Kräftiges Futter können wir alle brauchen. Schließlich steht am Sonntag der 30. Berlin-HM an - und die meisten von uns wollen, so unterschiedlich die Ziele auch sind, eine respektable Zeit laufen

Ulf will Binchen zur 1.44.xx ziehen, Jeannette spekuliert auf eine Zeit unter 2 Stunden, BjörnTepper kämpft noch mit den Nachwirkungen seines Bike-Sturzes, lässt sich aber nicht von einem Start abhalten.
Chris darf nur zusehen, da er nach einer Verletzung erst wieder in die Gänge kommen muss. Aber er wird uns auf jeden Fall anfeuern.
Und ich? Tja - ich rechne mir gar nichts aus. Bekanntlich war mein Training heuer suboptimal ("grottig" wäre der passendere Ausdruck

Ich bin, wie jedes Jahr, mit Gudrun schon am Freitag angekommen. Der Air Berlin-Flug, das Quality Hotel in Berlin Tegel - alles hat auch heuer wieder bestens geklappt.
Den Freitag Nachmittag nützen wir für einen ausgiebigen Bummel durch die Schlossallee und die Gärten im Schloss Charlottenburg. Danach geht es noch zum Charlottenburger Rathaus und abschließend in die City zum Hackeschen Markt.
Freitag war es noch schön warm. Der Samstag gibt sich dagegen in Grau gehüllt. Manchmal nieselt es ganz fein. Wir besichtigen das Sony Center und lassen uns anschließend von der unglaublichen Sammlung in der Neuen Nationalgallerie an der Potsdamer Straße begeistern. In dem von Mies van der Rohe geplanten, schlichten Bauwerk, hängen Werke von Richter, Schmidt-Rottluff, Heckel, Klee, Kandinsky, Dali, Miro, Edvard Munch, Max Ernst und Max Beckmann und noch vielen anderen.
Wer noch nicht dort war: Dieses Museum muss man besucht haben

Danach geben wir uns den Kontrast der Startnummernausgabe in Berlin-Tempelhof. Ich ergattere ein paar quietschbunte Asics Gel-Noosa die perfekt sitzen und noch eine Hose und zwei Leibchen von Newline.
Sonntag 10.45 Uhr:
Ich stehe im Startblock B und es regnet leicht. Meine Laune hat sich dem Wetter angepasst - ich hasse diesen Scheiß

Aber was soll's: Ich bin nun mal da. Und als der Startschuss kracht, setze ich mich brav in Bewegung. Ich trabe nach cirka 35 Sekunden über die Startlinie, drücke den Startknopf meiner treuen Beurer und - ab geht die Post.
Ich halte mich mit dem Tempo zurück, werde für die ersten Minuten von einigen auch dementsprechend rasant überholt, aber das kratzt mich nicht.
Bei der Humbold-Universität steht Gudrun, fotografiert, lacht und winkt und wirft mir einen Kuss zu. Dass will ich bald wieder haben, daher drücke ich etwas aufs Tempo - und siehe da, bei 4.55 passiere ich das erste Kilometerschild.
Brandenburger Tor, Siegessäule, Ernst-Reutter-Platz - mit jedem Kilometer wird der Regen etwas stärker. Mit dem leichten Gegenwind nervt er mich ziemlich. Aber motz nicht. Du bist freiwillig hier. Also Schnauze und Konzentration auf die Strecke.
Beim Schloss Charlottenburg trau ich meinen Augen nicht: Blauer Himmel tut sich auf, die Sonne kommt heraus und begleitet mich und die zig-Tausenden Läuferinnen und Läufer von dort weg praktisch bis ins Ziel

Die Strecke zwischen dem Schloss und der Einmündung in den Kurfüstendamm gefällt mir. Es ist immer was los. Das Publikum scheint mit der Sonne auch gleich um einiges munterer und feuert uns kräftig an.
KM 10: Ich liege mit 54.50 voll auf Kurs. Ich weiß zwar nicht, welcher Kurs das sein soll, aber ich fühle mich ganz gut und denke, dass ich wohl nicht einknicken werde. Irgendwas unter 1.50 wird es sicher werden.
Wolfgang - ruft es da. Chris hat mich irgendwo bei KM 12 das zweite Mal in der Läufermasse entdeckt und fotografiert mich.
Ich passiere kurz später die Gedächtniskirche und schnappe mir an der nächsten Versorgung einen Becher Wasser. Irgendwie freut es mich im Moment nicht besonders und ich lasse mit dem Tempo nach.
Meine Kilometerzeiten liegen in der Folge so bei 5.15.
Mein kurzer mentaler Hänger hat sich aber bald wieder von Dannen gemacht und irgendwas in mir kommandiert

500 Meter vor dem Ziel rausche ich an Gudrun vorbei. Ich bin so schnell, dass sie mich fast übersieht und ich mehrmals rufen muss.
Dann geht es über die letzte Brücke, ich sehe den Zielbogen, und zack - schon bin ich durch.
1.46.08 sind es schließlich geworden.
Ich bin zufrieden. Treffe im Ziel auf Binchen und Ulf und dann noch auf ShortStop.
Binchen hofft, heuer die 1.45 unterboten zu haben. Im Vorjahr haben ihr dazu genau 2 Sekunden gefehlt. Sicher ist sie aber ebenso wenig wie Ulf. Beide hatten mit ihren Uhren Probleme.
Kurz später ist es gewiss: Binchen hat mit 1.45.01 exakt die gleiche Zeit erreicht wie 2009. Wieder fehlen ihr die 2 Sekunden (besser gesagt, hat sie 2 davon zuviel). Natürlich ist sie enttäuscht, aber ich bin sicher, dass sie ihr Ziel heuer noch erreichen wird

Im Cafe Balzac neben dem DomAquaree trudelt später ein Haufen Foris ein. Es gibt noch eine Reihe von Bestzeiten und tolle HM-Premierezeiten zu vermelden.
Holgii, Nobby, ein weiterer Laufkumpel von Holgii (sorry, aber ich hab seinen Namen verschwitzt) ShortStop, Binchen, Ulf, Gudrun und ich sitzen später noch am Hackeschen Markt bei Lasagne, Pizza und Bier und lassen so manchen Streckenabschnitt noch einmal Revue passieren.
Ich bin, angesichts meines Trainingspensums, zufrieden mit meiner Zeit. Da wichtigste aber: Es war wieder eine wunderschöne Berlin-Reise.
Liebe Grüße
Wolfgang