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Hosendrama „2“ – kurz vorm Platzen!

Hosendrama „2“ – kurz vorm Platzen!

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[font=&amp]Hein trank gern und regelmäßig sein Feierabendbier. Als er einmal eine Fee aus misslicher Lage befreite, gewährte diese ihm 2 Wünsche. Hein überlegte nicht lange und wünschte sich als erstes eine Flasche Bier, die nie, nie leer würde. Da die Fee eine viel beschäftigte Fee war, bat sie Hein nach einiger Zeit etwas indigniert, er möge ihr doch seinen zweiten Wunsch mitteilen. Stille! Die Fee bat drängender. Hein geriet ins Schwitzen. Er überlegte und überlegte, um schließlich erlöst zu verkünden: „Noch eine Flasche Bier, die nie leer wird!“[/font]

[font=&amp]Dieser alte Witz aus Studentenzeiten fiel mir ein, wie ich mich da so am Waldesrand der totalen Entspannung hingab. Um 18 Uhr sollte mein Lauf beginnen, erneut ein Lauf auf der Bahn, diesmal aber über 10.000 m. Ich hatte einen Anfahrtsweg von etwa 60 km, normalerweise dicke in einer Stunde zu schaffen. Aber es gab zwei Haken: 1. der Feierabend und 2. ich musste an Köln vorbei. Also fuhr ich bereits eine halbe Stunde früher los. [/font]

[font=&amp]Zu spät bemerkte ich, dass mich das Navi auf eine Ausweichroute geschickt hatte, die dummerweise durch Köln hindurch führte. Köln: das reinste Chaos! Wie soll auch in einer Stadt, die nicht in der Lage ist, ordentliche Stimmzettel zu produzieren, ausgerechnet die Verkehrslenkung vernünftig funktionieren? Noch hatte ich etwas Zeitpuffer, aber der schrumpfte zusehends zusammen, da kaum etwas voran ging. Selbst gehenderweise wäre ich schneller gewesen. Mein eigentliches Problem war aber ein anderes. Es gibt Tage, da kann, nein da muss ich in einer Tour pinkeln. Heute war so ein Tag. [/font]

[font=&amp]Ich war also eingepfercht in meiner stinkenden Blechkiste, kein Parkplatz geschweige denn Klo in greifbarer Nähe, und meine Blase schien wie von einer unablässig arbeitenden Pumpe aufgeblasen zu werden. Vor und hinter mir eine endlose Blechlawine, kaum ein Vorankommen! Als ich endlich Hinweisschilder Richtung Autobahn entdeckte, waren die so verwirrend, dass ich nicht wusste, ob ich mich links bei „A4“ oder rechts bei „A3 A4“ einordnen sollte. Meine Sorge war, dass ich mich nun auch noch in die falsche Autobahnrichtung verirren könnte.[/font]

[font=&amp]Ich hatte Glück: ich traf die richtige Richtung, nämlich A4 nach Olpe. Und ich hatte Pech, denn mein Sehnen nach einem erlösenden Parkplatz ging ins Leere. Im Gegenteil. Kaum hatte ich die Autobahn wieder verlassen, schienen sämtliche Ampeln sensorgesteuert auf Rot umzuspringen, sobald sie meiner gewahr wurden. Mein Unterleib machte sich als eine einzige drückende Blase bemerkbar, die alle weiteren Organe erstickt haben musste. Als ich links ein paar Bäume sah und dazwischen einen abgestellten PKW, machte ich fast eine Vollbremsung, zwängte mich aus dem Auto, stürzte ins Unterholz und befreite meine Blase, bevor sie endgültig zu platzen schien. Dabei fiel mir der alte Studentenwitz wieder ein, denn ich kam mir vor wie eine Mensch gewordene Blase, die nie leer wurde.[/font]

[font=&amp]Irgendwann nach langer Zeit konnte ich dann doch noch meine Fahrt fortsetzen, geriet aber 1,2 km (!) vor dem Ziel in die nächste Blechschlange, die den Eindruck machte, hier Gedenkstunden zu veranstalten. Nun wurde es wirklich knapp, und nach mehr als 2-stündiger Fahrt erreichte ich 20 Minuten vor Start endlich das Wettkampfstadion. Ich hasse so etwas! Gerade konnte ich noch die Startnummer abholen (heute mal die „2“), mich umziehen, eine verkürzte Einlaufrunde hinlegen, als der Sprecher auch schon die Athleten zum Start bat. [/font]

