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Zermatt Marathon – Highland Cathedral mit Viertausendern und Himmelsdach

Zermatt Marathon – Highland Cathedral mit Viertausendern und Himmelsdach

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Man sollte ja meinen, dass man sich kaum irgendwo schweizerischer fühlt als im schönen Wallis, umringt von den schönsten Viertausendern. Matterhorn, Lyskamm, Breithorn, Castor, Pollux, Lyskamm, dann Blick auf den Grenzgletscher bis rauf zur Margeritahütte, Dufourspitze. Aber nein, stattdessen hör ich beim Wort „Zermatt Marathon“ nur dauernd den Dudelsackspieler, wie er „Highland Cathedral" spielt. Aber doch am besten mal ganz von vorne.

Der Zermatt Marathon steht ja schon länger auf meiner Wunschliste. Viele schöne Laufberichte und Hörensagen im Forum oder auf anderen Plattformen, und schliesslich kenn ich ja die Gegend durch meine vergangenen Bergtouren auch recht gut. Warum also nicht mal leichtfüssig in Laufschuhen den Berg hochtraben, statt mit schwerem Rucksack samt Steigeisen und Gletscherpickel?

Dieses Jahr wars dann endlich soweit. Rasch einen der sehr begehrten Startplätze für den Ultra ergattert (wenn ich schon so weit anreise, will ich auch den maximalen Spass haben, hüstel), auch noch gleich ein günstiges Hotel dazu gebucht, ein bisschen trainiert, und schon kann die Show beginnen. Freitagabend mit dem Auto angereist, im Vorbeigehen in Sankt Niklaus die Startnummer samt rotem Gepäckbeutel (der einen eindeutig als Ultraläufer identifizieren lässt und für allerlei Blicke sorgt, die ich lieber nicht genau analysieren möchte). Dann mit dem Zug nach Zermatt hochgerattert, um dort pünktlich zum Abendessen mit Laufbekanntschaft Uli zu erscheinen. Passt doch perfekt, alles sieht gut aus. Auch dass es in Strömen regnet und kühl ist mag mir nicht die Stimmung verderben, zumal die ortskundige Chefin im Hotel meint, für Samstag sei gutes Wetter angesagt. Daher bleibt auch der Laufrucksack samt Regenjacke zurück, ich starte in Kurz und nur mit Armlingen, die ich runterkringeln kann. Verpflegung hats ja mehr als genug unterwegs.

Am nächsten Morgen dann wieder mit der Bahn runter nach St. Niklaus, dort am ominösen Treffpunkt – wie im Forum vereinbart - „beim rechten Toilettenhäuschen“ natürlich niemanden angetroffen, aber nichts desto Trotz hab ich dann in dem recht überschaubaren Läuferfeld Uli doch wieder getroffen. Wir einigen uns, mal zusammen loszulaufen, mit der Vorgabe, dass jeder sein Ding so macht, wie es halt geht. Rund 10 Kilometer passt es dann auch, ich nutze die noch wenig spektakulären Kieswege zum Warmlaufen. Unterwegs spielt eine Musik „Highland Cathedral“. Irgendwann mal verlier ich zwar leider Uli als Begleitung, aber spätestens beim ersten etwas knackigeren Aufstieg nach Zermatt hoch bin ich eigentlich ganz froh, dass ich alleine meinen Trott gehen kann. Wobei „alleine“ relativ ist. Es hat für mein Erachten relativ viele Leute auf der Strecke, und gerade auf den Single Trails reiht man sich gezwungenermassen öfters mal einfach in die Reihe ein und macht das vorgegebene Tempo mit.

Dann erst mal nach Zermatt runtersausen. Dort ist ziemlich viel los, etwas zuviel für meinen Geschmack. Viel Publikum, irgendeine (sorry, wirklich dumme) Läuferin (ich hab keine Ahnung, ob die überhaupt zum offiziellen Lauf gehört hat oder einfach nur ein bisschen Show machen wollte) läuft mit einem Zwergdackel mitten auf der Laufstrecke mit, und mindestens 2 Läufer stolpern über den Hund. Andere stolpern über Abgrenzgitter, die Staffelläufer schiessen aus der Wechselzone und rempeln sich den Weg frei, nur um dann oben am Wendepunkt in Zermatt schon das erste Mal einen halben Kreislaufkollaps zu haben – ich wundere mich grad etwas, bei was für einem Lauf ich hier gelandet bin. Umso mehr geniess ich es dann, als es endlich in den grossen Aufstieg Richtung Sunnegga geht, jetzt kommt Ruhe ins Spiel. Das Matterhorn ist etwas zickig heute und hat dauernd irgendwelche Wölkchen um sich herum, so dass man es kaum einmal in voller Pracht zu sehen bekommt. Auch die anderen Berge geben sich recht bedeckt, naja macht nichts, dafür ist es auch nicht so heiss, worüber ich eigentlich bei diesen langen Anstiegen ganz dankbar bin.

