Es ist Ende November 2006, seit ca. 1 Monat (24.10.06) laufe ich nun regelmäßig und irgendwie wird mein Traum einmal einen Marathon durch dieses regelmäßige Lauftraining immer größer. "Ach das schaffst du nie! Du bereitest dich doch nur auf einen 10,9km Lauf (Weltkulturerbelauf Bamberg) im Mai vor!", denke ich mir.
Aber Drang mir diesen Traum zu erfüllen ist stärker und ich versuche im Dezember meinen längeren Lauf, von bis dato ~12km, langsam zu steigern. 15-17-19 alles kein großes Problem und so passiert es, dass ich am 31.12. zum ersten Mal die HM-Distanz im Training überwinde und das in gut 2:15h.
Von diesem guten Eindruck bestätigt, melde ich mich noch am Nachmittag des selben Tages für den München Marathon 2007 im Oktober und meinen ersten HM in Bad Staffelstein im April an.
Von nun an gibt es kein zurück mehr!
Samstag vor dem Marathon:
Wir fahren gegen 8 Uhr los um nach München zu fahren, nach einem Zwischenstopp in Bamberg um meine Freundin einzuladen, sind wir gegen 11 Uhr am Hotel angekommen.
Nach dem Einchecken geht es auf zur Marathonmesse um die Startunterlagen abzuholen. Nachdem dies passiert ist, fahren wir mit der U-Bahn in die Innenstadt. Nach einer kleinen Shoppingtour, für die Verhältnisse meiner Freundin wirklich klein

Zurück im Hotel steigt die Anspannung immer mehr und in der Nacht schlafe ich mehr schlecht als recht.
Marathon:
Nach einem kleinen Fühstück geht es auf zum Start, es ist saukalt

10 Uhr: der erste Startblock wird gestartet. Wir in Startblock B (Zielzeit > 3:45) haben noch 10 Minuten länger Zeit. Langsam rückt alles vor und ich gehe in Gedanken nochmal mein Training und meine Chancen für sub4h durch.
Seit letzten Oktober habe ich ~2900km zurückgelegt, davon allein ~2500km in diesem Jahr. Insgesamt 5 lange Läufe >30km (2x 30km, 1x 32km, 2x 33km), aber leider ist der Letzte davon mehr als 5 Wochen her, da mich eine Erkältung in den leztzen 3,5 Wochen vor dem Marathon ereilt hatte. Ich wollte mit 5:25 - 5:30 min/km angehen und dann sehen was passiert.
10:10 Uhr: Auch der zweite Startblock wird gestartet. 3 Minuten später komme ich über die Ziellinie und starte meinen Forerunner 205. Ich habe mich zwischen 4:00 und 4:15 Zugläufer eingeordnet um mich anfags etwas einzubremsen.
KM 0-10:
Anfangs muss ich immer wieder mit meinen Gefühlen kämpfen, ich bin einfach zu überwältigt über die Atmosphäre (vorbei am Siegestor) und das mein Traum heute in Erfüllung geht. Das Tempo schwankt auf den ersten 4-5km sehr stark. Von 5:50 - 4:3:tocktock: ist alles dabei.
Aber nach diesen Anfangsproblemen finde ich mein Tempo, dass sich nun bei 5:25 min/km einpendelt. Nach km7 erreichen wir den Englischen Garten, die "grüne Lunge" Münchens. Und ich bin sehr froh, dass dieses Jahr die Streckenführung anders herum geht und dieser Abschnitt am Anfang gelaufen wird. Kaum Zuschauer und einfach öde.
Die ersten 10km absolviere ich in 54:32 und ich fühle mich noch sehr gut.
KM 10-HM
Weiter geht es durch den Englischen Garten ich habe mir mittlerweile einen persönlichen Pacemaker gesucht, der mein Tempo läuft und so hänge ich mich an diesen ran. Von der Strecke gibt es nicht viel zu erzählen, immer noch öde und kaum Zuschauer. Nur an Weggabelungen stehen ab und an geschätzte 30-50 Menschen.
Nach ~km15 geht es endlich raus aus dem Englischen Garten. Bei km 16 stehen meine Groupies. Meine Freundin und meine Eltern. Das gibt mir nochmal einen richtigen Schub. An der nächsten Getränkestation verliere ich meinen Pacemaker und bestreite das Rennen fortan alleine weiter. Bei km19 habe ich aber 2 neue Pacemakerinnen gefunden, an die ich mich nun dranhänge.
Die Halbmarathonmarke passiere ich in 1:55:10. Somit alles super für eine sub4! Und da ich mich noch sehr gut fühle glaube ich weiter daran.
HM-30km
Bei km24 fängt es an. Es fängt an, mich daran zu erinnern, dass die langen Läufe in letzter Zeit fehlen. Meine rechte Wade fängt an zu Schmerzen. Es dauert nicht lange bis auch das linke Bein anfängt zu mucken. Aber ich laufe weiter, möchte diesen Schmerz ignorieren. Allerdings hab ich etwas an Tempo rausgenommen und bin mit 5:40 unterwegs. Bei km26 ergebe ich mich erstmals den Schmerzen und gehe ein Stück. "Nein du hast dir jetzt nicht ein Jahr den Arsch aufgerissen und so hart vorbereitet! Jetzt Quäl dich!!!", sage ich vor mich her und versuche wieder anzulaufen, was schon richtig hart ist. Zum Glück sind wieder so langsam in der Innenstadt angekommen und immer mehr Zusschauer sind an der Strecke, die immer wieder mit aufmunternden Worten helfen. Ich hangele mich nun on Geträmkestation zu getränkestation, wo ich immer wieder eine kuze Gehpause einlege.
Die 30km-Marke passiere ich in 2:49:08. Zwar immer noch voll im Soll für sub4, aber mit diesen Schmerzen ist mir klar, dass es heute nicht dazu kommen wird.
KM 30 - Ziel
Mir ist zum Heulen zumute, obwohl ich eben aufgrund der fehlenden lngen Läufe schon damit gerechnet hatte. Bei km32 stehen nochmals meine Groupies und ich beiße auf die Zähne um mir nichts anmerken zu lassen. Ich will sie nicht weiter beunruhigen und sie froh gelaunt im Ziel begrüßen. ich schreie ihnen nur zu: "Wird ein bisschen später. Unter 4 wird nix mehr!" Nicht das sie im Olympiastadion wie auf Kohlen sitzen.
Mittlerweile hat der Schmerz auch meine Oberschenkel erreicht und ich muss immer wieder Gehpausen einlegen, aber ich bin nicht allein damit. Ich überhole immer wieder Läufer die Gehpausen machen, die mich dann bei meinen Gehpausen überholen. Auf meine Uhr schaue ich schon lange nicht mehr, bin aber in meinen Laufphasen mit ~5:50 min/km unterwegs.
Die Zuschauer, wenn auch nicht wirklich viele, sind super und motivieren immer wieder zum Weitermachen! Auf dem Marienplatz, der 2x überquert wird, stehen unzählige Zuschauer und treiben uns Marathonis an.
Bei der Getränkestation bei ~km37 spricht mich ein Läufer an, der ebenfalls eine Gehpause einlegt, wir unterhalten uns kurz und beschließen von nun an zusammen zu laufen. Er fällt aber leider kurz darauf wieder zurück und wünscht mir noch alles Gute.
Ich habe mittlerweile beschlossen nun meinen Schmerzen keine Chance zu geben und nun durchzulaufen! Vorbei am Siegestor geht es Richtung Olympiapark, wo das Ziel wartete. Keine Ahnung wie schnell ich zu diesem Zeitpunkt noch unterwegs war, ich riskiere von nun keinen Blick auf meine Uhr, aber schätze es waren so 6:00 - 6:30 min/km

