So, was wie ein endloses Gewürge anhub, ging am Ende dann doch ziemlich schnell. Nachdem mich der erste Chirurg mit der doppelten Leisten-OP auf den 18.11. vertrösten wollte, hatte ich am Dienstag der vorigen Woche den Termin für die nochmalige Erstuntersuchung in der Diakonieklinik Stuttgart. Bei der abschließenden Terminfestlegung ein wenig aufs Tempo gedrückt und schon läuft's: "Können Sie am 29.?" Ich hatte optimistisch mit Ende September gerechnet, fragte aber vorsichtshalber nochmal nach: "Wie jetzt, August oder September?" "Na, 29.August". Und ob ich konnte!
Vorstationäre Aufnahme schon zwei Tage später. Dort die nächste positive Überraschung: "Ah, Sie haben ihren OP-Termin am nächsten Donnerstag - das trifft sich gut, Donnerstags haben wir immer den OP-Roboter in unserer Abteilung. (Die Rede ist vom robot-gestützten OP-System "DaVinci".) Sind Sie damit einverstanden, dann operiert Sie die Chefärztin."
Die Frage trifft mich erstmal unvermittelt, so dass ich mich ins unverbindliche Blödeln flüchte: "Kein Poblem, wenn ich vorher mal dem Softwareentwickler auf den Zahn fühlen kann, ob er sorgfältig gearbeitet hat. Nicht, dass die Kiste am Ende unter Windows läuft und mich mal eben kurz und klein schneidet, bevor sie mit Blauschirm stehen bleibt." Natürlich wird mir ausführlich erklärt, dass der Computer eigenmächtig gar nichts macht, während die Chefin sich gähnend in die Cafeteria absetzt, sondern dass er lediglich durch die Operateurin geführt wird und dabei aber folgende wesentliche Vorteile bietet:
- Darstellung meines Innenlebens nicht wie sonst üblich in 2D, sondern auf 3D-Brille, dadurch viel bessere Treffsicherheit.
- Bequeme Arbeitshaltung des Operateurs (2 Stunden gebeugt über den Patienten kann verdammt lang werden und Fehler provozieren)
- Unvermeidliche Zitterbewegungen der Operateurshände werden komplett eliminiert.
- dadurch geringere Verletzungsgefahren für Nerven und Blutgefäße
- Geringerer sonstiger "Flurschaden", also weniger Schmerzen danach.
Vorteile ohne Nachteile ? Gibt's im Leben doch eigentlich nicht. Also bohre ich nach, kann dem willigen Aufklärer aber keine solchen aus der Nase ziehen. Damit steht fest - ich bin einfach nur ein Glückspilz, also sofort den Termin festgenagelt. Weiterer Glückstreffer: ich bin der erste auf der Liste, gleich morgens um 8:00 Uhr. Muss dafür zwar - nach 1h Anfahrt - früh um 6:30 einrücken. Aber das ist mir nur recht. Ein schläfriger Patient kann sich schließlich kaum selbst verrückt machen.
Natürlich bin ich 20 min. früher da, weil ich Stuttgart ohne Stau auf der A81 oder der B10 noch nie erlebt habe - außer eben heute. Zunächst hatte ich ja befürchtet, dass ich während der bevorstehenden Warterei im Schlachtkittel auf der Liege dann doch endlich mal so richtig nervös werden würde (wie gesagt, meine erste OP überhaupt). Aber es klappt nicht mit dem Nervöswerden. Im Gegenteil, ich kämpfe eher gegen das Einschlafen ganz ohne Narkose. Mir wird klar, dass er längst wirkt, der Diak-Virus. Diese Klinik hat sich nämlich zum Ziel gesetzt, das Wohl des Patienten an die erste Stelle zu setzen, wie jede Klinik ja wohl auch in ihrer Hochglanzbroschüre. Aber das Abartige hier ist, sie setzen genau das auch wirklich konsequent um! Jeder einzelne, vom Pförtner bis zur Chefärztin, von der Erstuntersuchung bis zum Entlassungsgespräch. Ausnahmslos nur freundliche, bemühte kompetente Mitarbeiter. Fast schon gruselig in diesen Zeiten der Servicewüsten gerade auch im Medizinsektor. Rundum informiert und vertrauensvoll liege ich auf meiner Bahre und harre mehr neugierig als nervös der Dinge, die da kommen sollen.
Nachdem sich dann auch noch sage und schreibe zwei Oberärzte und die operierende Chefärztin gut gelaunt vorgestellt haben, lasse ich mich ganz entspannt zur OP-Schleuse kutschieren, wo ein junger, ebenfalls gut gelaunter Narkoseassistent sich meiner bemächtigt. Mein einleitender "Rüffel", dass ich mir statt seiner kommenden Chemiecocktails doch lieber einen anständigen Schnaps gewünscht hätte, belustigt ihn so sehr, dass wir nur noch über alternative, höchst kreative Narkoseverfahren rumalbern und ich den Traum spezifiziere, mit dem ich gefälligst einschlafen will. Maske drüber, Drogenschleuse geflutet und weg bin ich, von jetzt auf gleich.