Bei Sunnegga schaffe ich es auch wieder anzulaufen, die Strecke führt dem Tal entlang bis zu einem See und auf der anderen Seite weiter bis Riffelalp, und macht viel Spass. Es hat für jeden Geschmack ein bisschen was dabei. Holprige Abstiege, dann wieder etwas breitere Kieswege, nette Japaner, die einen anfeuern als wäre man der coolste Läufer auf der ganzen Welt. Einfach nur schön.
Schön ist auch Riffelalp. Ein Bahnhof mit vielen Leuten und Riesenstimmung, die Sonne drückt nun auch mehr und mehr durch. Voller Elan um die nächste Kurve, und dann ist es zumindest bei mir grad ein bisschen vorbei mit der guten Stimmung. Denn nun wird mir bewusst, was der Läufer heute morgen im Zugabteil gemeint hat mit „eine Stunde für die letzten drei Kilometer“. Der Blick geht weit hoch, und dort ganz weit oben ist der Riffelberg. Die Strecke führt relativ freudlos aufwärts bis zur Steinschlaggalerie der Gornergratbahn, es ist heiss und trocken. Und es dauert. Und ich gehe. Langsam. Alle anderen auch. Nach gefühlten Stunden ist es soweit, ich komme oben beim Riffelberg an. Und was passiert dort? Ein Dudelsackspieler steht da und spielt „Highland Cathederal“. In dem Moment überrumpeln mich meine Emotionen. Tränen laufen mir über die Wangen, ich würd am liebsten laut schluchzen. Zum Glück fehlt mir aber die Luft dazu. Ich zwinge mich dazu, wieder etwas normaler zu sein, denn schliesslich ist der Spass ja noch lange nicht zu Ende. Auch wenn der innere Schweinehund gerade gnadenlos die Gunst der Stunde nutzt. „Komm jetzt“ säuselt er mir ins Ohr „du hast dich jetzt genug blamiert bei diesem jämmerlichen Aufstieg vorhin. Es reicht jetzt. Du musst einfach nur ins Ziel einlaufen, und dieses Trauerspiel hat ein Ende. Marathon ist ja auch gut“. Ich wanke. Ich zweifle.

Aber mein Schweinehund hat die Rechnung ohne die Organisatoren gemacht. Denn statt direkt beim Riffelberg einzulaufen muss man noch weiter hochsteigen und noch eine weitere Schlaufe hinten dem Berg entlang machen. Und dann geht’s für die Marathonis wieder runter. Und für die anderen hats eine nette Verpflegungsstelle. Und ein Ordner, der sich vor mich hinstellt, mit strenger Miene, und mit seinem schönsten Walliserdeutsch sagt „dü chasch da düru“ . Sorry Schweini, du hat gehört was der Mann gesagt hat. Ausserdem hupt aus vollem Leib unten auf dem Riffelberg die Guggenmusik grad wieder mal „Highland Cathedral“. Himmel, können die auch noch was anderes?! Schnell noch ein Stückchen Energy-Riegel zur Besänftigung nachgeschoben und weiter geht’s.

In einem etwas sanfteren Anstieg geht’s weiter, und dann sieht man ihn. Den Gornergrat, so weit oben nochmals. Aber umkehren wär jetzt auch blöd. Alle 500 Meter ist jetzt ein Distanz-Schild. Und noch einmal ein Verpflegungsposten. Steil geht es hoch, über steinige Bergwege. Die Armlinge werden jetzt doch noch benutzt, es weht ein eisiger Wind da oben. Die wüsten Schimpfworte, die ich dem Gornergrat innerlich verpasst habe schreib ich jetzt nicht auf. Und endlich ist sie da, die berühmt Treppe über das Bahngeleise. Und dann nochmals steil zum Gebäude hoch. Arme hochreissen, ein lautes Juhui gerufen, und die Uhr bleibt nach 6:44 Stunden stehen.
Dann gibt’s die heissersehnte Medaille, das Finisher-Shirt, ein weiteres Ueberraschungsgeschenk in Form einer Mütze (die haben glaub wirklich mit allem gerechnet) und eine Wärmefolie. Mit der Bahn geht’s bald dann wieder runter zum Riffelberg, wo das Gepäck und eine wunderbare, heisse Dusche wartet.

