Wie kommt man überhaupt nach Custoza? In meinem Falle war es der Bericht von Udo, der dort 2007 gelaufen ist.


Über den ADAC hatten wir eine Unterkunft in einem Agritourismo gebucht. Da wir auf dem Lande wohnen sind wir etwas lärmempfindlich, weshalb wir uns auch für eine teurere und vermeintlich bessere Unterkunft entschieden. Um es vorweg zu nehmen, es war in dieser Beziehung ein Flopp. Die Wände dienen dort lediglich als Sichtschutz. Da unsere Nachbarn aber explizit Nachtmenschen waren und anscheinend auch diverse Meinungsverschiedenheiten austragen mussten verbrachten wir zwei ziemlich schlafarme Nächte.

Am späten Nachmittag fuhren wir noch nach Borghetto, das Udo in seinem Bericht so bewundernd beschrieben hat. Zu recht, wie wir feststellen konnten.

Nach der ersten sparsamen Nacht gab es typisches italienisches Frühstück. Wie im Süden üblich allerdings etwas spärlich. Aber es ging ja auch nur ums Überleben.Leider waren die Brötchen so trocken, dass sie auch locker eine komplette Küchenrolle von Zewa in puncto Saugfähigkeit in den Schatten gestellt hätten. Um den Tag möglichst frei gestalten zu können fuhren wir zunächst zum Start bei der Villa Venier in Sommacampagna. Meine Hoffnungen erfüllten sich, es herrschte reger Betrieb und irgendwo fand sich auch jemand, der mir meine Startunterlagen geben konnte. Barzahlung vor Ort war auch schon wie bei Udo kein Problem und nach einem ärztlichen Attest wurde auch nicht gefragt. Ob man in Deutschland seine Startunterlagen auch Stunden vor der offiziellen Öffnungszeit bekäme?
Danach besichtigten wir Verona, das uns mit ausgesprochener Sauberkeit und vielen schönen Gebäuden überraschte. Einen Vormittag sollte man hier schon einplanen. Danach ging es zum Gardasee in den Ort Peschiera, dessen Besichtigung ich auch empfehle, wenn man schon einmal dort ist. Nette Gassen laden in der Altstadt zum Flanieren ein. Details lassen sich besser einem Reiseführer entnehmen. Von dort fuhren wir weiter nach Sirmione. Da dieser Ort bekannt, wenn nicht sogar berühmt ist, ist alles auf Tourismus eingestellt. Man sollte ihn sich trotzdem einmal ansehen, obwohl er trotz seiner Geschichte etwas Unnatürliches ausstrahlt. Bei Preisen von 270,- € für 100 ml Acetato Balsamico (kein Witz) auch kein Wunder. Fatalerweise haben wir dort auch zu Abend gegessen, aber es war reine Massenabfertigung.

Am nächsten Morgen ließ uns das Handy im Stich und statt um 06:30 Uhr zu klingeln versagte es seinen Dienst.

Nachdem wir hurtig unser Gepäck im Auto verstaut hatten ging es auch schon Richtung Sommacampagna. Auf der Strecke kamen uns diverse Teilnehmer der anderen Läufe entgegen, mit denen wir uns die Straße teilen mussten. In der Tat gibt es hier wie so oft im Süden keine Fahrrad- oder Fußgängerwege. Mit etwas Glück sind die Straßen manchmal etwas breiter, so dass neben der Fahrbahnbegrenzung noch ein Streifen übrig bleibt. Offensichtlich kam es bislang aber wohl nicht zu schwereren Unfällen, so dass man diese Praxis beibehält. Trotzdem war mir etwas mulmig zumute.
Von organisiertem Parken, wie Udo es beschrieben hatte, war allerdings nichts mehr übrig. Völliges Chaos und wir mussten abseits in einem Wohngebiet parken, das auch schon völlig zugestellt war.In diesem Fall war der Uno ein wirklicher Vorteil. Trotz der Sucherei kamen wir noch pünktlich an den Start. Am Eingang für die Läufer wurde noch einmal deren Nummer abgehakt. Vermutlich wollte man genau wissen, wie viele Läufer tatsächlich auf die Piste gehen. Ohne große Show ging es dann auch gleich los. Ziemlich flott sogar für meinen Geschmack, obwohl ich mich im letzten Drittel eingeordnet hatte. Noch einmal Winken und die schnatternde Masse verschluckte mich. Da es von Udo schon eine gute Streckenbeschreibung gibt, beschränke ich mich auf einige Abweichungen und persönliche Erlebnisse.
Jeder hat so seine Pläne und mein Ziel war ein knappes sub 4h. Das witterungsbedingte magere Wintertraining, das für meine Verhältnisse anspruchsvolle Geländeprofil und die angenehmen, aber deutlich höheren Temperaturen, gemahnten zur Vorsicht. Die ersten Kilometer wurden von freundlichem Sonnenschein erhellt. Allerdings hatte es in der Nacht geregnet und die steigende Luftfeuchtigkeit wurde fühlbar. Die anfänglichen Steigungen der Strecke waren aber moderat und entsprachen meinem Trainingsniveau. Die Italiener sind sehr mitteilungsfreudige Menschen und dementsprechend war die Geräuschkulisse. Lästig waren eine Reihe Radfahrer die, ob als Begleiter oder auf eigenen Wegen, in der Menge mit schwammen. An Überholen war auf den schmalen Wegen nicht zu denken. Beim Anstieg nach Custoza, im wahrsten Sinne des Wortes dem ersten Highlight, wurde es aber fast schlagartig ruhiger und aus dem Läuferknäuel wurde eine Schlange. Der Blick auf meine Pulsuhr zeigt mir den zweiten elektronischen Ausfall dieses Tages an. Mein Puls blieb konsequent bei 86 stehen

