Es war reiner Zufall, dass wir im September 2013 ausgerechnet an dem Wochenende in Prag waren, als dort ein großes Laufevent stattfand …. der Grand Prix von Prag.
Es hat uns ziemlich gewurmt das wir ausgerechnet an diesem Wochenende mal nicht unsere Laufsachen dabei hatten, denn sonst sind sie bei jeder Reise mit dabei. Aber gut, wir sind ja regelmäßig in Prag und da wird sich doch bestimmt ein schönes Laufevent in 2014 finden.
Google versprach dann tatsächlich einen tollen Halbmarathon für Anfang April 2014. Das soll er werden…. unser erster Auslandslauf!
Mein Freund, eifrig wie immer, hat sich sofort im Oktober angemeldet, Hotel wurde gebucht und Urlaub eingereicht.
Ich…. ähm…. ja ich gehöre ungünstiger Weise zur Kategorie „Morgen, morgen bloß nicht heute“ und habe somit die Anmeldung immer vor mir hergeschoben
Am 02.01.14 habe ich mir aber endlich mal die Zeit genommen und wollte meine Anmeldung rausschicken – aber was das? Der Lauf ist komplett ausgebucht! Bisher war der HM nie vor Februar ausgebucht und diesmal schon im Dezember!? Was für ein sch….!
Ich war tierisch sauer auf mich selbst und auf die ganze restliche Welt sowie so. Ich habe dann natürlich versucht über gemeinnützige Organisationen an einen Platz zu kommen, was allerdings so gut wie unmöglich war ohne entsprechende Sprachkenntnisse. Ich erhielt daher nur Absagen und verdrängte das Thema irgendwann und schmollte innerlich weiter.
Anfang Februar hatte ich dann Geburtstag – der 30. Schlimm genug, daher bin ich auch weiiit weg geflogen damit ich dem ganzen Trubel entkomme. Mitten in der Zollkontrolle auf dem Airport in Dubai bin ich dann quasi um ein Jahrzehnt gealtert. Mein Freund sang, der Zollbeamte grinste und irgendwann reichte mir mein Freund freudig einen Umschlag.
Und da hielt ich ihn in der Hand – mein Startplatz für den HM in Prag.
Ich weiß bis heute nicht wie er es geschafft hat – aber ich wusste ich laufe für die tschechische Heilsarmee. Ein schöneres Geschenk hätte er mir wirklich nicht machen können
Bei genauerem Hinsehen stellte ich jedoch mit erschrecken fest, dass mein Freund ziemlich überzeugt sein muss von mir, denn er hat mich doch tatsächlich mit einer Zielzeit von 1:55 angemeldet. Ähm…. hallo? Meine bisherige Bestzeit war 2:07. Das nenne ich mal Duck aufbauen *seufz*
Mit Würfelzucker zur Traumzeit
Am 05.04.14 war es endlich soweit. Der große Tag des HM in Prag. Es war zwar „schon“ mein 3. HM aber eben auch der erste den ich allein laufen werde, da meine Laufpartnerin diesmal nicht dabei war.
Ich war aufgeregt und tierisch hibbelig. Das äußert sich bei mir immer mit mindestens 134 Toilettengängen unmittelbar vor dem Lauf…. bei uns zu Lande nennt man das noch immer ganz gerne Pionierblase. Da der Lauf erst 12 Uhr startete, waren es diesmal mit Sicherheit noch ein paar Gänge mehr
Nach einem üppigen Frühstück liefen wir dann gemütlich vom Hotel zum Startplatz. Das sind gut 2-3 km, was wir dann gleichen als Erwärmung zählten. Das Wetter war schlechter als angekündigt. Die versprochene Sonne war weit und breit nicht zu sehen. Ich fand das zunächst sehr schade, im Nachhinein war ich aber sehr glücklich darüber.
Im Start/Zielbereich merkte man schnell wie gut hier die Organisation war. Das Gold-Label hat man sich redlich verdient. Auf das Eventgelände kamen zB nur die Läufer selbst und mussten sich daher auch nicht um die Dixies mit den zahlreichen Besuchern prügeln.
Wir haben uns dann hier und da noch ein wenig umgeschaut, die wärmenden Jacken ausgezogen und unser Gepäck in der gut organisierten Gepäckabgabe abgegeben. Dann wollten wir eigentlich auch schon los in unsere Startblöcke. Doch da überrumpelte uns noch ein tschechisches Fernsehteam und interviewte uns. Zum Glück hat meine bessere Hälfte das Interview gewuppt, ich war viel zu nervös um jetzt auch noch in einer anderen Sprache als meiner Muttersprache zu denken.