[font=&amp]Ich war reichlich angepisst. Eigentlich hatte ich noch einen Spikes-Test machen wollen: 10 km mit Dornen zu laufen, kann ganz schön belastend sein für die Zehen. Ich hatte daher zuhause extra die ganz kurzen 3 mm-Spikes aufgezogen. Keine Zeit mehr, ich behielt also die normalen Wettkampfschuhe an. Welche Zielzeit wählen? Ich war extrem unschlüssig.[/font]

[font=&amp]Da ich auf Kreisrekordjagd bin, war das Minimalziel, die 41:21 min zu knacken, die bisher die schnellste AK-Zeit im Kreis über 10.000 m darstellten. Das war allerdings keine besondere Herausforderung, denn ohne arrogant sein zu wollen, traute ich mir zu, das auf der linken Arschbacke abzurollen. (Bei der rechten wäre ich nicht so sicher, denn als Hybrid-Händer mache ich Kraftsachen wie Nagel-in-die Wand-Kloppen mit links und feinmotorische Aktionen mit rechts, und ich vermute mal, dass diese Links-Rechts-Verteilung auch für die Glutaeus-Muskulatur gilt.) [/font]

[font=&amp]Nein, die Frage, mit der ich mich herumschlug, war, ob ich auf 40 min anlaufen sollte. Das ist an sich immer noch in Reichweite, aber da ich mich in der Vorbereitung auf den Berlin-Marathon befinde und der klar Vorrang hat, kam ein Tapering für die 10.000 m heute natürlich nicht in Frage. Die einzige Konzession, die ich gemacht hatte, bestand darin, kein weiteres Tempotraining in der Woche zu machen. Außerdem habe ich mir angewöhnt, das tägliche Pensum in einen Morgenlauf und ein nachmittägliches Training aufzuteilen. Die Regenerationszeit ist nun mal länger als vor 5 oder 10 Jahren.[/font]

[font=&amp]27 km (9 morgens, 18 nachmittags), 19 km (8+13) und 14 km (9+5) steckten von den ersten Tagen der Woche bereits in den Knochen. Als eine Art „Mikro-Tapering“ hatte ich mir lediglich erlaubt, heute auf den morgendlichen Lauf zu verzichten. Man will ja nicht gänzlich unvorbereitet in den Lauf starten. Nun stand ich also an der Startlinie und grübelte hin- und hergerissen: [/font]

[font=&amp]- [/font][font=&amp]„4-er Schnitt hab ich momentan nicht drauf. Kein Wunder, die vielen Kilometer spür‘ ich natürlich. Außerdem ist mir das sowieso zu viel Hetzerei. Gerade erst angekommen. Nicht mal richtig eingelaufen. Das sieht auch nach ziemlich viel Wind aus. Ist auch total demotivierend, wenn die Uhr piepst und der 100-er Durchgang liegt noch weit vor einem!“[/font][font=&amp] - Ich rief den Zeitalarm der Uhr auf und schaltete hoch von 24 auf 49 Sekunden, also Durchgangszeit alle 200 m und damit Endzeit 40:50 min. [/font]
[font=&amp]- [/font][font=&amp]„So, das lässt sich jetzt locker angehen! Andererseits: Bisschen mehr müsste doch drin sein. So in Richtung einer tiefen 40. Die kürzeren Bahnzeiten sprechen dafür. Aber 4 min? Nicht heute! Wär allerdings auch blöd, sich von vornherein einzubremsen!“ [/font][font=&amp]– Schon fummelte ich wieder am Zeitalarm herum und stellte ihn auf 24 zurück. Piepsen alle 100 m, Zielzeit unrealistische 40 min.[/font]

[font=&amp]Der Starter war mittlerweile fast mit seinem Sermon fertig, und ein weiteres Hin und Her gab’s nicht mehr. Erstaunt stellte ich im nächsten Moment fest, dass ich offensichtlich über telepathische Fähigkeiten verfüge. „Gelaufen wird auf der Innenbahn, und ins Ziel nach 25 Runden lauft ihr auf Bahn 3“, verkündete der Starter. „Wie soll ich mir das noch merken – nach 25 Runden?“, zuckte ein Gedanke durch meinen Kopf, während um eine Nanosekunde zeitversetzt ein anderer Läufer formulierte: „Wie soll ich mir das noch merken – nach 25 Runden?“ – Eindeutiger Fall von Gedankenübertragung![/font]

