Hallo Laufbegeistert,
sicher wurde dir in den vorstehenden Antworten schon einiges an korrigierenden oder erklärenden Hinweisen gegeben. Ich will die Gelegenheit trotzdem nutzen, um noch ein paar Grundsätzliche Dinge zum Thema Herzfrequenzmesser zu sagen. Voraus schicken sollte ich, dass ich selbst seit Jahren den Herzfrequenzmesser als Instrument der Trainingssteuerung nutze und schätze. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass ich das Gerät rundweg ablehne. Leider haben es Interessengruppen jedoch zwischenzeitlich geschafft dem Laufsport eine weitere Legende anzudichten, bzw. zu erreichen, dass unbedarfte Menschen im Zusammenhang mit Laufen sofort ein Bild vor Augen haben: Den Pulsmesser am Arm des Läufers. Wie ist es anders zu erklären, dass Laufdebütanten und -debütantinnen neben Laufschuhen, den Pulsmesser sofort als unverzichtbar kaufen, bevor sie mit dem Laufen beginnen. Oder wie ist es zu erklären, dass man Nichtläufern eine Pulsuhr schenkt, um sie im Wunsch des Laufbeginns zu unterstützen oder dazu zu animieren.
Interessengruppen an der Entstehung der Laufen=Pulsmesser-Legende sind natürlich die Hersteller der Geräte und der Handel. Ich habe das selbst erlebt/mitgehört, dass in einem namhaften Sportgeschäft (Filiale einer Kette) einer Nichtläuferin so ein Pulsdings für einen erklecklichen Betrag angedreht wurde.
Um es klar zu sagen: Jeder kann ohne Pulsmesser laufen. Vor allem kann auch jeder ohne Pulsmesser mit dem Laufen beginnen. Und mehr noch: Jeder sollte ohne Pulsmessung mit dem Laufen beginnen.
Dazu die Fakten: Das einzige, was ein Pulsmesser (meist und wenn er richtig benutzt wird) einigermaßen genau und verlässlich anzeigen kann ist die augenblickliche Herzfrequenz. Und da liegt der Hund begraben: Ohne Hintergrundinformation (und zwar die richtige) ist mit diesem Messwert nichts anzufangen. Man muss die Grundzüge des Ausdauertrainings verstanden haben UND die Eigenheiten der Herzfrequenz in Ruhe und unter Belastung, dazu mögliche Abweichungen und Fehlerquellen, um überhaupt sinnvoll einen Pulsmesser verwenden zu können.
Dazu kommt: Pulsmesser ergeben nur dann einen Sinn, wenn sie zur Trainingssteuerung verwendet werden. Das geschieht in der Form, dass man sich Pulsbereiche vorgibt, die unterschiedlich hohen Intensitäten (Belastungen) entsprechen. Dann macht man Dauerläufe, während derer man den Hf-Messer dazu nutzt in einem vorgegeben Pulsbereich zu bleiben. Voraussetzung für diese Trainingssteuerung ist das oben schon Gesagte. Wer nichts von der Trainingslehre versteht (oder zumindest einen Trainingsplan benutzt, den sich ein Kundiger ausgedacht hat) hat keine Pulsbereiche, die für ihn sinnvoll sind. Und wer nichts von den Eigenheiten der Herzfrequenz, ihren Abhängigkeiten und den Fehlerquellen des Pulsmessers weiß, wird sich blind auf das (intelligenzfreie) Messgerät verlassen.
Mehr noch: Für Einsteiger ergibt die Nutzung eines Pulsmessers keinen Sinn. Weder hat er einen Trainingsplan mit unterschiedlichen Pulsbereichen (Einsteiger laufen stehts langsam und versuchen in den ersten Wochen ihren Radius, die Laufdauer stetig zu erweitern). Noch kennt er den wichtigsten Eckwert, den man für die Hf-Steuerung braucht, seine maximale Herzfrequenz. Die immer wieder publizierte Formel 220 minus Lebensalter (und alle anderen ähnlichen) stellen lediglich eine Orientierungshilfe dar. Tatsächlich kann der Hfmax deutlich über diesem Rechenwert liegen oder auch darunter.
