
Dieser Lauf wird kein leichter sein...
irgendwann im letzten Dezember entschied ich mich, doch einmal zum Rennsteig zu fahren, um dort den Supermarathon zu laufen. Es sollte der Zwischenschritt von den 6-Stunden (mit damals 64km) zu den 100km von Leipzig, aber dennoch der Frühjahrshöhepunkt sein.
Pünktlich zwei Wochen vor dem Start erwischte mich eine etwas merkwürdige Erkältung, welche eigentlich bis Donnerstag vor dem Lauf anhalten sollte. Zwischendurch zweifelte ich gar am Start überhaupt, gelaufen bin ich eigentlich kaum.
Am Freitagmittag dann noch etwas Durchfall, na das kann ja heiter werden.
Dennoch waren wir am Freitag gegen 19:00 bei der Startnummernausgabe, wo es auch gleich die Finishershirts gab.
Danach noch eine Runde über den leeren Marktplatz von Eisenach, um dann ins Festzelt den Kloßgutschein einzulösen. Zu meiner positiven Überraschung gab es nicht einfach nur Klöße, sondern 2 Stück serviert mit Rotkraut und Gulasch, eine recht große Portion. Von Yvonne bekam ich sogar noch einen dritten Kloß ab. Es war schon hier interessant, wer sich dort alles so tummelte und welche Finishershirts getragen wurden. Dann kam auch der Halter des deutschen Rekordes im 100km-Gehen Sten. Er hatte eine Augenklappe um und musste so an den Start gehen, keine schöne Sache für ihn.
Wir brachen nun auf, uns einen Stellplatz fürs Auto zu suchen. Direkt am Ortseingang von Eisenach wurden wir auf einem scheinbar verlassenen Parkplatz fündig, es befand sich auch schon ein Wohnmobil darauf. Leider war der Platz in der Nacht doch etwas frequentiert, was immer auch die Autofahrer dort auch gesucht haben mögen.
Ich war dann rechtzeitig wach, auch weil mir etwas kalt war.
Kurz nach 5:00 Uhr standen wir wieder auf dem Marktplatz, der diesmal mit reichlich Läufern gefüllt war und mit Musik beschallt wurde.
Die Stimmung war sehr eindrucksvoll, so viele Verrückte.
Natürlich wurde auch das Rennsteiglied gespielt. Dann kreiste der Hubschrauber über dem Platz.
Ich schlich mich in der Startaufstellung etwas nach vorn, Yvonne machte noch ein Vorher-Foto von mir und dann ging es auch schon los.
Zunächst durch eine schmale Einkaufsstraße, wo viele Anhänger standen und gleich mal ordentlich Stimmung machten, klasse.
Durch ein altes Tor (Nikolaitor) verließen wird die Altstadt und bogen rechts ab, gleich bergan. Wieder standen lautstarke Anhänger anderer Läufer, hatten ein Ortsausgangsschild gebastelt: Ortsausgang Schmiedefeld – Eisenach 72km.
In Serpentinen erliefen wir uns die ersten nennenswerten Höhenmeter und bogen in ein Waldstück ab. Als wir dies etwa bei km 2,5 verließen schwebte rechts neben uns der Hubschrauber.
Mein Lauf fühlte sich locker an, es ging aber vor allem aufwärts. Bei einem Blick über die rechte Schulter sehe ich die Wartburg. An der ersten Getränkestelle nahm ich im Gehen Wasser, Tee und ein Stückchen Banane und weiter ging es.
Die 10km passierte ich bei 57:00 min., sodann begann der ungemütlichste Teil des Laufes, es regnete nämlich ordentlich. Anfangs hielt das Blätterdach die Tropfen noch etwas ab, aber das gab sich schnell. Mir wurde dadurch auch wieder kalt.
