Nachdem ich meinen "Heim"-Marathon in 2009 schweren Herzens wegen eines hartnäckigen, grippalen Infektes absagen musste, war mit der Vorlage und Einreichung des Attestes klar: für Frankfurt wird für 2010 in jedem Fall gemeldet (10 EUR Ummeldegebühr, ob ich laufe oder nicht)!
Und in der Tat war nach meinem schönen Debüt im Frühjahr beim Hamburg Marathon lange Zeit nicht klar, ob ich wirklich in Frankfurt an den Start gehen (wollen) würde.
Zuerst gab es allerdings Ende Juni eine geplante 3wöchige Sportpause wg. einer kleinen OP, daran anschließend aber dann noch einen 4wöchigen Urlaub am anderen Ende der Welt, der richtiges Training einfach nicht zuließ.
Somit war ich mehr oder weniger 7 Wochen weg vom Schuss, bis auf ein paar lockere Läufe mit max. 10-12km.
Aber die Lust auf einen zweiten Marathon dieses Jahr war da und warum sollten 13 Wochen Vorbereitung nach unserer Rückkehr nicht auch reichen?!
Tja, sie reichen vielleicht nicht, wenn man aus der Laufpause mit Knieproblemen kommt (ITBS) und die Einheiten immer wieder abbrechen muss. Ende August und damit gute 2 Monate vor Frankfurt war ich kurz davor ein weiteres Mal auf diesen Marathon verzichten zu müssen.
Einem guten Arzt, einem noch besseren Physio, eigenem Engagement und der Voraussicht, dass mich die flotten MädelZ auch in einer ihrer Staffeln in Frankfurt würden mitlaufen lassen, sollte das Knie bis zum 31.10. nicht marathonfit werden, hatte ich es dann zu verdanken, dass sich das Blatt doch recht schnell wendete und ich ab Anfang September wieder fast voll trainieren konnte. Die langen Läufe musste ich vorsichtig ausdehnen, was aber glücklicherweise auch sehr gut gelang.
Damit war die Vorbereitung zwar verkürzt, aber sie lief direkt super an. Für mich unerwartet bin ich dann Mitte September HM-PB in 1:37:39 gelaufen und eine Woche später noch die 10er-PB und mein erster Sieg in 44:09.
JETZT wollte ich natürlich auch die Marathon-PB!
Damit galt es also 3:40 zu unterbieten!
Mit der HM-PB im Nacken sagte mir mein Trainingsplan (danke @schoaf

Einzig mit den langen Läufen haderte ich immer wieder etwas. Vielleicht auch immer etwas mehr im Kopf. Und am Ende standen da auch nur 4 (>= 30) auf dem Papier.
Mein selbst definiertes Ziel lag zwischen 3:29 und 3:39, aber ich war gewillt genug, die 3:29 zu versuchen, auch wenn ich wusste, dass das sehr euphorisch kalkuliert war. So gut konnte ich meine Trainingsleistungen dann doch analysieren, um festzustellen, dass ich so einen großen Sprung seit Hamburg nicht gemacht haben kann. Aber man sagt ja, beim ersten Marathon geht Zeit verloren, die man später nicht mehr verliert. Also, abwarten. Und jeder Versuch macht kluch!

Und außerdem hatte ich in den letzten Wochen meine persönliche Motivatorin, die mich immer wieder darin bekräftigte, es doch zu versuchen.

Los ging es also!
Das Marathon-Wochenende:
Ganz besonders freute ich mich auf die 6 flotten MädelZ (mika82, rote bohne, skippie, veloC, lowi und zee), die mit 2 Staffeln in Frankfurt gemeldet waren. Endlich würden wir uns einmal persönlich kennenlernen, wo unser Faden hier im Forum doch jetzt schon 1 Jahr alt ist.
Außerdem sollte ich ja auch noch mein flottes MädelZ-Trikot bekommen, was mika liebevoll für alle Staffelläuferinnen, sowie für mich und ein paar mehr flotte MädelZ im Vorfeld anfertigen ließ.
Samstag stand dann also das große Treffen an und wir hatten eine Menge Spaß. Zusammen ging es die Startunterlagen holen und auf der Pastaparty ein paar Kohlehydrate verdrücken. Die sympathische Runde komplettierten ein paar ZZZ (coldfire30, plankton und ric) und die Männer von skippie und veloC, sowie natürlich mein Eigener, der mich wieder einmal das ganze Wochenende liebevoll unterstützt hat.