Ich wache auf, weil drei bis vier Grünlinge dicht um mich verteilt Betrieb machen und dann ganz schnell weg sind. Offensichtlich haben die mich gerade von der OP-Liege ins Stationsbett gehievt. Innerhalb von Sekunden bin ich hellwach und realisiere, dass alles schon vorbei sein muss. Der lustige Einschläferer von vorher huscht vorbei und fragt verschmitzt "Na, hat mein Schnaps gewirkt?" Die nette Aufwachschwester erklärt mir, dass ich noch eine Weile liegen soll und dann auf Station gefahren werde. So kommt es denn auch, dass ich um 11:00 Uhr putzmunter auf der nagelneuen Station liege. Kurze MMS mit Siegerfoto vom Blähbauch an die Lieben geschickt. Kurz darauf erster Klogang mit Begleitung - geht gut, ich spüre fast nichts, nur die rechte Schulter schmerzt etwas.
Der Nachmittag verfliegt schnell, bisschen lesen, paar SMSenhin und her, ein Telefonat mit der Holden. Dazu Visiten ohne Ende - Oberärztin, Chefärztin, und noch eine Ärztin. Obwohl ich heute seit der Narkose keine Schmerzmittel mehr bekommen habe, lassen die läppischen Schmerzchen im OP-Bereich schnell nach, nur die Schmerzen im Rücken und vor allem an der Schulter werden stärker und stärker. Aber das hatte man mir vorher schon ausführlich erklärt, dass das eine Nebenwirkung des Auftreibens des Bauches mittels CO2 sein wird, um sich Arbeitsraum zu schaffen.
Die Nacht ist unruhig und gegen Morgen wächst sich die Schulter zum Folterinstrument aus. Auf die Idee, die für solche Notfälle bereitgestellte Novalgin einzuwerfen, komme ich nicht. Als ich um 6:00 Uhr aufstehe, bin ich fix und fertig und habe große Zweifel, ob ich heute vormittag wirklich entlassen werden will. Inzwischen ist der sanfte Rüffel des Pflegers prompt erfolgt, wegen der verschmähten Novalgin. Die nehme ich nun und schwupp geht es aufwärts.
Es war vorher klar, dass ich evtl. nach einer, spätestens 2 Nächten entlassen werde. Da mich die Tochter wegen Chaos im Büro am Freitag erst mittags holen kann, habe ich es also gar nicht eilig, schnell wegzukommen. Lasse allen den Vortritt, beim abschließenden Ultraschall bin ich der buchstäblich der Allerletzte. Der ultraschallende Doc eröffnet mir, dass er bei der OP dabei war und dass alles super gelaufen sei. Zeigt mir die eingpflanzeten Netze und sagt mir auf den Kopf zu, dass ich 160 ml Flüssigkeit in der Blase hätte. Klar, einer der beiden Morgenkaffees - aber wo ist der andere abgeblieben ?
Abschlussgespräch, Verhaltensregeln, Papiere einsammeln. Entlassbrief und Laborwerte bekomme ich unaufgefordert, nur nach dem OP-Bericht muss ich dreimal nachhaken, bis ihn mir jemand ausdruckt. Ist wohl nicht üblich, dass Patienten nachfragen, aber bei den vielen KH-Aufenthalten meiner Frau habe ich mir angewöhnt, da immer drauf zu dringen, bin zu einer echten Datenkrake mutiert.
Jetzt muss ich nur noch eine halbe Stunde totschlagen, genehmige mir einen ordentlichen Cappucino im Casino und schon rollt der familieneigene Limo-Service vor. Die anschließende Logistik ist etwas kompliziert (wie immer in dieser Chaos-Familie
), da außerhalb meines eigenen engen Universums auch noch alles andere, was überhaupt passieren kann, genau heute auch passieren musste. U.a. für Frau Rennkartoffel ein Notfalltermin beim Zahnarzt. Bis wir dann endlich zu Hause abgeliefert sind, ist es früher Abend. Wir genießen die jähe Ruhe, aber eigentlich bin ich immer noch topfit.
Heute waren wir schon auf unserer samstäglichen "Gurkenrunde" über die Bauernhöfe, frisches Gemüse, freilaufende Eier und gutes Brot eingekauft, um die grässliche Krankenhaus"verpflegung" vergessen zu machen und vor allem die Darmperistaltik fit zu halten. Aber jetzt ist erstmal Chillen angesagt.
Nun habe ich vier Wochen Sportverbot (die vorsichtigste der durchaus widersprüchlichen Aussagen, die ich aus diversen Nasen ziehen konnte) und bin gewillt, die auch ganz sauber einzuhalten. Dann ist eine Nachuntersuchung fällig und da wird man weiter sehen.