zu denken. Aber Johanna neben mir schläft mittlerweile gut vernehmlich – aber ich bin locker und entspannt, rede ich mir pausenlos ein. Naja dafür das ich bis kurz nach 24Uhr immer noch kein Auge zugetan habe und dann um 3 Uhr morgens schon wieder hoch bin war ich wirklich sehr entspannt. Im Endeffekt bin ich dann um 7 Uhr hoch und hatte vielleicht insgesamt 4 bis 5h Schlaf bekommen, aber trotzdem fühlte ich mich besser wie die Tage zuvor. Noch nicht wirklich topfit ABER viel besser… na toll.
2km Einlaufen, Toilette und Frühstück mit F1… Schön die Spannung der Saison bleibt noch bis zum letzten Rennen erhalten. So aber ich will langsam los, ich will jetzt laufen! Schön das Gefühl ist nach den letzten Tagen auch „neu“.
Die Bahn bringt mich und meine treuen Helfer Richtung Start an der Kölner Messe. Um 11:30 sollen die Topathleten ran und ich soll gegen 11:57 über die Startlinie kommen. Am Bahnhof angekommen verabschiede ich mich von acht tapferen, die mit mir zusammen diesen Tag durchleben wollen. Die Bahn spuckt mich aus und ich kämpfe mich durch die Menschenmassen zum Start.
Eingekerkert in ein durch Absperrgitter abgegrenzten Startblock kann ich jetzt nur noch warten. Nach 15 Minuten höre ich über die Lautsprecher, das die Spitze losgelaufen ist. Es dauert qualvolle weitere 30 Minuten bis endlich etwas leben in den Haufen kommt und wir uns langsam Richtung Start bewegen dürfen. Wir wollen LOS aber es dauert noch weitere 15Minuten bis wir endlich über den Startstrich laufen dürfen und obwohl 12.000 Marathonläufer vor mir los sind und weitere 1000 hinter mir sind geht es verblüffend gut!
Die Straße ist breit genug und ich komme schon nach ein paar hundert Metern ins laufen. Der erste Kilometer ist in 5:38 abgelaufen ergo absolut i.O. – 5:41 ist die magische Zahl auf den Kilometer, die mir eine Zeit von unter 4h ermöglich soll. Der zweite Kilometer läuft genauso dahin und ich habe mich im Feld gefunden. Ok so dann wollen wir mal aufgrund der letzten Tage sind Ziele von 3:50 oder 3:45 natürlich komplett weg und die sub 4h ist das magische Ziel.
Hm läuft alles gut aber für meinen Schnitt von 5:30 bis 5:40 laufe ich mit einem viel zu hohen Puls… 150 bis 155 zeigt dieses blöde unbestechliche Teil an, ich fühle mich viel besser und muss mich bremsen, um nicht mit 5:10 über den Asphalt zu ballern aber meine Pulsuhr sagt mir ziemlich klar „Kerl Du kannst nicht schneller und eigentlich ist das Tempo viel zu hoch für Dich“….
Die nächsten Kilometer nutze ich um die Atmosphäre zu genießen und festzustellen, das es mir zwar schon etwas warm wird aber der Tag so toll ist das um so mehr Zuschauer hier sind. Die Stimmung ist von Anfang an toll! Bei 10km sollte mein Anhang das erste Mal da sein. Auf der linken Straßenseite haben wir uns verabredet… Ich schaue konzentriert nach Links und ich sehe… nix… Nach einigen Kilometer gebe ich es auf und denke „verpasst“ oder „die sind schon weg“, den ich hatte gesagt das ich bei km 10 gegen 13:00 Uhr sein werde und es ist mittlerweile 13:15 da wir mit einiger Verspätung auf die Strecke sind.
Die dritte Verpflegungsstelle, nehme ich wie die anderen zwei bislang mit viel Ruhe ich nehme mir wieder zwei Trinkbecher mit Wasser und trinke im stehen, bevor ich wieder fahrt aufnehme. Ich verliere jeweils 30 Sekunden bis zu einer Minute, gehe aber nicht das Risiko ein mich zu verschlucken, oder zuwenig Wasser zu trinken.
