Hallo,
da ich die Berichte gerne lese, schreib ich jetzt auch mal einen und hoffe, nicht zu sehr zu langweilen.
Eigentlich ist es mit nicht mal zwei Jahren Lauferfahrung und nur einem Halbmarathon ja noch reichlich früh, sich an einen Marathon zu wagen, aber da mir nach dem HM letzten Herbst längere langsame Läufe am Sonntag (auch mal 30km) sehr viel Spaß gemacht haben und es nicht so ganz klar war/ist, wie es sich mit der für den Sport verfügbaren Zeit weiterentwickeln wird, hab ich mich dann doch dafür entschieden mal probehalber mit einem strukturierten Marathontraining anzufangen und mir von unserem Trainer einen Plan geben lassen, den er für meine Laufkollegen aufgesetzt hat. Das war vor 12 Wochen ;-) Erst hatte ich überlegt unsere "Hausstrecke" in Hamburg zu laufen, die ich mir letztes Jahr als Staffel für dieses Jahr vorgenommen hatte, aber das hat sich dann terminlich mit einem Seminar überschnitten, so daß die Entscheidung für den Oberelbe-Marathon von Königstein nach Dresden (30.4.) fiel, auch mit Blick auf die grandiose Landschaft, die für mich auch ein Argument ist.
Zwischendurch hatte ich im Training leider wieder etwas Knieprobleme und mich schon geärgert, daß ich vor dem 12 Wochenblock nicht etwas zurückgesteckt habe ... Zu den Knien kam dann auch noch die linke Hüfte und mit einem unter Schmerzen dann doch durchgelaufenen 28km Lauf hätte ich mich auch fast abgeschossen, aber dann doch die Kurve bekommen und alles wurde wieder besser. Zwischendurch war ich für mich auch das erste Mal bei einem verlängerten Laufwochenende im Harz dabei, das unser Winter-Stabi-Trainer organisiert. Auch ein Highlight und Motivation für das weitere Training. Und die Höhenmeter waren auch eine richtige schöne Abwechslung für jemand, der in Bremen lebt.
So gingen die Wochen dahin, mit steigendem wöchentlichen Laufpensum so bis etwa 80 km/Woche und langen Läufen jeden Sonntag, bis 35 km. Um Ostern rum war ich zwei Wochen am Starnberger See zu einem NLP-Seminar und konnte da auch schöne Läufe am See und die Hügel rauf und runter machen. In der Osternacht wäre es dann fast das zweite Mal vorbei gewesen mit Marathon ;-) Ich hatte im Gästehaus eines Klosters übernachtet und wollte dort vor meinem letzten großen 38km LaLa von Tutzing links rum nach Starnberg zuvor noch die Osternacht mitfeiern. Hätte wohl vorher was essen und mehr trinken sollen und bin dann im Gottesdienst zusammengeklappt, war ein paar Sekunden weg und hab mich dann kurz drauf entschieden, mich doch erstmal wieder im Zimmer hinzulegen. Die Schwester, die sich rührend um mich gekümmert hatte, hat mich überzeugt, mal eben im benachbarten Krankenhaus den Blutdruck checken zu lassen und so lag ich dann ne halbe Stunde später mit erhöhten Herzenzymwerten und einem unterschiedlich interpretationsfähigem EKG und dem nicht ganz klaren Verdacht auf Herzinfarkt auf der Intensivstation ;-) Ich konnte das ganze für mich innerlich nicht wirklich ernst nehmen und hab mich nur amüsiert. Die Frau, die mit diversen entfernten Tumoren neben mir lag und nach 6 Tagen das erste Mal wieder Kartoffelpüree essen durfte, das ihr wie Manna vorkam ;-) strahlte auch eine enorme Lebensfreude aus und wir haben uns nett über Essen, speziell Fische aus der Region unterhalten bis ich auf die Beobachtungsstation verlegt wurde. Will das ganze nicht weiter ausdehnen, am Ende hat sich die Diagnose dann doch entspannt, keine Funktionsstörungen und nach einem Herz-MRT auch keine Vorbehalte gegen den Marathon. So bin ich das zweite Mal um einen Abbruch rumgeschrammt ;-)
Vorgestern abend schon in Dresden hat sich beim nachmittags beim Aufstehen vom Bett das linke Knie irgendwie komisch angefühlt, als wenn irgendwas verrutscht wäre und beim Spaziergang mit der Familie durch die grandiose Innenstadt von Dresden wurde es auch nicht besser und hatte ich Bammel, daß das am Sonntag ein kurzer Marathon wird ... Nach dem Aufstehen früh um 6h war es aber praktisch weg, nur noch ein kleines Feedback vom Knie, aber auch nicht die 100% ige Sicherheit ... Vielleicht war es die tolle Stimmung am Bahnhof unter all den Läufern, der grandiose Blick in das immer engere Elbtal in das uns die S1 brachte oder die Sonne: Beim Lauf hatte ich keinerlei Probleme mit dem Knie oder gar der Hüfte, nur ein klitzekleines "Hallo" bei km 39. Die dritte Hürde sauber umschifft ;-)