15km: 1:24 h und kurz darauf war die erste große Verpflegung in Sicht, erst noch eine 24h-Läuferin aus Werdau abklatschen, welche ihren Mann später erwartete. Dann wollte ich endlich diesen berühmt-berüchtigten Schleim probieren, ich folgte der Empfehlung vieler und griff zur Sorte Heidelbeere. Durchaus sehr lecker. Dazu noch Wasser, Tee und ne Speckfettbemm. Gut gestärkt stellte ich mich dem folgenden Wurzel-Trail, der aber Spaß machte. Ich war ob der Strecke und der Verpflegung regelrecht beflügelt. Nach ziemlich genau 1:45h- Laufzeit hörte der Regen glücklicherweise auch wieder auf.
20km: 1:53 h
Noch konnte ich alle Anstiege laufen. Dies stellte ich aber spätestens an der langen steilen Wand vom Inselsberg auch ein und wanderte – nein ich kletterte schon fast – hinauf.
Kurz darauf war der Gipfel in Sicht. Als Zwischenzeit merkte ich mir hier 2:26 h, ob es das 25km-Schild ganz knapp vor dem Gipfel war oder der Gipfel selbst, weiß ich nicht mehr genau, ist aber auch kein großer Unterschied. Von Weitem schon erblickte ich Yvonne, welche aus „Langeweile" den Berg von der anderen Seite erklommen hatte. Ein Bild, ein Küsschen und ich stürzte mich in den Abstieg. Dabei galt es tatsächlich nicht zu stürzen, denn der supersteile Weg war asphaltiert und durch den Regen sehr rutschig geworden.
Unten angekommen gab es wieder eine große Verpflegung: Wasser, Tee, Schleim für mich
Nun konnte man es etwas rollen lassen, musste aber immer wieder mal um die Wanderer drumherum.
Hier lief Sten zu mir auf, wir tauschten uns kurz aus – u.a. dass es jetzt ja nur noch ein Marathon wäre - und er zog davon.
Ich hatte nun einen leichten Durchhänger. Glücklicherweise war dies der flachste Streckenabschnitt.
Ich kann mich erinnern, dass bei der Verpflegung an der Ebertswiese bei km 37,5 der Durchhänger dennoch größer geworden war. Hier konnte ich mich aber nicht zu einer Wiener überwinden und blieb bei Schleim und Banane.
Den nachfolgenden Anstieg liefen irgendwie fast alle um mich herum. Mir ging es erstmal wieder besser.
Km 40: 3:48 h
Dann kam auch der zweite Treffpunkt mit Yvonne an der Neuen Ausspanne, ich teilte ihr mit, dass es schon schwerer würde.
Ein paar Kilometer später ging ich wieder an einem Anstieg als mich ein netter Läufer mit Südbrandenburger Dialekt ansprach. Ich wollte meine Vorbereitung wissen und erkannte mich daran aus dem Forum. So ein Zufall. Wir unterhielten uns noch etwas, wodurch ich schön mitgezogen wurden.
Bei km 45 und 4:22 h erreichten wir Fred (Feuerstein), welchen ich am Namen auf dem Shirt und an den „Legendären" Waden erkannte.
An der Verpflegung Neuhöfer Wiesen langte ich wieder tüchtig zu, die beiden Foris hatten es eiliger.
Nun leider kam der qualvollste Teil dies zu diesem Zeitpunkt zu verfluchenden Laufes. Mir war jetzt warm und dabei hatte ich die Ärmlinge runtergekrempelt und ansonsten mein dünnstes Laufshirt mit kurzen Arm an. Mir war nicht wirklich gut, der Kreislauf scheint es gewesen zu sein, ich musste sogar im Flachen gehen, nahm eine Salztablette und wenig später ein Gel, halt ohne Wasser, mir doch egal, ich musste was tun, wollte nicht ins Gebüsch taumeln.
Großer Mist....
Ich rettete mich zur nächsten Getränkestelle bei km 51,2 am Gustav-Freytag-Stein. Hier endlich begriff ich, dass ich auch mal von außen kühlen muss und wusch mein Gesicht mit Wasser ab, auch der Nacken bekam etwas ab. Das schaffte erstmal Besserung.