Dann ging es wirklich endlich los in die Startblöcke. Ein Abschiedskuss…. viel Spaß und Erfolg gewünscht und schon sah ich meinem Freund hinterher wie er 3 Startblöcke weiter vor lief.
Die Stimmung war gigantisch. Alle Nationalitäten waren vertreten, was man super erkannte da jeder Starter seine Landesflagge auf der Startnummer hatte.
Eine ganze Weile geschah nix, doch dann gab es erste ruhige Bewegungen in meinem Startblock. Der Start an sich war extrem ruhig und total entspannt. Kein ungestümes los Gehetze… sehr angenehm. Die Uhr an der Startlinie zeigte irgendwas um die 5:50 min. als ich endlich drüber lief.
Der Start war unmittelbar in der Innenstadt und führte direkt an der Karlsbrücke vorbei. Hier standen unzählige Zuschauer rechts und links und feuerten uns Läufer an. Ich liebe diese Stimmung und es geht mir jedes Mal aufs Neue tief unter die Haut.
Die ersten 3 km gingen sehr entspannt von statten. Ich war zwar etwas schneller unterwegs als geplant, aber es fühlte sich nicht zu schnell an, daher hielt ich das Tempo von ca. 5:20 noch ein wenig. Irgendwann entdeckte ich den 1:50er-Pacemaker vor mir und da wusste ich, ich bin doch viel zu schnell unterwegs. Daher drosselte ich mein Tempo ein wenig auf ca. 5:30 und wollte mich dann später an den 1:55er oder 2:00er-Pacemaker dran hängen wenn diese mich passieren. So der Plan.
Bei Kilometer 5 gab es die erste Verpflegungsstelle. Ichs chnappte mir ein Becher Wasser und trank einen großen Schluck. … ähm…. ok, ich wollte trinken. Stattdessen habe ich mich tierisch verschluckt. Ich hab gehustet und gehechelt als würde ich gleich abklappen…. herrjeh…. das muss ich dringend üben. Das Tempo habe ich natürlich nicht gedrosselt, ich verschenke doch keine Zeit ans trinken
Wir liefen die meiste Zeit direkt am Ufer der Moldau lang und konnten so auch immer auf der anderen Seite des Ufers die schnelleren bzw. später dann die langsameren Läufer sehen. Irgendwie hatte das was.
Nach 7,5km gab es die nächste Verpflegungsstelle. Diesmal muss das mit dem Trinken besser klappen. Becher geschnappt, angesetzt, getrunken…. perfekt. Ich schaute mir dann beim vorbei laufen noch die restlichen Tische an um zu gucken was sie nochs o leckeres haben und da sah ich sie…. Teller voll mit Würfelzucker. Einmal die Hand ausgestreckt und schon gehörte eine Handvoll mir
Ich liebe ja Würfelzucker und nasche sie auch hin und wieder mal gern auf Arbeit wenn die Konzentration nach lässt. Aber in Verbindung mit dem Laufen habe ich sie noch nie gebracht.Also schob ich mir das erste Würfelchen in den Mund und genoss das süße Gefühl im Mund.
Mein Vorrat reichte auch genau bis zur nächsten Verpflegung bei Kilometer 10. Dort füllte ich mein Zuckervorrat auf und schnappte mir noch einen nassen Schwamm.
Mein Tempo lag laut Runtastic noch immer bei ca. 5:33, nur leider haute das mit den Kilometern nicht mehr so genau hin. Bisher hat mirm ein GPS IMMER zu wenig Kilometer angezeigt, was ich nie schlimm fand da es mich im WK dann ja sogar tatsächlich noch schneller sein lässt. Ausgerechnet beim HM in Prag war aber mein GPS zum ersten Mal in die falsche Richtung ungenau. Mein Ohrstöpsel sagte mir schon gut 100 Meter vor dem eigentliche Kilometer-Schild die Kilometer an.
Je weiter ich lief, desto ungenauer wurde es (am Ende sogar300 Meter Unterschied). Das brachte meinen ganzen Zeitplan irgendwie ins Wanken. Und irgendwann fiel mir auch auf das mich weder der der 1:55er noch der2:00er-Pacemaker überholt hat. Wo stecken die bloß?
