Erstmal muss man sich klarmachen, dass wird oft vergessen oder ist schlicht nicht bekannt, dass ein System der niedergelassenen Fachärzte, wie wir es in Deutschland haben, nicht der Normalfall ist. In den meisten Industrieländern gibt es z.B. keinen niedergelassenen Kardiologen, sondern da schickt einen der "Hausarzt" dann ins Krankenhaus oder in die Ambulanz eines Krankenhauses oder eine Poliklinik, wie es sie in der ehemaligen DDR gab, wo halt viele Fachärzte unter einem Dach arbeiten. (das aktuelle MVZ ist eher eine harmlose, halt privatwirtschaftliche Kopie).
Hier in Deutschland gibt es als "Hausärzte" meist Fachärzte für Allgemeinmedizin, dann gibt es Fachärzte für Innere Medizin, die aber ohne Spezialisierung wie Hausärzte arbeiten und dann eine große Zahl niedergelassener Fachärzte. Das sind alles kleine Unternehmen, deren Einkommen hauptsächlich von den Krankenkassen gezahlt wird, ob nun privat versichert oder nicht. Selbstzahler sind ja die Ausnahme. Zwischen den Kassen und den niedergelassenen Ärzten ist über die Jahrzehnte ein absurder Wettbewerb enstanden, weil auf der einen Seite möchte man natürlich möglichst wenig zahlen, auf der anderen Seite möglichst viel verdienen. Das ist jetzt überzeichnet, in der Realität sieht es eher so aus, das man abhängig vom Facharztitel und Lage der Praxis eher ums wirtschaftliche Überleben oder ums größere Grundstück kämpft. Aber das sind halt Interessen.
Führt aber beispielsweise dazu, dass es zum Beispiel auch aus Sicht der Kassen genug Fachärzte gibt und man trotzdem keine Termine bekommt. Aus meiner Sicht alles eine Folge, dass man einerseits einen Wettbewerb zumindest teilweise privatisiert und dereguliert, der aber andererseits so nicht funktioniert, weil einerseits ein Patient halt doch nicht so agiert oder agieren kann, wie jemand, der ein Auto kauft und andererseits aber die niedergelassenen Fachärzte auch nicht so agieren dürfen und können, wie Autoverkäufer es tun. Man würde den Autoverkäufer auch nicht zwingen, seinen Laden irgendwo in der Pampa mit schlechter Infrastruktur zu eröffnen.
Es ist schlicht absurd, einem niedergelassenen Facharzt zu sagen: 1) Du musst Deine Praxis wirtschaftlich führen 2) Du bekommst dafür von den Krankenkassen für einen Patienten so viel Geld und für den anderen Patienten das fünffache. 3) Du darfst aber bei Deiner Terminvergabe keinen dieser Patienten bevorzugen.
Letztlich ist das die Folge einer zunehmenden Privatisierung des Gesundheitssystems, die zur Kostenbeschränkung gedacht war, aber diese aus meiner Sicht nur ziemlich Ineffizient erreicht. Ich halte die Privatisierung, zumindest so wie sie aktuell erfolgt und erfolgt ist, für einen Fehler. Käme jemand auf die Idee, die Feuerwehr zu privatisieren ?
Vermutlich nicht, weil er Angst hätte, dass im Zweifel sein Haus abbrennt, weil es gerade nicht wirtschaftlich ist, es zu löschen. So wartet man halt monatelang auf Termine oder es gibt ineffiziente oder gar gefährliche Behandlungen in den Krankenhäusern durch den Kostendruck. Das Problem kann man prinzipiell nie aus der Welt schaffen, weil halt die Gelder für das Gesundheitssystem begrenzt sind, aber aktuell ist es kein wirklich effektives System. Lässt sich im Falle der Krankenversicherungen ja auch leicht darauf herunter brechen, dass Wirtschaftlichkeit bei Versicherungen auch nur dann funktioniert, wenn diese auf einer Risikobasis den Beitrag bemessen dürfen. Das passiert natürlich im Gesundheitssystem nicht, zumindest nicht bei Pflichtversicherten. Dann trotzdem einen Wettbewerb zwischen den Kassen auszuloben, hat natürlich dann auch Effekte, die man nicht haben will, aber dann tolerieren muss.
Im Idelfall sollte doch, wie im obrigen Fall, ein Hausarzt, d.h. jemand, der den Patienten im Idealfall über Jahre kennt, untersuchen und feststellen, was die weiteren Schritte sind und dann, wenn notwendig, zum Facharzt überweisen. Dazu gehört dann auch eine Einschätzung, wie dringlich das ist. Wenn der Patient der Meinung ist, dass er es besser weiß, wie der Arzt, muss er halt selbst zahlen. Dann kriegt er auf Verhandlungsbasis als Selbstzahler bestimmt gleich einen Termin.
Als ich selbst in einer (neurologischen) Praxis gearbeitet habe, waren ca. 75% aller Patienten, die selbst der Meinung waren, sie bräuchten einen Termin beim Neurologen, schlicht falsch und brauchten einen andere Fachrichtung oder hatten ein ganz anderes Problem. Sowas kostet natürlich Zeit und Geld.
Letztlich darf man nicht vergessen, dass wir trotzdem eines der besten Gesundheitsysteme weltweit haben. Man bekommt hier in den allermeisten Fällen eine, nach Insutrienationenstandard gemessen, exzellente Versorgung und wenn es wird in den allermeisten Fällen nicht am Geld scheitern, dass man wieder gesund wird.