Wie immer ist dieser Termin für die lange Runde reserviert. Da die üblichen Verdächtigen in Urlaub sind, werde ich alleine laufen müssen. Ist aber nicht schlimm, da kann ich mal meinen Gedanken nachgehen und mich an der Natur erfreuen.
Kurz bevor ich starte geht meine Frau aus dem Haus. Sie wünscht mir einen schönen Lauf und erinnert mich noch daran, dass wir am Nachmittag etwas Gemeinsames vorhaben: „Übertreib es also bitte nicht. Und vergiss nicht, die Fenster zu schließen, es sieht so aus als würde es noch regnen.“
Ich gelobe es. Nach einer Weile raffe ich auch meine Utensilien zusammen, schließe das Haus sorgfältig ab und trabe los.
Herrlich. Ich bin mit mir und meiner kleinen Welt zufrieden. Wenig los heute. Die Vögel zwitschern, der Himmel ist zwar bedeckt, aber es ist angenehm warm. Ich trabe gemütlich vor mich hin und genieße das Longjogg-Tempo, das Leben kann so einfach und schön sein ..
Nach gut einer dreiviertel Stunde klatschen erst vereinzelt, dann immer stärker dicke Tropfen vom Himmel.
Ich habe es kaum bemerkt, aber es hat sich auf einmal richtig dick zugezogen, der Himmel ist schwarz geworden. Ein paar Minuten später kübelt es wie aus Eimern.
Macht mir nix, ich bin schön eingelaufen, es ist warm und so ein Schauer – man ist ja nicht aus Zucker. Zucker? Und dann durchzuckt es mich: Ich habe die beiden Dachflächenfenster nicht geschlossen!

Vor meinen geistigen Augen kann ich sehen wie sich die Wassermassen in Sturzbächen auf das Parkett ergießen, die Schrägen herunter laufen. Vor ein paar Jahren haben wir erst alles ausgebaut. Ich bin so gut wie tot, meine Holde wird mich in Streifen schneiden und zu Hundefutter verarbeiten! Es klingt mir noch im Ohr: „Und vergiss nicht, die Fens..“
Mir wird heiß und kalt zugleich. Ich stehe mitten in der Botanik, die ich eben noch so genossen habe. Denk nach! Anrufen! Bescheid sagen! Gute Idee, die aber zum einen ein Telefon voraussetzt (was ich natürlich nicht dabei habe) und zum anderen jemanden, der einen Schlüssel hat und in das Haus kommt.
Das Adrenalin gibt mir einen Riesenkick. Aus dem eben noch gemütlichen Longjogg-Tempo wird WSA-Training. Nach einer Weile merke ich wie absurd das ist. Selbst wenn ich an meine Grenzen gehen würde, bin ich noch gut 20 Minuten von zuhause entfernt. Ich resigniere und reduziere das Tempo wieder.
So ein Mist, das hätte so ein schöner Sonntag werden können. Ich sehe es förmlich vor mir, das aufgequollene Parkett, die feuchten Wände. Keine Versicherung wird dafür aufkommen, was das wieder kosten wird?
Ich biege gefühlte 2 Stunden später in meine Straße, inzwischen ist der Schauer vorbei. Mit HFmax öffne ich die Tür und sprinte nach oben um mir die Bescherung anzusehen …
Beide Fenster sind geschlossen, alles ist trocken wie in der Wüste Gobi! Entwarnung! Ein gnädiges Schicksal hat mich also doch die Fenster schließen lassen, ich habe nur geglaubt, ich hätte sie nicht geschlossen. Ich kann mein Glück kaum fassen, alle Aufregung war umsonst ..
Einige Zeit später kommt meine Frau heim. „Na, wie war’s? Hattest Du einen schönen Lauf so alleine?“
„Och, ja klar, war ganz okay ..!