Ich laufe immer noch auf der linken Seite der Straße obwohl ich schon bei km 17 angekommen bin, der nächste Treffpunkt ist doch erst bei km 19,5 bis 20. Aber ich will sie nicht verpassen und vielleicht sind sie ja einfach nur etwas später an die Strecke gekommen. Soll ich was sagen wenn wir uns an der Strecke sehen? Soll ich sagen, das mein Tempo belang im Plan ist aber nicht drüber aber mein Puls viel zu hoch? Soll ich sagen das die 4h wohl nicht zu holen sein werden, das ich Angst habe hinten raus zu sterben… Soll ich vielleicht nix sagen, denn das kostet nur Kraft und wertvolle Sekunden! Wenn ich jetzt am Ende mit 4h und 5 Sekunden ins Ziel komme und genau diese Sekunde mit nutzloser Kommunikation verschwendet habe….
Rechtskurve ich muss nach rechts den Weg kurz machen es wird langsam anstrengend. Da sind sie!!!
JA Rüber auf die linke Seite.. blickkontakt.. da ist Wolfgang, Daniel, Demian, Doran …… Dankbarkeit… Vorbei über die linke Schulter noch ein Blick….Wo ist mein Schatz? Ich schaue nach vorn… da steht Sie genau vor mir ich bin gerade dabei Johanna über den Haufen zu laufen… Jana, Rita und Johanna ein Sprung zur Seite den Daumen hoch und weiter….
Puh gibt das Kraft ich rasen… Kerl tritt auf die Bremse! Ich laufe mit 4:30 auf den Kilometer mein Puls klettert auf 165 und ich fühle mich toll… Ok langsamer…. Die nächsten Kilometer pflüge ich mich mit 5:15 bis 5:25 durchs Feld. Allerdings nehme ich nach wie vor jede Verpflegungsstelle mit und bleibe zum trinken auch stehen.
Ca. bei Kilometer 25 ist mein nächstes Powergel fällig.. ein ekelhaftes Zeug! 25ml Kohlenhydrate in einer schleimigen weißlichen zähflüssigen Substanz kurz vor den Verpflegungsstops aus einem zuvor aufgerissenen Plastikbeutel gesaugt und dann mit Wasser runtergespühlt. Widerwärtig aber gibt Kraft und Energie. Mag sein das ein großer Teil davon Psychologisch ist aber egal es hilft! Nach dem Stop fühle ich die Energie förmlich….
Unmerklich kippt meine Stimmung ich laufen den Ring hoch bin auf Höhe Saturn und habe dauernd das Gefühl das ich leicht bergauf laufen muss. Egal ich komme ja nachher auf der Gegenseite der Fahrbahn wieder zurück Richtung Rhein und damit abwärts…
Wo bleibt bloß der Wendepunkt da sind die ganze Zeit auf der anderen Fahrbahn Läufer die schon in die andere Richtung laufen, da will ich auch hin! Wieso muss ich bergauf laufen, während die schon bergab Richtung Ziel dürfen? Hm es wäre doch so einfach jetzt die Fahrbahn zu queren und dann…. Hör auf so’n schei** zu denke: lauf! Wo bleibt bloß der Wendepunkt? Aber eigentlich… bekommt doch keiner mit… nu komm schon ein kleiner Schritt für den Till und ruck zuck haben die Qualen ein ende dann kannste ganz entspannt gemütlich is Ziel joggen und bist in unter 4 Stunde da…. Wo bleibt bloß der Wendepunkt?
Endlich es geht in die andere Richtung mann bin ich kaputt und es sind noch keine 30km rum. Sach ma warum geht es hier noch nicht bergab? Was soll der Mist ich laufe ja immer noch bergauf und noch viel „bergaufiger“ so in der Art formuliere ich übrigens ab km 30 wirklich. Es geht also bergaufiger wie zuvor…. Mist Geschwindigkeit sackt unter 5:45 ab und der letzte Verpflegungsstand hat wieder fast eine Minute gekostet, ergo ich muss die Zeit wieder raus holen.
