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Den Rennsteig gerockt! Mein erster HM

Den Rennsteig gerockt! Mein erster HM

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Durch Buchen Fichten Tannen, so schreit ich durch den Tag,
begegne vielen Freunden, sie sind von meinem Schlag.
Ich jodle kräftig in das Tal, das Echo bringt's zurück,
den Rennsteig gibt's ja nur einmal, und nur ein Wanderglück.

So schnell wie das aufregende Rennsteigwochenende begonnen hat, ist es auch schon wieder vorbei. Da bereitet man sich Wochen nur auf dieses Ereignis vor und schon sitze ich wieder hier am heimischen Rechner und versuche alles Revue passieren zu lassen...

Die letzten Tage davor...

war tapering angesagt. Es ist die Phase, in der man dem Körper Ruhe gönnt und ihn mit Kohlenhydraten und Wasser mästet. Ich will gar nicht wissen, wie viel ich in diesen Tagen zugenommen habe. Am Sonntag, den 10. Mai war mein letzter langer Lauf von 15 Kilometern. Er ging leicht „vom Fuße“ und machte Mut. Am 12. und 13. Mai ging es mir darum, noch ein wenig Tempo zu trainieren. Den ersten 8 km Lauf legte ich so in 55 Minuten zurück. Es tat richtig gut noch einmal Vollgas zu geben und die Aufregung wegzulaufen. Am Folgetag wollte dann natürlich gar nichts gehen. Ich war satt! Es ist ungefähr wie vor einer Prüfung, kurz vorher kann man den Stoff einfach nicht mehr sehen! Ich schlüpfte in die Laufschuhe und hatte so gar keine Lust mehr, auch wenn es nur 8 Kilometer sein sollten, 5 davon im Intervall, ich hatte einfach keinen Bock, die Nase voll - ich war es leid! Dieses negative Gefühlsgerüst fühlte sich natürlich so kurz vor dem Wettkampf gar nicht gut an.


Donnerstag und Freitag wurden dann die Beine ruhig gehalten. Nur futtern und trinken war die Devise - natürlich auch den Alltag meistern - aber eben kein Training mehr. Das hat wirklich gut getan.

Der Abend zuvor...

Am Freitag versuchte ich noch ruhig zu bleiben - so weit es eben möglich ist, wenn man seine Laufsachen zusammenlegt und in eine Tasche packt. Die Fahrt ging auch noch, ich hatte mein Nervenkostüm gut im Griff und beim kleinen Zwischenstopp in Schmiedefeld, wo mein Freund ein paar Bekannte aus einem Lauf-Forum traf, war ich auch noch in guter Verfassung. Es war eine nette Runde, in der wir beide die einzigen Halbmarathonis waren. Mir schlug schon doch einige Verwunderung entgegen, als sie zu Ohren bekamen, dass ich effektiv vielleicht 2 Monate trainiert habe - ja - zu diesem Zeitpunkt kam sie dann, die Panik, ganz leise pirschte sie sich an mich heran.

Es ging dann weiter, nach Oberhof, um unsere Startunterlagen abzuholen. Da hatte sie mich gepackt! Die Ehrfurcht und Angst saß mir im Nacken. Ich bekam einen schönen grünen Plastebeutel, in dem meine Startnummer und eine Anstecknadel, nebst Werbung und anderen Kleinigkeiten verstaut waren. Nun war es für mich greifbar - „morgen geht es wirklich los. 21 km auf einer mir unbekannten Strecke unter noch ungewissen Begebenheiten.“ Würde es wirklich zu unserem Laufstart trocken bleiben?

Die Nacht...

war scheußlich. Wir schafften es erst 23 Uhr ins Bett und es war klar, dass wir morgens, Dreiviertel 5, aufstehen müssten. Obwohl ich sehr müde war konnte ich nicht gut schlafen. Ich hatte furchtbare Angstträume. Ich würde mich im Wald verlaufen, ich würde nicht über die Matten zur Start- und Zielmessung laufen, ich würde den Chip verlieren. Alles war ganz düster und nass, als wäre ich allein im Alten Wald von Tolkiens Herr der Ringe. Immer wieder drehte ich mich im Halbschlaf unruhig in den Laken.