Auf dem Gipfel des Berges über Custoza thront das Ossario, das wir noch am Freitag besucht hatten. Darin werden die Gebeine von Soldaten verschiedener Nationen aus den Befreiungskriegen von 1866 verwahrt. Vom Turm aus hat man einen erstklassigen Ausblick in die Umgebung. Der Turm ist auch während des Laufes eine gute Landmarke um die eigene Position zu bestimmen.
Mein Darm fing an zu grummeln, beruhigte sich aber wieder nach einiger Zeit. Langsam wich der Sonnenschein einer sich verdichtenden Wolkendecke, was sich aber weder auf die Temperatur noch die Luftfeuchtigkeit auswirkte. Ab und an wurde ich dank meines Shirts mit aufgedrucktem Namen gefragt, woher ich denn komme. Da mein Italienisch aber nur zum Eiskaufen reicht und die Italiener meist auch kein kommunikationsfähiges Englisch beherrschen blieben intensivere Gespräche aus.
Obwohl wir schon am Freitag in Borghetto waren, war die Ankunft an der Brücke einfach hinreißend. Die Strecke war auch so angelegt, dass man keine Perspektive verpasste, wofür ich dem Planer immer noch dankbar bin. Direkt im Anschluss stießen wir auf den Mincio und ich war doch etwas enttäuscht, da er an dieser Stelle in ein Betonbett gepresst wurde. Erst ein paar Kilometer weiter floss er wieder in seinem natürlichen Bett und links und rechts dehnte sich die naturbelassene Landschaft aus. Lediglich einige Regentropfen begleiteten uns eine Zeit lang.
Die Verpflegung verdient auch eine Erwähnung. Fleißige Helfer waren genug vorhanden. Gereicht wurde Wasser, manchmal mit, manchmal ohne Kohlensäure. Es gilt also auszupassen, da dies nicht sofort erkennbar ist. Dazu Eistee und Limonade. Die Becher waren ziemlich klein, weshalb es sich empfahl direkt zwei zu nehmen. Ebenfalls angeboten wurden Kekse, Zuckerwürfel, getrocknete Pflaumen, Rosinen und Apfelsinen. Aber keine einzige Banane.
Aber an Essen war eh nicht zu denken, da mein Darm mir deutlich zu verstehen gab, dass er noch vor dem Ziel tätig werden wollte.

Als die Strecke vom Mincio abbog überholte ich den ersten Geher, was mich dann doch erstaunte. Es waren gerade mal 28 km geschafft und davon die letzten 10 wirklich flach. Aber nach den Gründen konnte ich nicht gut fragen. Der folgende Anstieg war dafür ziemlich heftig. Die dazwischen liegende Straße wurde von zwei Helfern gesperrt und die Autoschlange ließ vermuten, dass dies schon seit einiger Zeit der Fall war. Diese These wurde auch von erregtem Gehupe unterstützt. Auf der Steigung erhöhte sich die Zahl der Geher gut auf die Hälfte der Läufer in meiner Umgebung.
Zuverlässig bei km 30 wartete meine Frau

Entspannt läuft es sich auf jeden Fall lockerer. Wobei entspannt relativ zu sehen ist, meine Oberschenkel meldeten schon ungewohntes Terrain. Bei km 32 konnte mich dies aber nicht mehr wirklich erschüttern. Nur noch 10 km. Bei km 34 erwartete uns allerdings ein sauberer Anstieg nach San Rocco und der Lauf verkam zu einer Wanderveranstaltung. Die Schwüle und die Distanz forderten ihren Tribut. Es kam mir schon komisch vor als einer der wenigen noch zu laufen. War ich ein unhöflicher Gast?
Bergab lockerten sich die Muskeln auch nicht merklich. Immerhin konnte man etwas Zeit aufholen. Aber schon ging es auf einen ungepflasterten Weg, der aber zumindest eben war und wenig Fahrspuren aufwies. Das Gehöft, dem dieser Schlenker diente, ist allerdings noch viel imposanter, als man es mit der Kamera festhalten könnte. Mit einem gewissen Stolz frug mich ein Italiener, ob es mir gefalle. Was für eine Frage! Gepflastert oder nicht, generell sind die Straßen in einem schlechten Zustand und weisen viele, teils tiefe, Schlaglöcher auf. Solides Schuhwerk ist bei diesem Lauf also sehr empfehlenswert.
Bei km 38 ging es noch einmal einen Weinberg hoch. Doch hier kapitulierte ich.


Im Ziel gab es erst einmal die obligatorische Medaille. Dann wurde es allerdings etwas schwierig, aber letztlich fanden wir dann auch die Ausgabe für die Geschenke. Gegen Rückgabe des Chips gab es drei Flaschen des Bianco di Custoza, eine Tüte Nudeln und ein Stück Hartkäse mit einer sehr praktischen Reibe


In Summe aber dennoch eine tolle Veranstaltung in einer schönen Umgebung und wir werden gerne wiederkommen.

Der Meinung sind nicht nur wir. Aus anfänglich 455 Finishern sind in diesem Jahr 676 geworden.