Bei km40 passiere ich die Startlinie und weiß, von nun an ist es nicht mehr weit, aber dennoch muss ich noch eine ganz kurze Gehpause einlegen.

Km41 passiere ich wieder laufend, aber wann kommt endlich das besch* Marathontor? Man muss nämlich das Stadion erst auch nochmal teilweise außen umrunden. Aber man kann schon die Musik hören. "Bon Jovi: Living on a Prayer" um mich von den Schmerzen abzulenken singe ich es laut vor mich her mit. Und da ist es endlich: das Marathontor! Ich passiere es mit einem lauten "Jaaaaa!". Auf der Schlußrunde im Stadion kämpfe ich mit meinen Gefühlen. Ich weiß ich habe es geschafft und den Kampf gewonnen. Ein Weinkrampf will mich überfallen, den ich noch irgendwie stoppen kann. Auf der Zielgeraden schmeiße ich meine Arme in den Himmel. Über die Ziellinie und geschafft, ich stoppe meine Uhr und sehe 4:12:41, das ist mir aber in dem Moment völlig egal. (Auch meine offizielle Nettozeit)
ich habe meinen ersten Marathon hinter mir und den Kampf gegen meine Schmerzen gewonnen. Medaille abholen - trinken - essen. Nachdem dies erledigt ist, lege ich mich auf den Rasen des Olympiastadions und ich kann es nicht mehr unterdrücken, ich fange an zu weinen und ich schäme mich nich dafür, denn das muss jetzt sein. Ich schaue in das Rund des Stadions, kann meine Freundin oder meine Eltern nicht erblicken. Nach 10 Minuten mache ich auf zum Ausgang, wo wir den Treffpunkt ausgemacht hatten. Jeder einzelne Muskelfaser in meinen Beinen kennt nur noch eines: Schmerz ausstrahlen. Aber ich ignoriere es, wie ich es auch schon die letzten 17km gemacht habe.
Am Ausgang kommt meine Freundin auf mich zugeschossen und umarmt mich, mir schießen wieder die Tränen in die Augen. Nach der Begrüßungszeremonie machen wir uns langsam auf in Richtung Auto und auf die Heimfahrt.
Aber eines weiß ich: das wird nicht mein letzter Marathon gewesen sein (Anmeldung für Mainz steht bereits) und sub4 sind ohne Erkältung und voll durchgezogener Vorbereitung eigentlich kein allzu großes Problem.
Also auf ein Neues am 4.5.2008 in Mainz