DER Morgen...

Als der Wecker klingelte und ich realisierte, dass es nun in nicht mal 3 Stunden losgeht, war ich ein nervliches Frack- nur bemüht alles noch schnell anzuziehen, nichts zu vergessen! Gefreut habe ich mich über den frühen Gruß einer Freundin, die uns eine aufmunternde Zeile in der Nacht geschrieben hatte. „Ihr werdet den Rennsteig rocken!!!“ - so sicher war ich mir da allerdings nicht.

Die spärliche Zeit, die uns verblieb, um uns Startklar für die Fahrt nach Oberhof zu machen, sorgte dafür, dass ich zumindest in dieser Zeit meine Nerven im Griff hatte. Ich trank schnell meinen Guten Morgen Kaffee - ohne den ich nicht gesellschaftsfähig bin, aß eine Banane, biss dreimal in mein Brötchen, friemelte nervös meine Startnummer an mein Laufshirt, darauf den Zeitmessungschip in die Chiphalterung am Schuh. Die Stunde bis zum Aufbruch verging so wahnsinnig schnell, da saßen wir auch schon im Auto und fuhren auf der Autobahn nach Oberhof. Alles verlief nach Zeitplan, doch war ich dennoch sehr nervös. Mein Läuferflüsterer hämmerte mir noch einmal auf meinen Wunsch hin die Strecke in den Kopf. Die ersten 6-7 km bis zum Beerberg bergauf, dann bergab, dann zwischen Kilometer 14 und 16 noch ein Anstieg. Rest bergab. Es galt die Devise: „Kenne deinen Feind und wisse, wer deine Freunde sind“. Noch im Auto schrieb ich meinem Bruder, der später als Zuschauer nach Schmiedefeld kommen wollte, dass er mit meiner Ankunft erst nach 3 Stunden plus X rechnen sollte. Ich traute mir nicht sonderlich viel zu.

Kurz vor dem Startschuss in Oberhof...

nun waren wir da. Es galt sich noch schnell von überschüssigem Wasser zu trennen und wohl jeder Läufer kennt sie, die Dixie-Klos. Immer wieder eine ganz eigene Erfahrung. Aber was will man machen, wenn die Blase drückt und man als Frau sich nicht mal so einfach an den Strassenrand stellen und das Unkraut wässern kann. Da muss man durch.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie ich mich kurz vor Laufbeginn fühlte, jedenfalls legen die Familienfotos ein deutliches Zeugnis ab. Auf ihnen wirke ich doch recht ängstlich und angespannt.


In den Startblöcken...

Nach dem wir uns von unseren Begleitern verabschiedet hatten, galt es auch sich voneinander zu trennen. Ricky hatte sich deutlich früher gemeldet und so noch in den 5. Block geschafft, ich hingegen musste in den letzten - den 6. Block und wartete dort angespannt auf den Start. Die Stimmungsmusik nahm ich nur am Rande wahr. Ich war einfach beeindruckt von den Massen, die bis vorne zum Startpunkt relativ dicht gedrängt standen, von einem Bein auf das andere hüpften und wie ich auf den Startschuss warteten. Ein kurzes Zwiegespräch hatte ich mit einer Läuferin, die zu ihren Großeltern sagte, dass sie ganz allein laufen müsse und sich bestimmt vom Tempo der anderen zu sehr mitziehen lassen würde. Ich sprach sie an um herauszufinden, in welcher Zeit sie denn ankommen wolle. Als sie 2 Stunden sagte, meinte ich, dass das dann wohl nicht passen würde, denn ich wolle nur ankommen. So weit hatte ich mein Ziel nun schon nach unten korrigiert, keine drei Stunden mehr, nein - ankommen.


Startschuss...