Außerdem hatte ich die Möglichkeit, kurz jolly jumper und werdrunner auf der Marathonmesse Hallo zu sagen.
Nachdem ich aber bereits die letzten beiden Wochen sehr damit kämpfte, die hartnäckigen Erkältungsviren von meinem Mann nicht auch noch abzubekommen, war ich dann froh, gegen Abend die Beine auf der Couch ausstrecken zu können. Die Aufregung der letzten Tage legte sich etwas und ich hatte eine gute Nacht vor dem Lauf, auch wenn ich mich in der Gesamtheit vor anderen WK’s schon wesentlich fitter gefühlt habe.
Alles lief wie geplant und mein Mann und ich erreichten die Messehalle frühzeitig am Sonntag Morgen, um den Kleiderbeutel abzugeben und zum Foritreffen zu schlendern. Hier sollten wir uns alle und noch ein paar mehr wiedersehen (3fach, hadesnumb, Oli, funky, melrose



Langsam schlenderte ich zur Startlinie und nach ungefähr 2 Minuten war auch ich unterwegs. Irgendwie war ich nicht richtig angezogen und brauchte erstmal ein paar 100m, um alles zurecht zu rücken. In dem Moment rauschte cool-down an mir vorbei und wir wünschten uns gegenseitig einen guten Lauf. Kurze Zeit später tauchte Oli neben mir auf, fragte kurz nach der Pace, die ich laufen will (5er?), und verabschiedete sich ebenfalls mit guten Wünschen wieder von mir, allerdings nach hinten. Soweit ich mitbekommen habe, war das ein „Genusslauf“ für ihn. Auch schön.


Es ging zuerst einmal einen kurzen Schlenker durch die Innenstadt, um dann wieder an der Festhalle und dem Hammermann vorbeizulaufen. Es gestaltete sich nicht ganz leicht für mich, das Tempo zu treffen, aber ich lag auch nicht so weit daneben. Bei km2 in 4:53/km nahm ich etwas raus, bei km3 in 5:00/km legte ich wieder etwas zu. Das Tempo fühlte sich in Ordnung an, was sich aber nicht in Ordnung anfühlte, waren meine Beine. Vom Startschuss weg waren die irgendwie zu. Als hätte ich schon 80km diese Woche trainiert gehabt.

Wieder vorbei an der Festhalle versuchte ich in den Menschenmassen Ausschau nach meinem Mann zu halten – unmöglich! Wir hatten vereinbart, dass ich an den „Treffpunkten“ immer links laufe. Egal. Nach 3,5km war das ja noch nicht so wild.

In der Innenstadt war ordentlich was los – gerade die weißen Musiker vor dem Commerzbank-Tower haben Eindruck hinterlassen. Es ging zum ersten Mal an der Hauptwache vorbei, km7,5, und da taucht töffes neben mir auf. Wir unterhielten uns kurz, er stellte fest, dass er zu weit hinten gestartet ist und raunte mir zu, dass ich ja gut in der Zeit läge. Suuuuuuper – wie weit war das noch gleich bis in’s Ziel?! ;) Dann war er aber auch schnell nach vorne verschwunden. Kurz vor dem Opernplatz dann entdeckte ich meinen Mann am Straßenrand und freute mich.
Nicht lange später lief ich zu Achim Aretz (Rückwärtsläufer) und seiner Begleitergruppe auf. Cool, dachte ich mir. Hoffentlich überholt der mich nicht später wieder! Ein bisschen beobachtete ich ihn, aber dann zog ich weiter. Meinen großen Respekt für diesen Weltrekord! (Er sollte mich nicht mehr überholen.


Jetzt ging es langsam aus der Innenstadt heraus und dahin, wo es auch mal ruhiger an der Strecke wird. Irgenwie fiel mir mein trockener Mund auf. Die Sonne war voll da. Bombenwetter, aber ein paar mehr Wolken wären auch nicht so schlecht gewesen.

Dann ging es durch Niederrad und irgendwo hatte hier einer einen Fisch losgelassen. Überhaupt hat so Einges und manch einer manchmal sehr streng gerochen.