„Nur" 4km später erreichte ich den Grenzadler in Oberhof, Zwischenzeit: 5:25h bei km 54,2
Mir ging es wieder schlechter, Yvonne sah es mir auch an. Ich bat sie mich zur Verpflegung zu begleiten, ich trank jetzt nur, auch Cola. Yvonne fragte ich, ob das Auto in der Nähe wäre, um mir ein Gel zu bringen, da ich mein Einzigstes ja bereits benötigt hatte und in Oberhof entgegen meiner Erwartung keine waren, zumindest habe ich keine gesehen. (Auf dem Plan entdecke ich beim Schreiben dieser Zeilen, dass es bei der Getränkestelle zuvor Gels gegeben haben müsste).
Ich steckte mir das von Yvonne netterweise gebrachte Gel ein und machte mich im Wanderschritt mit einem noch halb gefüllten Becher Cola trotzig auf den weiteren Weg.
Nach Straßenüberquerung ging es schon wieder hoch und ich wanderte weiter, es ging nicht anders. Ich hatte schon seit ein paar Kilometern etwas Angst um mich und wollte nichts riskieren, aber trotzdem ins Ziel. Der flotte Wanderschritt machte mir nichts aus und voran kam ich so ja trotzdem.
Ich habe wirklich sehr viele Eindrücke gesammelt, schöne und schlechte, aber leider fällt mir davon nur noch wenig ein.
Km 60: 6:07 h, die 7:15h werde ich nun definitiv nicht mehr schaffen, habe mich in diesem Bereich der Strecke aber tatsächlich wieder halbwegs erholt, kann wieder gut laufen, fühle mich dabei auch ganz gut. Die Getränkestelle „Suhler Ausspanne" ist zwar klein, bietet aber das von mir ersehnte Gel, mein eigenes soll eine Notration bleiben. Ich schlürfe ein Gel und spüle mit Wasser kräftig nach. 50 Meter später lässt sich ein Läufer von zwei Mädels massieren, der hats eigentlich gut, aber ich will jetzt laufen. UND: Scheinbar hat hier jemand meinen Schalter umgelegt, ich kann wieder laufen, juhu. Ich ziehe los, die letzten Kilometer anständig über die Bühne zu bringen.
Dann kommt die Verpflegung an/auf der Schmücke. Auch hier nehme ich nochmal eine Speckfettbemm (die 3. oder 4. des Laufes), die sind echt lecker und sollte es bei jedem Lauf geben. Teilweise waren die Schnittchen sogar liebevoll mit saurer Gurke und Schnittlauch belegt, der totale Wahnsinn.
An dieser Stelle will ich noch erwähnen, dass ich auch häufiger vom angebotenen Salz nahm, dies ins Wasser, den süßen Tee oder auf die Speckfettbemmen streute. Ich denke schon, dass auch das wichtig für meine „Genesung" noch während des Laufes war.
Nach der Schmücke geht es fast nur noch runter.
Km 65: 6:45 h. Hier denke ich mir, dass es zwar nur noch 7,7km sind, aber ich mit fast einer Stunde noch rechnen muss. Ich weiß ja nicht, ob und was noch passiert.
Aber ich kann jetzt wirklich wieder – gefühlt – flott zu laufen und gebe mich meinem wiedergekehrtem Ehrgeiz hin.
Bei km 68 gibt es nochmal was zu trinken, hier nehme ich mir aber wieder Zeit, will jetzt nichts mehr passieren lassen. Kühle mich sogar nochmals von außen.
Dann erwarte ich sehnsüchtig das Schild mit der großen 70, aber das kommt nicht, ich bin jetzt aber auch nicht so langsam geworden, im Gegenteil, hole ich jetzt doch viele wieder ein.
Die Strecke führt jetzt auch sehr deutlich bergab, was mir keine Probleme bereitet.
Auf einem breiten Forstweg mache ich meine 5. Pinkelpause (vermutlich hatte ich heute sogar zuviel getrunken, andauernd musste ich doch die Bäume gießen).
Dann zog ich wieder an, lief auch die letzten beiden Anstiege durch, was die anderen Läufer teilweise mit Respekt quittierten. Ich meinte nur, dass ich mich ärgere, dass es erst jetzt wieder ginge.