Ich quäle mich auf ein 5:35 Tempo und dies geht nur noch mit Puls 158-160… absolut grenzwertig und ich hab noch 10km….. Ich nehme die Stimmung nicht mehr war und Köln war so gut zu mir – die ersten Sambatrommeln fingen schon ab km 3 an… Irre NIE ist man allein auf der Strecke mitten durch die Innenstadt nicht nur permanent Läufer um einen herum NEIN auch immer tolle Kölner, die jeden nach vorn schreien… sogar mich…. Aber jetzt nehme ich diese Menschen nicht mehr wahr –nur noch wenn jemand meinen Namen schreit…. Und das passiert öfters, denn netterweise sind die Vornamen auf die Startnummern gedruckt… ergo „Till Du siehst gut aus – Du packst das“ is auch von wildfremden Menschen zu hören, aber mittlerweile glaube ich den Leuten das nicht mehr. Zu beginn war das ja auch noch deckungsgleich mit meinem Gefühl aber jetzt?!?! Nee nee die Welt ist ungerecht wieso lügen die hier ohne rot zu werden.
Und überhaupt muss der Vollidiot vor mir unbedingt genau da gehen, wo ich schneller laufen will…. Ehy Du Sack wenn du faule Sau nicht mehr laufen willst dann geh zumindest mir aus dem Weg ich habe eine Mission: sub4h und Du…. Ja ich weiss das das nicht nett ist aber so habe ich immer mehr gedacht… noch vor 10km habe ich bei solchen armen Kerlen noch Mitleid empfunden und wollte auf die Schulter klopfen und helfen…. Aber nu is mein wahrer Charakter da :-))
Kilometer 34 ich werde langsamer zum wiederholten male schaue ich auf meine Uhr und werde von einem 5:50 speed aufgeschreckt, aber es geht nicht mehr… es muss aber es muss… es geht aber nicht…. Egal es muss…Egal ich kann nicht mehr 6:00… Da berührt mich jemand an der Schulter… „hör ma willst wat auf’s Mau…“ nee zu so einer destruktiven Aggression war ich intellektuell nicht mehr in der Lage ;-) Aber wer ohhhh Wolfgang und Daniel laufen neben mir her und brüllen mich nach vorn. Da ist auch Johanna, die in den vergangenen Tagen ja immer besorgt war das ich mich überanstrenge und jetzt wird Sie mir bestimmt die Absolution erteilen, das ich mich etwas ausruhen kann, denn fertig sehe ich bestimmt aus „Lauf Schatz Lauf“…. Hm soll das bremsen? Soll ich mich so vor Überanstrengung schützen?
Los Till Du Sack Du hast es gehört „Lauf, Lauf“ keine Ahnung wieso aber das gibt noch mal zusätzliche Kraft und lässt mich schneller laufen…. Der Push hält locker 2km ab da muss ich wieder um jede Sekunde kämpfen.
Km 37 ich bin hoffnungslos mit höherer Mathematik überfordert. Hm wenn Du eben einen Vorsprung von 20 Sekunden hattest und jetzt 5:43 als Schnitt gelaufen bist muss du von den 20 Sekunden 2 Sekunden abziehen…… hm das heißt mein Vorsprung beträgt noch…. Äh wie viel hatte ich noch und was bin ich auf dem vergangenen Kilometer gelaufen? Irgendwann gebe ich es auf zu rechnen und überschlage im Kopf: Ok am Anfang hast Du trotz Pausen etwas Zeit rausgelaufen bestimmt nee Minute und jetzt hast Du einige Sekunden vergeudet…. Hm stehen also noch 30 Sekunden Guthaben zur Verfügung…. Mist das sind noch über 5km da kann noch viel passieren.
Die nächste Verpflegungsstelle steht bevor…. Die „Spermabeutel“ geben zwar Energie und pushen mich aber nach dem dritten geht es meinem Magen nicht mehr gut. Mir ist schlecht aber meine Beine sind so weich und mein Puls ist konstant über 160 und trotzdem fighte ich um jede Sekunde… Ich weiss ganz genau es steht Spitz auf Knopf ob ich meinen Traum sub4h war machen kann oder nicht…. Es geht um Sekunden…. Ok lange Rede kurzer Sinn meine Entscheidung ist letzten Beutel nehmen und eventuell kotzen oder nicht nehmen und die Wahrscheinlichkeit um ein paar Sekunden zu „versagen“ erhöhen. Ich entscheide mich für den Beutel…. Geschmack habe ich keinen mehr das stört überhaupt nicht aber mein Magen rebelliert nach der Einnahme….