Nun setzte sich Block für Block in Bewegung und gegen 7:40 Uhr ging es auch für Block 5 und 6 los. Ich ging es sehr sehr langsam an. Bald war ich im hintersten Drittel des letzten Blocks, doch als es dann von der Strasse weg in den Wald hinein ging, beschleunigte ich dann endlich. Es ging mir auch gut. Meine Waden fühlten sich kein Stück hart an und ich hatte sonst auch nicht über Zipperlein zu klagen. Die ersten 3 Kilometer legte ich so in 24 Minuten zurück. Mit jedem Kilometer ging es dann jedoch schneller und besser voran. Es war sehr aufregend. So viele Läufer mit dem selben Ziel und dann so viele nette Grüppchen an den Rändern, die einen anfeuerten. Ich musste viel Grinsen und war richtig glücklich. Der Weg zum Beerberg war jedoch nicht ohne für mich. Stücke, an denen ich realisierte, dass andere gehend schneller sind, als ich laufend, ging ich dann auch. Immer dieser Gruppenzwang . Jedoch spurtete ich dann auch immer öfter zwischen den Gehenden hindurch und kam richtig in fahrt. Ich war schon überrascht, dass ich so manchen steilen Kilometer zum höchsten Punkt des Laufs mit 8 Minuten bewältigte. Allerdings drängte sich auch manchmal der Gedanke auf, dass ich noch lange nicht die Hälfte geschafft habe und mich doch um Himmelswillen nicht auspowern sollte! Nach dem Beerberg strahlte ich die stimmungsmachende Bevölkerung an.

Es ging langsam, dann immer deutlicher und steiler hinab, es fühlte sich gut an, über Stock und Stein, wie ein Geißlein zu springen - doch wurde mir die Gefahr dessen dann später sehr bewusst, als ein alter Mann stürzte und eine schlimme Platzwunde auf der Stirn hatte. Wir Läufer blieben stehen, die, die zuerst bei ihm waren, halfen ihm auf. Es war kein schöner Anblick. Ich beschloss, wie andere auch, lieber nach vorn zu spurten und einen Sanitäterpunkt zu erreichen. Als ich dort ankam, liefen sie bereits in die Richtung. Ich war erleichtert, dass der Punkt nicht so weit weg war, vielleicht 100 Meter. Aber diese Erfahrung ließ mich für einen großen Teil der Strecke einfach nicht mehr los. Natürlich lief auch ich nun hoch konzentriert die schwierigen Kilometer nach unten, es war wirklich sehr steinig und einmal blieb auch ich fast hängen und stolperte - konnte mich aber noch fangen. Der Unfall beherrschte noch lange meine Gedanken und so verstrichen Kilometer, ohne dass ich die Kilometerschilder wahrnahm. Erst bei Kilometer 13 bekam ich wieder einen Blick für den Rennsteig. Dicke Nebelschwaden ließen ihn geheimnisvoll und auch ein wenig spooky wirken. Der Nebel lichtete sich bei Suhl. Dort hatte mich der Rennsteig dann endlich in seinen Bann gezogen. Ich hielt mehrmals an, um ein Foto vom Tal zu schießen. Es war traumhaft. Die Strecke war nun auch endlich weniger gefährlich, eine Art Kieselweg in schönem Rot-braunton.



Die nächsten Kilometer verflogen nur so. Erstaunt betrachtete ich meine Uhr und sah, dass ich bereits 2 Stunden unterwegs war, jedoch schon Kilometer 14 oder 15 hinter mir gelassen hatte. Es war sehr spannend viele Läufer zu überholen und ohne es wirklich bewusst zu wollen, wurde ich immer schneller und lief selbst die letzten Steigungen recht zügig nach oben. Es fehlten bald nur noch 5 Kilometer und schon bald ging es immer stärker bergab und ich gewann immer mehr an Fahrt. Zwei Kilometer schaffte ich so in je 5 Minuten. Den letzten Kilometer sprintete ich in etwa 4:30 min ins Ziel.