Endlich km 71: schon Wahnsinn so eine Zahl selbst erlaufen zu dürfen.
Weiter dran bleiben, 7:30h scheint nur wieder machbar. Links sehe ich nun schon Schmiedefeld.
Dann geht es über eine Straße, auf einem schmalen Weg entlang, wo viele Zuschauer sind und fleißig anfeuern, rechts auf eine Straße, hier sind viele Fussgänger, Musik höre ich schon länger, jetzt auch die Ansagen, Beifall.
Vor mir hatte ich vorhin schon Klaus-Dieter, einen supernetten Ultra aus Münchberg erblickt, jetzt bin ich fast an ihm dran. Die Zielgasse kommt näher.
Mannomann ist das krass, der Zieleinlauf des Supermarathons, ich darf das erleben. Die Uhr über der Ziellinie sagt aber, dass die 7:30 h just abgelaufen sind, kurz bremse ich, dann fällt mir aber die Nettozeit ein und laufe durch. Die Tränen stehen mir in den Augen, Yvonne sehe ich links auf einem „Hochstand", welchen sie extra für das Zielfoto erklommen hat. Ich strecke die Arme noch oben und laufe so die letzten 10 Meter.
Was für eine Stimmung!!!
Klaus-Dieter fällt mir voller Erleichterung in die Arme (er hat viel Zeit verloren, war anfangs ganz weit vor mir) und sagt aber sofort, dass es für sub 7:30h noch gereicht hat.
Dann falle ich MEINER Yvonne in die Arme und weine fast.
Beim x-ten Liter Getränk des Tages erzähle ich meine ersten Eindrücke Yvonne, ich kann es irgendwie noch nicht ganz fassen, dass es doch noch ganz passabel geklappt hat, obwohl ich zwischendurch arge Zweifel hatte. Gleichzeitig ärgere ich mich darüber und frage mich nach den Gründen.
Wir wollen dann Kartoffelpuffer essen, aber genau vor uns sind diese ausverkauft, so dass wir am nächsten Stand uns eine Bratwurst teilen, eine ganze mag ich jetzt nicht.
Ich hole mir gleich noch meine Urkunde ab und bin glücklich, dort die 7:29:39 h sehen zu können.
Nun steht der lange Marsch zum Auto auf dem Parkplatz am Ende der Schmiedefelder Bergstraße an, was für ein Anstieg, schlimmer noch ist aber 15 Minuten später der Abstieg, um wieder das Zielgelände zum duschen und feiern zu erreichen.
Die um 18:00 Uhr gestartete Läuferparty schlägt meine Vorstellungen deutlich. Die Trommler am Anfang heizen mit ihren tollen Rhythmen super. Später wird es eine wahnsinnige Lautstärke in diesem Zelt. Sprachlos bin ich dann beim Auftritt von Dr. Henne, er ist der Wahnsinn.
Balsam für die geschundene Läuferseele ist der nette Thüringer neben mir. Er ist den Marathon in beachtenswerten 3:49h gelaufen und bewundert mich nun ein bissel für mein Finish.
Kurz vor 22 Uhr werde ich dann müde, die Knie schmerzen von Sitzen jetzt schon länger, so dass wir unseren neuerlichen Weg zur Bergstraße antreten, ganz langsam.
Am Sonntag habe ich lediglich bis mittags noch die Knieprobleme. Ansonsten keine wirklichen Schäden davon getragen, nur drei harmlosere Blasen. Selbst während der langen Läufe und Wettkämpfe sonst obligatorischen Knieschmerzen waren während des Laufes nicht wirklich spürbar, was mich sehr gefreut hat, diesmal hatte ich halt andere Probleme.
Merkwürdig ist allerdings das entzündete Zahnfleisch am Unterkiefer.
Alles in Allem bin ich sehr froh den SM gelaufen zu sein, den Rennsteiglauf muss man mal erlebt haben.
PS: in meinem Blog gibts den Bericht garniert mit eine paar Bildchen