Die Devise hieß: einfach so weiterlaufen, solange es geht. Der Rest wurde ausgeblendet. Auch der junge Mann, der den Marathon mit einer Datingplattform verwechselte und dem ich höflich aber direkt sagen musste, dass mir das hier sehr Ernst wäre. Irgendwann war er zum Glück verschwunden. Oder hatte ich ihn wohlweislich abgehängt?!
Ein zweites Gel bei km22,5, zwischendurch mehr Wasser und auch mal eine Salztablette. Später wurde mir das Aus-der-Tasche-Gefuddel aber zu viel. Die eine sollte reichen oder eben nicht.
Meine Gedanken flogen zu Martin und seinem Köln Marathon, Ausstieg bei km25, irgendwie wurdes es gerade hart. Ich zählte immer wieder km rückwärts und machte mich damit auch ein bisschen verrückt. Die Pace wurde etwas langsamer, nur noch 4:58/4:59/km auf der Uhr.
Jetzt ging es an die Moral. Ich wusste, dass ich das hohe Tempo jetzt nicht mehr würde halten können, aber noch lag ich super in der Zeit. Ich nahm das dritte Gel bei km27,5. Von Schwanheim, Höchst und Nied nahm ich nicht so viel wahr.
Dann aber konzentrierte ich mich darauf, meinen Mann bei km28,5 wieder am Straßenrand zu entdecken und es gelang mir. Ich jammerte eine Runde über meine Beine, aber er lächelte nur und schrie: „Lauf!“.
Ich merkte, wie ich schwächer wurde und es ging rauf Richtung Mainzer Landstr.. Und es war sonnig. Und alles wurde mir gerade ein bisschen zu viel.
Ich verfiel zum ersten Mal in einen Gehschritt an der Wasserstation nach km30 und war schockiert über meine Beine. Das Anlaufen war kaum noch möglich. Hilfe! Das konnte doch nicht sein.
Egal, da musste ich jetzt durch. Ich sagte mir immer wieder: „werd langsamer und finde ein Tempo, dass du laufen kannst, ohne einen Totaleinbruch zu erleiden. In’s Ziel kommst du, ohne Frage, und wenn du nicht ganz versagst, dann schaffst du auch die PB!“
Und das war ja Ziel Nr. 1 an diesem Tag.
Also schleppte ich mich weiter. Ja, irgendwie kam der Begriff „schleppen“ jetzt ganz gut hin. Meine Beinmuskulatur in beiden Waden und beiden Oberschenkeln verkrampfte sich zunehmend und ich hoffte, dass ich da irgendwie heil rauskommen würde. Ich hatte doch noch nie Probleme mit Krämpfen!
Km30 passierte ich bei 2:28:04 und lag mit einer Pace von 4:56/km noch immer über meinem bestmöglichen Plan. Allerdings war km30 mit 5:02/km der erste km im ganzen Lauf über 5, km31 stoppt nach 5:11/km – 5-10 Sekunden für die Gehpause am Wasserstand kam wohl hin.
Nun bekamen aber auch viele um mich herum Probleme. Ich war ja die ganze Zeit eigentlich eher nur für mich unterwegs, aber jetzt mischte sich die Masse um mich herum immer mehr. Die bekannten Trikots waren verschwunden, manche fielen zurück, manche schlossen auf und ich versuchte in dem Strudel nur irgendwie vorwärts zu kommen.
Ab und zu ein netter Spruch zu unserem MädelZ-Trikots-Slogan (Gentlemen – if you can read this you are too slow!), welche ich alle mit einem gequältem, aber herzlichen Lächeln quittierte.

Ich hörte auch immer mal wieder vereinzelt jemanden meinen Namen rufen, aber diese Stimme kam mir dann doch bekannt vor. Blick nacht rechts und ich entdeckte abermals unerwartet einen Bekannten, der mich lautstart anfeuerte. Gerne hätte ich in diesem Moment mehr Freude gezeigt, aber ich war einfach zu platt. Er fragte noch, ob ich ein Gel bräuchte und ich japste nur: „nee danke, ich hab“ und schwups war ich auch vorbei.
Letztes Gel also bei km32,5 und nochmal viel Wasser. Meine km-Zeiten pendelten nun um 5:05-5:10/km, wenn eine Trink(geh)pause drin war bei 5:20/km. Die Beine waren immernoch völliger Murks, aber es wurde nicht noch schlimmer. Gut. Nur noch 10km.
Die gingen jetzt also auch noch irgendwie. Gedankenverloren auf der Mainzer Landstr. treibend, huschte auf einmal ein schwarzes Trikot an mir vorbei. Zee! Ja, wo kam sie denn auf einmal her?! Zee war die Schlussläuferin der Staffel B und überholte mich um km33 herum, feuerte mich sehr lieb an, während ich wieder eine Runde über meine Beine jammerte, und lief leichtfüßig weiter. Scheinbar war velo doch weiter hinten als mika gestartet – oder was war passiert? So richtig denken ging zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Ich würde das alles schon noch erfahren.
Und dann kam er. Km35 (2:54:03 und Pace 4:58/km) und der 3:29 Pacer tauchte neben mir auf. Nein, nein, nein!