So stand ich mit 2:36:00 auf dem "Tacho", aber mit sehr zittrigen Beinen, hinter dem Ziel und schleppte mich dann Richtung Versorgungsposten. Verdammt stolz schrieb ich meinem Schatz, der mit mir erst nach 3 Stunden rechnete, ein „Bin schon da“ per SMS.

Der Rest ist Geschichte und mein höllischer Muskelkater wird es hoffentlich auch bald sein!


P.S.: die Kilometerangaben sind aus dem Gedächtnis heraus und erheben keinen Anspruch auf Korrektheit- aber ungefähr müsste es passen

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:daumen: Klasse! Und ein sehr toller Bericht, danke :D

Hast du den oben auf dem letzten Berg auch gesehen, der "Ab hier gehts nur bergab!" gerufen hat? Er war super, hat mir sehr geholfen, obwohl ich zuerst skeptisch war und fragte ihn, "Ehrlich?". Er antwortete, "Ja, ehrlich, versprochen!!!" und dann habe ich mich getraut los zum Ziel zu sprinten...

Ich selber hatte so eine super Erfahrung beim HM gemacht dass ich weiß nicht ob ich nä. Jahr doch einfach das gleiche machen soll. Werde zumindest weiter Vorne am Start stehen dürfen. Aber, ich will auch den Marathon laufen... am liebsten alle beide, lol.
Kulmbach:Wo die Hasen Hosen haßen und die Hosen Husen haßen

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Hallo,

toll, dass es so gut gelaufen bist. Es war schön dich in Schmiedefeld kennengelernt zu haben und jetzt deine wunderschönen Bericht zu lesen. Bis nächstes Jahr.

Jörg
Neue Laufabenteuer im Blog

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Willie_G hat geschrieben:
Hast du den oben auf dem letzten Berg auch gesehen, der "Ab hier gehts nur bergab!" gerufen hat? Er war super, hat mir sehr geholfen, obwohl ich zuerst skeptisch war und fragte ihn, "Ehrlich?". Er antwortete, "Ja, ehrlich, versprochen!!!" und dann habe ich mich getraut los zum Ziel zu sprinten...
*grübel* Ja- ich glaube den habe ich zumindest gehört.

Ich erinnere mich allerdings mehr an eine Wanderin, die uns Läufern ihre Kippe entgegenstreckte und fragte: "Na, wer will mal ziehen" und das auf den letzten Metern zum höchsten Punkt des Laufs. Ich hab die angesehen und angewidert "bähhhhh" gebrummt ;). Mal davon abgesehen, dass man gegen das unfreiwillige Ziehen an ihr vorbei ja so gar nichts machen konnte. :mundauf: :kotz:

Ansonsten ist mir noch sehr lebhaft der Motivationsmeistro im Gedächtnis geblieben, der "Nur noch 500 m" gerufen hat. Der war genau richtig für den Endspurt positioniert.

19joerg61 hat geschrieben: toll, dass es so gut gelaufen bist. Es war schön dich in Schmiedefeld kennengelernt zu haben und jetzt deine wunderschönen Bericht zu lesen. Bis nächstes Jahr.
Dankeschön! :hallo:
:winken:Laufen auf Abwegen:hallo:

Wettkämpfe:
Rennsteig Halbmarathon '09

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Hallo Sunny!

Nach nur zwei Monaten Lauftraining so ein Ergebnis - das verdient auf jeden Fall :respekt2: .
wei Kilometer schaffte ich so in je 5 Minuten. Den letzten Kilometer sprintete ich in etwa 4:30 min ins Ziel.


Aus deinen Kilometerzeiten zum Schluss erkennt man, dass du noch jede Menge Potential hast.
Viel Spaß beim Trainieren und für die kommenden Laufvorhaben.

Liebe Grüße

Wolfgang

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So ähnlich habe ich auch meinen ersten Rennsteig erlebt und nun komme ich nimmer los von diesem Lauf. Wie siehts bei dir aus, hast du schon Lust deinen Erfolg 2010 zu wiederholen?
Herzliche Glückwünsche und weiterhin gute Erholung.
Alles Gute,
Cathleen
Gesperrt

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