Sonntagmorgen, 8:20. Draußen empfängt mich ein nebelverhangener und herbstig frischer Tag. Jetzt bloß keine sehnsüchtigen Gedanken an das warme heimelige Nest, dem ich gerade entsprungen bin und sich mutig der rauen Wirklichkeit außerhalb der zivilisierten heimatlichen Bleibe stellen. O.K. es ist weder das nackte Grauen noch die unbarmherzige Wildnis die da draußen auf mich warten. Aber auch kein Sonntagsspaziergang, sondern eher eine Trilogie des Leidens. Naja, vielleicht doch ein ganz kleines bisschen dick aufgetragen für das geplante Absolvieren eines Crescendo-Laufes, dessen Höhepunkt – im wahrsten Sinne des Wortes - der Schurwaldlauf über 10 km sein wird. Doch vorm eigentlichen Rennen werde ich schon eine nette Warm-Up Phase hinter mir haben. Hoffentlich werde ich durch die lange Einlaufstrecke, später nicht eingehen wie eine Primel. Ich lasse also die Tür zur beschaulichen Sonntagswelt hinter mir heftig ins Schloss fallen, starte „Renners Liebling“ und trabe los.
Erste Etappe: Prolog über 8,5 km mit Bergprüfung
Es sind nur ein paar wenige Schritte auf der dunklen Seite des glattgebügelten Asphalts, aber unendlich viele über die tiefgründigen Spuren naturbelassener Wege. Huch, hab ich schon das gefürchtete Trailers-High.


Nee, rechtzeitig wird einer Fressorgie vorgebeugt. Ich habe die Höhe erreicht. Uff, knapp 200 Höhenmeter auf weniger als 2 Kilometer verteilt. Ein gefühlvoller Kaltstart sieht anders aus. Noch ein Stück aufwärts und dann ist die Ebene erreicht und es geht in den Wald. Puh, Schweinehund atmet erst mal auf und die hochtourig laufende Pumpe natürlich auch. Schade, dass ich keine Kamera mitgenommen habe. Zu schön waren die kunstvoll gespannten Spinnennetze, die mit Tautropfen an den Rebstöcken hingen. O.K. ein paar Fäden waren auch zwischen den Reihen gespannt. Grad so auf der richtigen Höhe um Sie voll genießen zu können.


Immer noch ist der Nebel nicht ganz weg. Hin und wieder blitzt die gegenüberliegende Rotenbergkapelle zu mir herüber. Sehr meditativ das Ganze. Jetzt bloß nicht vergessen zu was ich eigentlich hier bin. Es ist zwar malerisch schön, aber nicht „Malen nach Zahlen“ sondern Laufen nach Zahlen soll heut doch das Thema sein. Und dafür heißt es erst mal zeitig genug dort ankommen wo die Verheißung auf schnelle Zeiten wartet. Also weniger in die Landschaft gucken sondern mehr auf den kleinen Spaßverderber, der mir unerbittlich anzeigt wie bummelig ich gerade durch die Gegend joggle.
Ich erreiche die Markungsgrenze zum Landkreis Esslingen im Bereich der Mülldeponie. Nicht so toll der etwas anrüchige Anblick. Von jetzt ab geht es fast geradeaus durch den Schurwald, schon auf Teilen der Strecke die ich später in deutlich strammerem Tempo nochmals durcheilen werde. So hoffe ich wenigstens. Am Segelflugplatz verlasse ich den Wald, in dem ich mich schon mal hoffnungslos in der Dunkelheit verfranzt


Zweite Etappe: Hauptrennen, 10 Kilometer Flachetappe
Im Stadionrund treffe ich auf Kati, Carmen und Volker, die sich hier warmlaufen. Warmlaufen, was für ein Quatsch. Würd ich nie machen. Also rumstehen, warten und quatschen. Angeregt quatschen. Bis plötzlich einer sagt. Nur noch 5 Minuten bis zum Start, wir sollten uns mal langsam reinstellen. Ja nee, is klar. Sind doch immer die gleichen die kurz vor Schluss, äh Start, noch ganz nach vorne wollen.

