Hallo Spectator,
du meinst es sicher witzig und erwartest mordsmäßigen Beifall, wenn du vom "Irrsinn" schreibst, der dich befallen hat. Ich finde es weder witzig, noch zutreffend und Beifall erhältst du von mir absolut keinen. Was du tust hat nichts mit Irrsinn zu tun, ist dafür unvorsichtig, völlig überzogen, gesundheitlich riskant und auf Verschleiß angelegt. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Nicht der Wunsch einmal einen Marathon zu laufen und auf dem Weg dorthin den Halbmarathon zu absolvieren ist zu kritisieren, sondern die überzogene Eile mit der du das anstrebst. Es mag noch angehen, dass ein Einsteiger bei 3 bis 4 km-Strecken beginnt, um 4 Wochen später schon bei 10 km anzukommen. So etwas ist möglich bei Leuten die körperlich immer aktiv waren und in einem passablen Ausdaueranfangsstatus sind. Doch nun in wenigen Wochen schon einen Halbmarathon anzusteuern schießt über das Sinnvolle hinaus. Was immer du vorher getan hast - du bist noch nie gelaufen. Das jedenfalls geht aus deinem Posting hervor. Damit besaß dein Bewegungsapparat zu Beginn deines Ausdauertrainings keinerlei Anpassung im Hinblick auf ausdauernden Laufsport. Jetzt - vier Wochen später - ist diese Anpassung lediglich im Bereich der Muskulatur und teilweise organisch etwas voran gekommen. Noch keinerlei Anpassung besteht im Bereich wenig durchbluteter Anteile, wie Sehnen, Gelenke oder auch Knochengerüst. Das wird auch noch viele Wochen, teilweise Monate in Anspruch nehmen. Und du erhöhst nun wieder sprunghaft die Belastung indem du ein Intervalltraining beginnst.
Es ist klar, dass Einsteiger ihr Augenmerk zunächst darauf richten, wofür sie die "Luft", die Ausdauer haben. Dass sie glauben, alles was ihre Ausdauer ihnen erlaubt, wäre richtig und verträglich. Oft führt dieses Verständnis in keine Problemzone, weil viele gar nicht über deine Möglichkeiten verfügen. Sie sind anfänglich schon nach sehr kurzen Zeiträumen ermüdet und gehen von sich aus langsam voran. In deinem Fall tut sich ein Abgrund auf zwischen dem was du ausdauermäßig innerhalb kurzer Zeit erreichen kannst und dem wozu die Vorsicht rät.
Jeder, der von der medizinischen Seite des Laufens etwas versteht - das sind Ärzte und Läufer/Sportinteressierte, die sich mit der Thematik eingehend auseinander gesetzt haben - empfiehlt dringend vor dem ersten Marathontraining mindestens anderhalb Jahre Lauferfahrung zu sammeln und sich dabei über kürzere Strecken 5/10-km, dann HM schrittweise, durchaus auch halbjahresweise voran zu trainieren. Der Grund dafür ist die nötige körperliche Anpassung, ohne die ein Marathontraining risikoreich ist.
Wenn ich von Risiko rede, meine ich nicht das Risiko zu sterben. Dieses Risiko kann man weitgehend ausschalten indem man tut wozu auch dringend geraten wird, sich von einem Sportarzt auf Unbedenklichkeit durchchecken zu lassen. Dabei würden etwaige Großrisiken (z.B. im Bereich des Herzens) erkannt werden. Wenn ich von Risiko spreche, meine ich einerseits das Risiko Schäden am Bewegungsapparat davon zu tragen. Es ist keineswegs immer so, dass sich dergleichen vorher mit Schmerzen bemerkbar macht. Wenn ich von Risiko spreche, meine ich auch das Risiko sich Beschwerden einzufangen, die sich hartnäckig halten - zum Beispiel gerne an den Knien und sehr oft auch im Bereich der Achillessehnen. Die sind einerseits dazu angetan die hoffnungsvoll gestartete Laufkarriere abrupt zu unterbrechen, als auch einem das Laufen insgesamt gewaltig zu verleiden. Du wärst nicht der Erste, der durch zu-viel-in-zu-kurzer-Zeit letztlich vom Hobby Laufsport wieder abgekommen ist.
Ich empfehle dir daher deine HM-Teilnahme noch einmal zu überdenken und auf das nächste Frühjahr zu verschieben. Im Herbst einen 10km-Lauf zu absolvieren, dafür moderat zu trainieren, wäre die bessere Alternative. Oder ist dir das zu poplig? Lass mich auch noch darauf hinweisen, dass dein Körpergewicht von 100 kg bei 197 cm Körpergröße nun auch nicht gerade für einen raschen Anstieg der wöchentlichen Kilometerleistung spricht, sondern sehr für vorsichtiges Herantasten an hohe Kilometerumfänge. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie deine Achillessehnen und Knie derzeit unter der hohen, für einen Einsteiger sehr langen Belastung ächzen.
Ich hoffe ich konnte genügend Bedenken in dein Hirn pflanzen. Genau das ist meine Absicht.
Alles Gute und viel Spaß auf deinem (hoffentlich verlängerten) Weg zum Marathon
Gruß Udo