Gueng hat geschrieben:Ich glaube ganz und gar nicht, dass es den Laufschuhherstellern in den letzten Jahrzehnten egal war, wie der Läufer den Fuß aufsetzt.
Denn ganz offensichtlich ist der sog. "moderne Laufschuh", wie er seit ca. 30 Jahren verkauft wird, für das Fersenlaufen optimiert:
Der "moderne Laufschuh" wird seit etwas über 40 Jahren verkauft. Durchgesetzt hat er sich in verschiedenen Varianten im Laufe der 70er Jahre, also vor über 30 Jahren.
Damit wir uns einig sind, worüber wir reden: Was konstituiert den modernen Laufschuh?
Es gibt drei wesentliche Elemente, die alle so etwa Ende der 60er eingeführt wurden und den modernen Laufschuh bestimmen. Vorher gab es außer den Rennschuhen mit Dornen (Spikes) kaum spezielle Laufschuhe. Die drei Elemente sind:
1. der Nylonschaft (statt wie zuvor Canvas wie bei den "Chucks" oder Vollleder wie bei Spikeschuhen und anderen Trainingsschuhen), der durch Verstärkungen stabilisiert wird
2. eine gewisse Sprengung (statt wie zuvor eine Nullsprengung bei den zuvor üblichen "Universaltrainingsschuhen" oder bei den meisten Spikeschuhen, die Nullsprengung ist z. B. auch heute noch bei den meisten Fußballschuhen üblich)
3. eine mindestens zweiteilige Sohle, bei der mindestens die Zwischensohle eine dämpfende Wirkung hat. Anfangs bestand diese heute meist aus EVA, das in vielen angeblich weiterentwickelten Varianten auch heute noch ein weit verbreitetes Material für die Zwischensohle darstellt
Diese drei Änderungen ermöglichten leichtere und flexiblere Schuhe mit ausreichender Stabilität und Haltbarkeit. Sie ermöglichten den modernen Laufschuh, ermöglichten Laufschuhe, mit denen auch heute noch die meisten LäuferInnen erfolgreich trainieren könnten.
Nahezu alle Entwicklungen, die danach kamen, sind im wesentlichen Detailverbesserungen oder -verschlechterungen. Danach kamen keine bahnbrechenden Innovationen und kaum entscheidende Veränderungen, auch wenn die Hersteller bis heute regelmäßig versuchen, uns vom Gegenteil zu überzeugen.
Und das ist für mich das große Problem an der immer wiederkehrenden Laufschuhdiskussion:
Beide Seiten glauben nach wie vor zu sehr an die Wirkung von Dämpfungs, Stabilitätselementen, Materialien aus der Weltraumforschung und was auch immer für einem Firlefanz. Der wesentliche Unterschied: Die "natural running-Fans" halten den Firlefanz tendenziell für schädlich, die eher auf konventionelle Schuhe eingestellten Läufer tendenziell für gut.
Aber bei vielen Features der Schuhe wissen wir gar nicht, ob und wie sie wirken: Wann ist jemals seriös und unabhängig untersucht worden, wie stark eine wie dicke EVA-Sohle dämpft? Wer hat auch die zusätzlich dämpfenden Einlegesohlen berücksichtigt und verglichen? Wer hat die jeweiligen EVA-"Weiterentwicklungen“ der verschiedenen Hersteller miteinander und mit dem „veralteten“ normalen EVA verglichen?
Wer hat seriös erforscht, ob Air, Gel usw. wirklich stärker oder dauerhafter dämpfen als andere Lösungen?
Fast alle Beteiligten an der Diskussion verlassen sich viel zu sehr auf Herstellerangaben. Manche glauben anscheinend, dass bei den Herstellern ernsthafte (Grundlagen-)Forschung stattfindet. Die wichtigste Forschung der Hersteller ist doch wohl die Marktforschung!
Seit über 25 Jahren beobachte ich das Laufschuh-Angebot und die Laufszene, und die Konsequenz aus meiner Erfahrung: Ich glaube erst einmal nichts was von Laufschuhen behauotet wird - nicht das was der Hersteller behauptet, nicht das was der Verkäufer sagt, nicht das was seltsame Ärzte (Marquard), seltsame Experten (Steffny), schon gar nicht das was schräge Gesundheitsapostel (Strunz) oder lausige Journalisten (McDougall) behaupten. ch glaube nicht, sondern ich zweifle.
Und etwas mehr Skeptizismus, gerade gegenüber dem was man manchmal selbst nur allzugern glauben möchte, würde auch manchem promovierten Wissenschaftler ganz gut stehen - nur meine Meinung.
Wenn die Laufschuhe wirklich für den Fersenlauf optimiert wären, wäre das dann nicht höchstwahrscheinlich eine Reaktion auf die Bedürfnisse der Läufer, auf die Nachfrage des Marktes? Oder ist die Propagandawirkung der Herstellerwerbung (und die Dummheit und Manipulierbarkeit der Konsumenten) etwa so groß, dass die Hersteller beliebige Produkte in den Markt drücken können?
Wenn wir davon ausgehen, dass der freie Markt funktioniert, dann wird eben produziert, was gute Verkaufschancen hat, und dann sind die produzierten Schuhe eine Reaktion auf die Nachfrage. Wenn wir davon ausgeben, dass in diesem Bereich Oligopole und manipulierende Werbung den Markt einschränken, dann kann eine Firma mit enstprechendem Marketng nahezu alles in den Markt drücken.
Nike hat wohl mit das beste Marketing und wahrscheinlich den größten Werbeetat, und die können offensichtlich auch fast alles verkaufen, und das sogar nahezu gleichzeitig: Von Schuhen mit riesigen sichtbaren Luftkissen bis zum Nike free, vom stabilen Air Structure bis zum ultraleichten Nike Mayfly.
Und wie die Läufer mit den Produkten laufen, das interessiert die Unternehmen so sehr? Ist es wichtiger, dass der Nike Free in erster Linie als Freizeitschuh getragen wird (und die Träger dabei beim Gehen mit der Ferse zuerst aufsetzen
), oder wichtiger, wie viele davon verkauft werden?
Gruß
C.