Auch das noch: Bei völligen Neueinsteigern tritt häufig ein weiterer Effekt auf, der eine sinnvolle Nutzung des Pulsmessers bis auf weiteres ausschließt. Man nennt das den "überschießenden Puls". Hintergrund ist, dass das für alle Steuerungen im Organismus verantwortliche Nervensystem mit seinen verschiedenen Instanzen die plötzlich einsetzende Ausdauerbelastung nicht einzuschätzen weiß. Das gabs vorher nicht und darum wird überreagiert. Die Herzfrequenz wird auf einen so hohen Wert aufgedreht, dass die Schlagfrequenz des Herzens sicher reicht, um den Organismus mit Sauerstoff zu versorgen. Diese Überreaktion, das Überschießen, macht es aber unmöglich der gemessenen Herzfrequenz die tatsächliche Belastung zuzuordnen. Und das ist Voraussetzung für die sinnvolle Nutzung des Hf-Messers. Es dauert ein paar Wochen, bis das Nervensystem gelernt hat auf eine geringe Ausdauerbelastung (langsamer Dauerlauf) mit einer entsprechend geringen (immer noch ausreichenden) Schlagfrequenz des Herzens zu reagieren.
Und zuletzt: Beim Laufeinstieg kommt es vor allem darauf an die Reaktion des eigenen Körpers auf die Ausdauerbelastung zu erleben, wahrzunehmen und einzuschätzen. Der Körper sendet Signale, die dem Läufer helfen die Wirkung der gegenwärtigen Belastung zu werten. Diese Signale zeigen ihm an, wann er schneller laufen kann, wann er langsamer laufen muss, wann es Zeit wird aufzuhören. Diese Signale zu Atemfrequenz, -tiefe, Anstrengung der Muskulatur, einsetzender Ermüdung und Zwicken im Bewegungsapparat wahrzunehmen und richtig einzuschätzen muss man üben. Erfahrungen damit sammeln. In dieser Phase auf eine Pulsuhr zu starren ist nicht nur sinnlos, es verhindert, dass man sich selbst laufend wahrnimmt und seinem Körper zu vertrauen beginnt. Kein Pulsmesser, noch irgendein anderes Trainingshilfsmittel kann einem je die notwendige Entscheidung (langsamer? schneller? weitermachen? aufhören? sich schonen?) abnehmen. Der Läufer muss in jeder Situation selbst einschätzen, ob das was er tut sinnvoll ist oder ihm eher schadet.
Es kommt mir im Zeitalter ständig eingeschalteter und mitgeführter Smartphones, der Allgegenwart elektronischer Technik manchmal vor, als wären solche Hinweise völlig zum Scheitern verurteilt. Es ist einfach hipp sich irgendein Technikdingsbums umzuschnallen. Hast du Technik, hast du Laufen. Mir kommt es darauf an festzustellen: Zum Laufen braucht ein Mensch nichts als seinen Körper. Gar nichts im Grunde. Da wir aber verweichlichte Menschen des 21. Jahrhunderts sind und nicht mehr in den Steppen und Wäldern von vor 20.000 Jahren leben, brauchen wir Kleidung und Schuhe. Das ja, aber mehr auch nicht. Erst wenn man laufen kann und diese Fähigkeit durch Training weiter (über ein an sich notwendiges Maß hinaus) verbessern will, dann bekommt der Einsatz eines Hf-Messers seinen Sinn.
Solltest du dich über alle im Zusammenhang mit Pulsmessern wichtigen Fakten weiter informieren wollen, dann biete ich dir
unsere Laufseite an. Rubrik "Für alle Läufer", "Laufen mit Pulsmesser".
Weiter einen guten Laufeinstieg
Alles Gute
Gruß Udo