So ging es dann also um 9:25 mit 1128 weiteren Marathonläufern auf die Strecke von Königstein über Pirna und zahlreiche kleine Orte längs der Oberelbe nach Dresden. Ich hatte mich mit meinem eigentlich bescheidenen Zeitziel fürs Debüt im Feld leider doch etwas zu weit nach hinten orientiert und mußte so am Anfang doch etwas überholen und wurde leicht angebremst, was aber vielleicht auch sehr gut war. Irgendwann hatte ich dann meinen 3:30er Ballon und die beiden pace-Läufer erreicht. Da ich mich mit meiner etwa 4:50er pace allerdings sehr wohl gefühlt habe, habe ich beschlossen, vor ihnen zu laufen und hab trotz einer Dixiklo-Pause so nach 10km bis zu etwa 6min30 so bei 27km gegenüber meiner Zielzeit von 3:30 rausgeholt, soweit ich der Uhr da trauen kann, die auf die Gesamtstrecke so etwa 500m draufgeschlagen hat ... HM Zeit war 1:41:59, keine Ahnung ob brutto oder netto. Egal die Zahlen. Am Anfang war die Strecke etwas hügelig und ging es etwas auf und ab, aber dafür hatten wir auch teilweise schön Schatten, wenn es durch den Wald ging und der Blick und die Sonne waren einfach göttlich. Kein Vergleich zu dem Wetter, das ich in Hamburg gehabt hätte ;-) Auch die herzlichen Anfeuerungen der Sachsen in den Dörfern waren eine Bereicherung. Die Versorgungsstationen gaben mir einen richtig schönen Rythmus für die Strecke und nach den ersten beiden hab ich mir auch ein kurzes Stehenbleiben gegönnt. Ist ja schließlich kein HM Rennen und ich als Fitnessläufer und Debütant muß mir da auch keinen Stress machen ... Angesichts der reichlich Bananen frag ich mich, ob ich bei dem Lauf eine positive oder negative Kalorienbilanz hatte ;-) Zusammen mit dem Müslifrühstück, einer Banane und einem Obstriegel vorne weg hat es mir mit einem Gel so gegen km 30 jedenfalls nicht an Brennstoff gefehlt. Ach ja, die Gels ;-) Von den vier, die ich dabei hatte, hab ich drei auf die Strecke mitgenommen. Eins in der Hosentasche zusammen mit etwas NaCl in einem Schnappdösen und zwei rechts und links in die Hose geklemmt. Eins davon hab ich dann recht schnell verloren und das zweite mußte auch erst seinen stabilen Platz finden. Das aus der Hosentasche hab ich dann auch bis ins Ziel getragen und wieder mit heim genommen. Ich weiß jetzt, daß ich das nicht brauche ... Einen dicken Schnitzer hab ich mir so 11km vor dem Ziel erlaubt, als ich viel zuviel Wasser und dort erstmals angeboten Cola in mich reingekippt habe. Das hat mich dann leider so bis 2-3km vor dem Ziel doch ziemlich beim Atmen behindert und mir einige Minuten und vor allem Wohlbefinden gekostet. An der vorletzten Versorgungstation hatte mich dann doch noch das 3:30er Team eingeholt, das mir allerdings auch mental sehr geholfen hat die letzten km ohne Einbruch zu halten. Und ich wußte ja, daß ich nach ihnen gestartet bin und zur Not auch ein kleiner Hänger drin wäre. Auf den letzten zwei km hatte ich mich dann auch wieder soweit gefangen, daß ich ihnen wieder leicht davonziehen konnte und sogar noch eine Läuferin wieder ein- und sogar überholen konnte, die mich so bei km -8 bis -5 gezogen und dann doch etwas abgehängt hat.
Bei den wieder häufigeren Guilli-Deckeln auf den letzten km mußte ich an den "Energie-Anker" der Hahner-Zwillinge denken ;-)
Der Einlauf in das Stadion war dann wirklich ein Genuß! Die Tartanbahn unter den Füßen und das Wissen, daß jetzt nichts mehr schief gehen und mich vom Finishen meines ersten Marathons abhalten kann. Mein Vereinskollege, der mit seiner Frau zusammen den HM gelaufen ist (und kurz zuvor mit <2:54 den M in Hamburg ...), hat mich im Ziel begrüßt, so daß ich auch meine Freude direkt teilen konnte. Meine Familie war auch mit in Dresden, aber wenn man nicht selber laufaffin ist, ist so ein Stadion voller Läufer ja nicht wirklich der Bringer und war es mir auch mehr als recht, daß sie für sich etwas aus dem Tag machen. Extrem war das Gefühl nach etwas Ausruhen auf dem Rasen sich wieder aufzuraffen und mit reichlich Mühe die 300-400m und einige Treppenstufen zur Gepäckausgabe zu gehen bzw. eher zu humpeln und da nicht der einzige zu sein ;-) Auf dem Weg konnte ich mich auch noch bei einem der 3:30er pace-racer bedanken.
Zusammenfassend war es ein grandioses Erlebnis das erste Mal in meinem all die Jahre wenig von Sport und dafür um so mehr von Übergewicht geprägten Leben einen Marathon gelaufen zu sein. Das Trainingsziel war den von den Gelenken her möglichen Umfängen perfekt angepaßt (beim nächsten Mal etwas mehr Relaxen vorne weg) und von der eigenen Dummheit beim Trinken abgesehen hab ich auch keine Bekanntschaft mit dem Hammermann und seinen Kollegen machen müssen. Für die nächsten Wochen freue ich mich, mal wieder etwas mehr (Brust)schwimmen gehen zu können, was ich mir der Kniebelastung wegen die letzten Monate verkniffen habe. Wer einen kleineren, gut organisierten Marathon in einer schönen Landschaft sucht, dem kann ich den OEM sehr empfehlen, auch wenn mir der Vergleich fehlt ;-)
Euch danke ich für die Unterstützung dieses tollen Forums, die mir auf dem Weg zu diesem Meilenstein geholfen hat.
Viele Grüße,
Jens
Mein Marathondebüt an der Oberelbe
1Angefangen: 17.9.2015, PB 5km: 19:06 (8.1.2017), 10 km: 39:39 (05.02.2017), HM: 1:26:54 (07.10.2018), M: 3:27:35 (30.4.2017) https://runalyze.com/shared/Jde/