Ab Kilometer 12 fiel ich erstmals über die die 5:40-Grenze und ab Kilometer 16 dann sogar über die 5:50er. Ok, irgendwann hatte ich mich dann vom Sub 2 gedanklich verabschiedet. Ich lief dann einfach nur noch so wie mich die Füße trugen. Bei Kilometer 17 ging es dann in einen langen Tunnel, ich rechnete dann in etwa aus wann ich im Ziel sein werde. Gleich kommt Kilometer 18 und dann sind es ja nur noch 3…. das schaffst du schon.
Statt dem Kilometer-18-Schild sah ich dann allerdings plötzlich das Kilometer-19-Schild. Das hat mich total verwirrt. Wo war Kilometer 18? Und wo waren verdammt nochmal die Pacemaker?
Ok, dann eben nur noch 2 Kilometer auch gut. Die läufst dug anz entspannt nach Hause. Ich hab mich dann gedanklich an die bevorstehenden Events und Urlaube geklammert…. Sardinien, Lanzarote, Mallorca…. Sonne, Strand und Meer…. herrlich. Hier und da noch ein paar Verpflegungsstellen mitgenommen um meinen Zuckervorrat aufrecht zu halten.
Plötzlich sehe ich ihn vor mir – den 2:00er-Pacemaker.Verdammt! Wie und wann ist der unbemerkt an mir vorbei gezogen? Der hat eine riesige Fahne über sich schweben, den kann man quasi nicht übersehen
Er war ca. 100-200 Meter vor mir und somit die Chance die Sub 2 doch noch zu schaffen ebenfalls zum Greifen nah.Also wurden alle Urlaubsgedanken schnell abgeschüttelt und ich habe meinen Blick nur noch an den Pacemaker geheftet. Es waren noch ca. 1,2 km bis zum Ziel und meine Reserven waren echt am Ende. Aber ich habe tatsächlich noch ein paar Körner gefunden und schob unerbittlich meine Würfelchen nach und pirschte mich Meter für Meter an den Mann des Tages ran. Beim Schild „noch 500 Meter bis zum Ziel“ war ich endlich auf einer Höhe mit ihm. Leider war um ihn herum das Gedränge groß. Da hatten wohl einige dasselbe Ziel wie ich.
Ich lief noch gut 200 Meter mit ihm auf einer Höhe und hatte einfach keine Chance an ihm vorbei zu ziehen…. ich konnte nicht mehr, ich war fix und alle. Meine Lunge pfeifte, meine Beine wurden weich und drohten nachzugeben, aber ich wollte verdammt nochmal vor ihm ins Ziel laufen. Die letzten 300 Meter hatte ich ihn dann tatsächlich noch hinter mir gelassen. Nicht weit, ich sah ihn die ganze Zeit im Augenwinkel und hoffte das er sich auch ja nicht verkalkuliert hat. Wehe er kommt zu spät ins Ziel und versaut mir damit meine Zeit.
Die Menschenmassen im Zielbereich nahm ich kaum wahr. Ich sah nur die Ziellinie und sah die Uhr….2:05:50 …. VERDAMMT… nein! Somit wäre ich meiner Rechnung nach mit einer Netto-Zeit von genau 2:00:00 angekommen – das gibt es doch nicht
Direkt hinter der Ziellinie musste ich mich erst mal an die nächste Bande hängen weil ich dachte das ich keinen Schritt mehr laufen kann. Kurz darauf sah ich meinen Freund der mich freudig lächelnd und voller Stolz empfing. Und plötzlich war der Ärger um die verpasste Sub 2 komplett verflogen. Ich war total happy und stolz das ich innerhalb eines Jahres meine HM-Zeit um 16 Minuten verbessern konnte.
Erstaunlicherweise war ich auch sofort nach dem Lauf wieder völlig ruhig und gar nicht so fertig wie sonst immer. Auch der für mich so typische hochrote Kopf blieb diesmal aus. Freunde meinten ich sah direkt nachdem Lauf aus als würde es erst losgehen.
Die Auswertung meiner Statistik ergab das ich die letzten 1,5km tatsächlich nochmal auf 5:24 bzw. 5:19 beschleunigt habe… Wahnsinn!
Wir gaben dann noch schnell unsere Medaillen ab zur Gravur und ich war noch immer ganz gespannt wie denn nun meine tatsächliche Netto-Zeit aussieht. Wir mussten gefühlte Ewigkeiten auf die Gravur warten, doch dann wurde mein Name ausgerufen, ich bekam die Medaille und verfiel in einen lauten Jubelschrei. Ich hab es tatsächlich geschafft…. 1:59:54
Irre! Ich musste mir sogar ein kleines Freudentränchen verdrücken. Ich bin so mega stolz und happy und glücklich und zufrieden und einfach nur selig