[font=&amp]Startschuss! Von der äußeren Bahn rannte ich zur Innenlinie. 3 Frauen und 10 Männer, alle gemeldet für den Lauf von 39 bis 43 min Endzeit, reihten sich hintereinander ein. Riesig waren die Abstände nicht, alle schienen sich realistisch eingeschätzt zu haben. Insgesamt gab es 3 weitere Läufe über 10.000 m, nämlich 36 bis 39 min, unter 36 min und über 43 min.[/font]

[font=&amp]Ich wollte meine Zwischenzeiten kontrollieren, war aber vor allem bedacht darauf, „mein“ Tempo zu finden, bei dem ich davon ausging, es weitgehend über die volle Distanz halten zu können, Piepserei hin oder her. Die Signale nach 200 und 400 m zeigten an, dass ich ein 4-er Tempo gefunden hatte. Es fühlte sich gut an. Mal sehen, wie lange das so gehen würde. Im Feld tat sich nicht viel. Eine Gruppe, die von Anfang an etwas schneller angegangen war, baute den Abstand leicht aus, 2 Läufer zogen von hinten kommend an mir vorbei, aber das war alles schon ein recht rundes Tempo, in dem die Läuferreihe ihre Bahn zog. [/font]

[font=&amp]Eine der Frauen lief ganz knapp hinter mir und wurde von ihren Betreuern regelmäßig über ihre Rundenzeiten informiert. Ich hörte das mit, aber ich brauchte das nicht. Mir reichte das Signal von der Uhr, und das kam auch nach einigen Runden immer noch knapp vor der 100-er Linie. Immer wenn ich den Eindruck hatte, dass ich 1 oder 2 Meter verloren hatte, legte ich ein wenig an Geschwindigkeit zu. Ich war nun froh, dass ich den 4-er Schnitt als vorgegebenes Tempo eingestellt hatte. Ohne dieses hätte ich mich wahrscheinlich leicht hängen lassen und nach und nach Sekunden verloren. Ob ich die Geschwindigkeit bis zum Ende durchhalten würde, da war ich mir nicht sicher, aber es sollte mindestens auf eine Zeit nur knapp über 40 min hinauslaufen.[/font]

[font=&amp]Wer schon mal 25 Runden auf der Bahn gelaufen ist, der weiß, dass das recht öde ist. Vom Abwechslungsfaktor her ist das ungefähr wie eine Verabredung zum Fernsehabend, bei der man sich vor die Waschmaschine hockt und nur noch überlegt, ob man sich vom 30° oder vom 40° Waschprogramm fesseln lässt. Ich hatte mir daher einen kleinen Trick ausgedacht (oder genauer: vom Intervalltraining übernommen). 25 Runden, das klingt schon nach sehr viel, und das ist es auch. 10 km hört sich nach weniger an. Also konzentrierte ich mich darauf, die km zu zählen statt der Runden. Und ja, bevor da nun ein mathematisch Geschulter vorrechnet, dass 10 * 1.000 und 25 * 400 auf dasselbe hinauslaufen: Ich weiß das, aber Wettkampf ist eben nicht nur Zahlen und Fakten, sondern auch viel Psychologie, und solche kleinen Tricks machen es einfacher. Natürlich nahm ich auch die Rundenschilder wahr – beim Start/Ziel-Durchlauf wird jedem Läufer stets seine verbleibende Rundenzahl angezeigt -, aber für mich zählte ich km.[/font]

[font=&amp]3 km waren gelaufen, die Frau hinter mir zurück gefallen, die Abstände zwischen den Läufern leicht gewachsen, aber ansonsten das Feld weiterhin ausgesprochen stabil in seiner Anordnung. Ich lief nach wie vor im 4-er Tempo. Auf der Gegengeraden hieß es immer, dem leichten Gegenwind nicht nachzugeben; das brachte sogar etwas Abwechslung in die Monotonie des Rundenlaufens. [/font]

[font=&amp]4 km, 5 km, weiterhin knapp unter oder knapp über Zielzeit 40 min. Sollte das doch etwas werden? Aber noch lag die Hälfte vor mir, und die Schlusskilometer und Schlussrunden können verdammt hart werden. Ein weiterer km lag hinter mir – ab der nächsten Runde würde die Anzeige einstellige Restrunden angeben. Die Reihenfolge der Läufer war, soweit ich das überblicken konnte, immer noch unverändert, aber erste leichtere Änderungen in den Abständen waren zu erkennen. Nicht alle würden wohl ihr gewähltes Tempo bis zum Ende hin durchhalten können. [/font]