Los geht’s. Die Rennstrecke besteht aus einer liegenden, flach geschleiften Acht. Zuerst eine Stadionrunde und dann raus ein kurzes Stück auf die Straße Richtung Jägerhaus. Dann rein auf einen Waldweg Richtung Aichschieß. Ich lasse es mal wieder viel zu schnell laufen - die Beine - nicht dass wir uns da falsch verstehen. Der Drillmaster im orangen Outfit piept genervt beim ersten Kilometer mit 3:57 min. Junge mach langsam, du hast schon 8,5 Kilometros hinter dir und noch 9 schnelle vor dir. Und vergiss den Heimweg nicht. Ist ja schon gut, versuche ich meinen Mahner zu beschwichtigen. Ich mach ja schon langsamer. Naja, net so wirklich. Denn zunächst mal geht es bergab und ich laufe die nächsten zwei Kilometer auch nicht unmerklich langsamer mit jeweils 4:07, nur um dann wieder dezent auf eine 3:57 zu beschleunigen. Das wird wohl heut ein "Broken Pencil" werden. (Steffny frei Schnautze anglisiert) Aber nichts hält ewig. Und schon gar nicht meine derzeitige Höchstgeschwindigkeit. Von nun an ging’s bergab. Öhem, respektive bergauf mit einer 4:37. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr. Kann man sich irgendwo noch ummelden für ne Fünfer-Wertung. So schoss es mir durch den Kopf. Aber niente, nix gibt’s. So ne Wertung stand heut gar nicht auf dem Plan. Also, das Beste draus machen und versuchen das Mucken des Schweinehundes zu ignorieren. So entwickelt sich ein kleines Streitgespräch zwischen Arbeiterschaft und Chefzentrale. Beine an Kleinhirn. Wir streiken ab sofort. Kleinhirn an Beine. Wer streikt, fliegt raus. Rausfliegen aus dem Rennen. Hui, die Aussicht auf ein DNF, schwäbisch auch „Doch net Fertiggloffa“ genannt, beflügelt das Proletariat der Arbeiterklasse.
Und als Zugeständnis an die derzeit widrigen Arbeitsbedingungen endet der Anstieg als am Jägerhaus die erste Schlaufe der Schleife zugezogen wird. Aber um das ganze zum Abschluss zu bringen geht es nun entgegengesetzt weiter, zurück in den Wald, ein kurzes Stück bergab. Danach wird es wellig. Bis Kilometer 7 quäle ich mich nun dahin. Komfortmodus sieht anders aus. Noch steht die 4 vorne bei den Kilometerschnitten. Bis zum kurzen Stich, der uns in einem scharfen Bogen, nachhause ins Stadion führt. Jetzt, mit leerem Akku fällt der Zeiger ins Bodenlose. Full Empty. 5:08, der technisch hochgezüchtete Armtrainer zeigt gnadenlos was die Stunde geschlagen hat. Ich glaub wenn er könnte, müsste er jetzt leichte Stromschläge austeilen, anstatt zu piepsen, um mir den fehlenden Antritt zu verpassen. Endlich oben ist wieder an so was wie laufen zu denken. Jetzt wird es doch hoffentlich bald vorbei sein. Gibt es dafür noch irgendwo einen Reserve-Schalter denn ich jetzt umlegen kann. Der letzte Kilometer und plötzlich kommt noch was. Warum nicht schon früher. Das Ziel vor Augen geht es erst noch über die Straße, dann rein ins Stadion, die Runde auslaufen und abdrücken. Wow, letzter Kilometer in 3:50. Das nächste Mal den Schlusssprint bei Kilometer 2 beginnen und alles wird gut. So endet der nicht ganz so flache Flachteil mit einer 43:39. Und nachdem nach und nach auch die anderen eintrudeln, wird nochmals geplauscht und geplauscht. Bis es uns dann doch gewahr wird, das die Sonne sich zwischenzeitlich verzogen hat, und es zu frisch geworden ist mit verschwitzen Klamotten faul in der Gegend rumzustehen. Also, Tschüssikowski und auf geht’s in die letzte Runde.
Dritte Runde: Ausrollen über die anfänglichen 8,5 km
Von nun ging’s bergab. Und das war auch gut so. Die Sonne blieb wo sie war - hinter den Wolken – und meine Beine durften endlich ohne schlechtes Gewissen heimschlurfen. Das Timing hat dann gepasst um pünktlich zum sonntäglichen Mittagessen daheim aufzuschlagen. So jetzt aber Beine hoch und ab auf die Couch. Von wegen. Da zwischenzeitlich auch die Sonne wieder lachte, hatte meine Familie die großartige Idee den Nachmittag aktiv zu verbringen. Also raus nach Ludwigsburg ins blühende Barock zur Kürbisausstellung. Zum Glück hatte ich einen gnädigen Tempomacher