Trotzdem hilft das wieder ein paar Kilometer weiter…. Kurz vor 40km – ich will nicht mehr – ich kann nicht mehr – laufen is ja ok ABER nicht in dem Tempo… Mist alles ist hier am gehen warum muss ich noch mit unter 6min auf’n Kilometer hier ran? schei** 4h Ziel….. Ich will meine Musik nicht mehr hören ich will…. In dem Moment laufe ich in eine Altstadtgasse hinein und links das Gesicht auf das ich da zulaufe das kenn ich….. Nee das muss eine Täuschung sein… Nee doch das ist Jana eindeutig – die brüllt auch was und dann wieder Nebel rechts und links des Blickfeldes ABER da „LAUF LAUF LAUF“ brüllt meine Johanna….
Jaaaa jaaaa und wenn ich hier kurz vorm Dom ableben muss egal – jaaaaa chefin ich lauf… jajajajaja…… obwohl laufen kann mein rumgestolpere nicht wirklich nennen – mehr kontrolliertes abfangen des hinfallens und bei dem Abfangen immer einen neuen Impuls nach vorn…. Weiter da der Dom da is er jetzt is der Rhein und die BRÜCKE nicht mehr weit aber erstmal das Kopfsteinpflaster…. Ja Kopfsteinpflaster tut weh aber mich interessieren keine Schmerzen mich interessiert nur die Zeit und die ist hier auf dem Kopfsteinpflaster wieder zu langsam… Oh Mist das wird eng…. Ich kann nicht noch mehr geben sonst kann ich die letzten 2km nicht durchhalten….
Da die Brücke, jetzt nur noch da hoch… da hoch sach ma geht’s noch? Wieso jetzt hier hoch? Ich will gehen nur bis zum „Gipfel“ der Brücke…. Bitte nur bis dahin schau das machen doch auch noch ganz viele andere… Bitte bitte…. Nix da weiter bloß nicht gehen… laufen und wenn ich 6:10 brauche… egal Gas….. Im Kopfhörer kommt zum zweiten mal „push it“ von Garbage… Wie passend…. Also push it…. Der Gipfel ist erreicht jetzt muss ich bis ins Ziel die Sekunden wieder rausholen…. Ich beschleunige 5:50……. 5:40…… 5:30….. 5:20 da vorn ist ein Torboden das ist das Ziel ja nicht mehr weit 5:10…. Komm Feuer wenn das jetzt wegen ein paar Sekunden nicht reicht… 5:00 nur noch 100m komm gib alles 4:40…… Der Bogen ist da und da steht „Jetzt Schlussspurt“ Sach mal geht’s noch??? Was soll das denn einen Bogen auf 42km stellen und dann noch mal 195m weiter was soll das denn? Puls ist schon auf über 170… weiter Till nicht stolpern…. Nicht an der Stoppuhr rumstellen, um zu sehen ob es reicht oder nicht…. Die Zeit hast Du nicht gib was Du kannst noch 150m 4:30 noch 100m 4:20…… Puls 178…… SAUERSTOFF ich brauche SAUERSTOFF meine Oberschenkel brennen, meine Lunge brüllt nach Sauerstoff…. Mein linker Fuß platzt…. Seit km 25 weiss ich das der linke Schuh zu eng geschnürt ist aber neu binden? Die Zeit wollte ich mir nicht gönnen…
Ziel: 3h 58min und 50 Sekunden habe ich mit der Hand gestoppt… es war noch mal 4 Sekunden schneller und ich muss sagen an diesem Tag mit der Vorbereitungszeit von 4 Monaten und dann den beiden Infekten und entsprechendem Trainingsausfall: da ging nicht mehr!!!
Zu 100% zufrieden, alles gegeben und mein Maximum rausgeholt. Nochmal vielen Dank an die Helfer: Leute ohne Euch hätte ich das nicht geschafft! Das ist kein Lobhudelei das ist ein Faktum ohne Euch wäre ich wahrscheinlich genau 5 Sekunden zu langsam gewesen….
für die tolle zeit!