[font=&amp]Noch 6 Runden, mehr als 2 km, lagen vor mir. Nun wurde es hart. Jetzt musste langsam die Entscheidung fallen, was am Ende heraus kam. Einen der Läufer, die mich eingangs überholt hatten, verließ die Kraft, er wurde merklich langsamer. Meine vorherrschende Kilometerzählung wurde nun von der Rundenzählung überlagert, ja fast abgelöst. 5 noch, nun 4, allmählich rückte das Ziel in greifbare Nähe. Den letzten Läufer überholte ich nun bereits zum zweiten Mal. Noch 3 Runden, noch 2 ½, der letzte km angebrochen. Zieldurchlauf, das Schild zeigte mir noch 2 läppische Runden an. Aber das vorher ausgemalte und geplante Anziehen wollte nicht klappen, zu anstrengend war der Lauf jetzt. Tempo beibehalten, nicht einbrechen! Der Piepser ertönt zunehmend hinter der 100-er Marke, d. h., ich muss eher schneller geworden sein, die Zielzeit 40 min ist greifbar, ach was, das muss jetzt klappen. 800 m kann ich beißen, das muss was werden![/font]

[font=&amp]Ich habe praktisch zu einem weiteren Läufer aufgeschlossen, höre seinen keuchenden Atem, lass ihn vor mir, laufe ein letztes Mal am Ziel vorbei, höre die Schlussglocke und haue auf den letzten 400 m das raus, was noch geht, drücke sogar 200 m vorm Ziel die Zwischenzeit ab, um das Tempo des Schlussspurts festzuhalten (42,7 sek für 200 m), ziehe am Vordermann vorbei, weil ich nun die bestmögliche Zeit herausholen will, laufe auf die dritte Bahn für den endgültigen Zieldurchlauf, werde kurz vorm Ziel von dem eben Überholten wieder abgefangen, was mir aber egal ist, und löse ein allerletztes Mal die Zeitmessung der Uhr aus. Geschafft! Es hat noch lange nicht gepiepst. Die eigene und die offizielle Zeit bestätigen es: 10.000 m in 39:50,93 Minuten! [/font]

[font=&amp]Ich bin hochzufrieden, bin vor allem happy, dass ich mich für die forderndere Variante bei der Zeitplanung entschieden habe. Auf der Straße bin ich in diesem Jahr als schnellste Zeit eine 39:59 gelaufen, heute auf der Bahn 8 Sekunden schneller aus dem vollen Training heraus. Das ist passabel! Im Gesamtfeld aller 4 Läufe landete ich damit natürlich im hinteren Bereich, als 29. von 34 männlichen Teilnehmern. Mit 40 Gesamt-Finishern (m + w) war die Beteiligung für einen Bahnlauf erstaunlich hoch.[/font]

[font=&amp]Falls jemand Nachahmungsgelüste hegen sollte: Der letzte Teilnehmer beendete sein Rennen in 1:06:00,4 h. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass der Anteil der Unter-40-min-Finisher mit 32 von 40, also 80%, im Vergleich zu Straßenläufen eklatant hoch [/font][font=&amp]ist. Die spätere Rückfahrt verlief im Gegensatz zur Hinfahrt unspektakulär und staulos in ca. 40 Minuten. [/font]

[font=&amp]Bernd[/font]
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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GeorgSchoenegger hat geschrieben:Hey, sub 40 - gratuliere! Trotz Stress am Start!
Die Sub 40 kann ich da jetzt nicht mit Sicherheit rauslesen:

burny hat geschrieben:Die spätere Rückfahrt verlief im Gegensatz zur Hinfahrt unspektakulär und staulos in ca. 40 Minuten.
Schöner Bericht, super Zeit!

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dummkind hat geschrieben:Die Sub 40 kann ich da jetzt nicht mit Sicherheit rauslesen:


:confused:
für mich sind 39:50,93 sub 40
12.05.2007 / 12.05.2012 / 09.04.2013 / 27.05.2017
...an Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit
An Tagen wie diesen, haben wir noch ewig Zeit
In dieser Nacht der Nächte, die uns soviel verspricht
Erleben wir das Beste, kein Ende ist in Sicht
(Toten Hosen)
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BIG 25 Berlin 2015 HM 2:14:xx

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Danke für das Feedback!
Ich muss gestehen, die 40 min für die Rückfahrt hatte ich gar nicht im Zusammenhang mit den 40 min der Laufzeit gesehen. Leider habe ich die Zeit nicht gestoppt, so dass die Frage "drunter oder drüber" zu den ungelösten Rätseln der Menschheit gerechnet werden muss. :D

Bernd
Das Remake
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