Vor lauter Aufregung vergesse ich dadurch, dass ich bei km35 eigentlich Cola trinken wollte. Dann endlich die Kreuzung in die Innenstadt und ein letztes Mal lautes Anfeuern von meinem Mann: „Das schaffst du jetzt auch noch!“ Recht hatte er, das schaffte ich jetzt auch noch! Egal wie, Zeit wurscht, alles wurscht, einfach laufen.
Die vielen Menschen an der Taunusanlage motivierten mich, aber ich konnte nicht mehr schneller. Ich wollte da jetzt einfach irgendwie durchkommen. Mathematische Rätsel zu meiner Zielzeit begannen, als sich zwischen den Hochhäuserschluchten der FR wieder von mir verabschiedete. So richtig bekam ich es nicht hin. Irgendwann war mir aber klar, die PB packst du dicke und im „schlimmsten“ Fall wird es eine 3:35, mit der ich immernoch mega zufrieden sein konnte. Und so wurde das Laufen wieder ein bisschen einfacher. Wohl aber auch weil ich langsamer wurde. Km-Zeiten um 5:15, mit Trink(geh)pause um 5:25.
Noch einmal ging es an den weiß angezogenen Rabauken vor dem Commerzbank-Turm vorbei auf die Hauptwache zu. Plötzlich hörte ich von hinten wie jemand ruft: „line? linchen?“. Ich drehte mich zur Seite und kampmann stellte sich sehr nett vor. km39,5.
Ja, ich erinnerte mich, er wollte ja auch 3:29 laufen! Und das sollte ihm auch gelingen (meinen Glückwunsch nochmal dazu) – er war weiter hinter mir gestartet (und er hatte vieeeeeeeeeeel mehr trainiert ;)). Er feuerte mich an und ich faselte nur, dass es wohl eine 3:34 bei mir geben würde – wie ich darauf kam, bleibt mir immernoch ein Rätsel. Eindeutig eingeschränkte Hirnfunktionen.

Km40 (3:20:55 und Pace 5:01/km) wurde dann mit 5:31 auch mein langsamster km des Marathons – endlich, ja endlich bekam ich mal zwei Becher Cola zu fassen und die ließ ich mir auch schmecken. Und irgendwie begab ich mich dann auch guten Mutes auf die letzten 2km. Ich rechnete nochmal nach und fand mich schnell bei einer Zielzeit um 3:32 wieder. Noch besser! So ein bisschen konnte ich den Marathon jetzt wieder genießen. Dann sprang auch noch eine Kollegin von mir euphorisch anfeuernd auf die Straße und ich musste echt lachen.
Festhalle, ich komme!
Die letzten beiden km gab ich nochmal alles (4:57/km) und hangelte mich von Läufer zu Läufer, beim Linksabzweig und km42 bemerkte ich dann, dass mit einem kleinen Schlusssprint auch die 3:31 noch drin ist. Also, unter den jubelnden Armen der Anderen hindurch hinein in die Halle und rauf auf den roten Teppich. Fäuste geballt und die Luft gestreckt, Uhr ein letztes Mal gecheckt und die letzten Meter des Marathons aufgesaugt – das Ziel und die Uhr stoppte bei 3:31:47!
Kurz drehte sich alles, aber nach einer kurzen Verschnaufpause legte sich dieses Gefühl wieder. Der Schmerz in den Beinen stellte sich ein, aber auch die Zufriedenheit, es geschafft zu haben. Nein, diesmal gab es keine Tränchen, sondern einfach nur Erleichterung. Ich suchte meinen Mann und fand ihn gleich am Rand der Zuschauermassen. Er war und ist sehr stolz und das bedeutet mir unglaublich viel.
Die 3:29 war hoch gepokert, aber verloren habe ich nicht. Ich habe es geschafft, mich in meinem 2. Marathon innerhalb von 6 Monaten trotz einiger Problemchen um 8:16 Minuten zu verbessern. Ich bin unterwegs langsamer geworden, aber nicht weggebrochen, und ich hatte nie das Gefühl, dass ich aufgeben würde. Es wart hart, aber es war auch schön und erst in den folgenden Tagen merkt man, was man da eigentlich wieder geleistet hat. Und das macht mich schon ein bisschen stolz. Das Gefühl beim und nach dem Marathon ist ein ganz Besonderes und ich bin sicher, dass ich das noch öfter in meinem Leben erfahren möchte, auch wenn ich den Tag danach am liebsten aus dem Kalender streichen würde. ;)
Mit meiner Entscheidung, ob ich im Herbst 2011 wieder einen Marathon laufen möchte, werde ich mir Zeit lassen, denn das Frühjahr möchte ich dafür nutzen, mich auf den Unterdistanzen bis HM zu verbessern.
Besonders schön war es, dass ich alle MädelZ und auch coldfire und plankton nach dem Lauf nochmal kurz getroffen habe und wir noch ein bisschen erzählen und reflektieren konnten.
MädelZ, auch hier nochmal einen dicken Glückwunsch zum nun offiziellen Platz 1 und 3 – ihr seid einfach flott und da gibt es gar keinen Zweifel dran!
Beim nächsten Mal bin ich ein Teil der Staffel!

Und Jungs, auch Euch nochmal einen Glückwunsch zu Euren phänomenalen Leistungen.
Das war ein richtiges Fori-Wochenende und es hat viel Spaß gemacht!
Bis bald mal wieder und vielen Dank für Eure Geduld beim Lesen,
Eure (läufer)line