Ich kann wirklich nur Gutes über den Lauf sagen. Auch wenn das Startgeld mit 150 Franken doch eher teuer ist, muss man doch berücksichtigen, dass man Freitag bis Sonntag freie Fahrt mit der Bergbahn hat. Das heisst, man kann, wenn man Zeit hat am Sonntag nochmals an den Tatort zurückfahren, um sich die ganzen schönen Berge und Gletscher nochmals in Ruhe anschauen, ohne Schweissbäche in den Augen und verkniffenem Blick. Die Verpflegungsposten sind zwar nicht gerade wie beim Rennsteig, aber für mich hatte es alles, was es braucht. Iso, Riegel, und vor allem Cola! Die Leute sind überall herzlich und liebenswürdig. Ja, ich glaub, das könnt ich wieder mal machen.

Vielen Dank fürs Mitlesen und viele Grüsse, Marianne

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Danke für den tollen Bericht. Das liest sich so leicht, locker und appetitanregend ... aber ich glaube, das täuscht ein bisschen. Allein was schon in "ein bisschen trainiert" für solch einen Lauf steckt. Unvorstellbar!
Gratulation zum Weiterlaufen auf dem Riffelberg und zum Finish!

Grüße von Mitsch

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Hallo Marianne,

hast ne tolle Schreibe :daumen: , klasse Bericht!

Wenn du mir jetzt noch übersetzt was „dü chasch da düru“ heißt, bin ich vollends glücklich :) (heißt es evtl. "due gosch (musch) do nieber"?)

Erhol dich gut!
Liebe Grüße,
Volker

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bolk hat geschrieben:Hallo Marianne,

hast ne tolle Schreibe :daumen: , klasse Bericht!

Wenn du mir jetzt noch übersetzt was „dü chasch da düru“ heißt, bin ich vollends glücklich :) (heißt es evtl. "due gosch (musch) do nieber"?)

Erhol dich gut!
Danke Volker,
ich bin zwar weder Schweizer noch Schwabe, aber aus beidem ergibt sich nun doch auch ein Sinn für mich :zwinker4:

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bolk hat geschrieben:Hallo Marianne,

hast ne tolle Schreibe :daumen: , klasse Bericht!

Wenn du mir jetzt noch übersetzt was „dü chasch da düru“ heißt, bin ich vollends glücklich :) (heißt es evtl. "due gosch (musch) do nieber"?)

Erhol dich gut!
:unterschreib:
SchweizerTrinchen hat geschrieben:Also ganz korrekt übersetzt heisst es: Werte Dame, bitte folgen Sie dem Weg hier entlang. :wink:
Aha. :hihi:

Gratuliere Dir und vielen Dank für's Teilhaben lassen. :hug:

Läuft das Ganze in 6:44h und redet von Blamage und jämmerlichem Aufstieg.....ich fass es nicht! :wow:
Freitagabend mit dem Auto angereist, im Vorbeigehen in Sankt Niklaus die Startnummer samt rotem Gepäckbeutel (der einen eindeutig als Ultraläufer identifizieren lässt und für allerlei Blicke sorgt, die ich lieber nicht genau analysieren möchte).
Die haben bestimmt in Gedanken schon die "B-Note" vergeben :zwinker2:
Liebe Grüße
- Carmen :hallo:
Bild

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Toll geschrieben, liebste Marianne! :nick:

Ich glaube, man muss die Berge lieben, um solche Touren zu genießen. Mir zieht sich dagegen beim Lesen irgendwie alles zusammen ... nee, diese Wechsel zwischen Gehen und Laufen sind nichts für mich. Wenn ich zu einem Lauf antrete, dann will ich auch laufen können und nicht wie eine Arbeitsameise ins Glied rücken und kilometerweit zügig bergauf marschieren müssen, wie es alle anderen auch tun. :D

Egal, ich muss da ja nicht hin - dafür willst, kannst und darfst du es tun. Und du hast das mal wieder grandios gemeistert - ganz herzliche Glückwünsche von mir! :daumen: :first:

LG,
Anne

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SchweizerTrinchen hat geschrieben:Uli, im Gegensatz zu dir hatte ich ja einen ganz langweiligen, unspektakulären Lauf :angst:
Aaalso, so ein kleinwenig weniger kurzweiliger hätt´ ich schon ausgehalten; aber wenn so alte Esel halt mit jungen Hüpfern auf die Strecke gehen.... das kann ja nix werden.... :zwinker2:
former known as uli.g.

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Ach da geht einem des Herz auf! :geil: Toller Bericht, von einem tollem Lauf!
Habs glaub schon mal geschrieben: Wollt ihr uns nicht was von Euren Bergen abgeben? In Euro wäre die Teilnahme sicherlich auch günstiger :zwinker5:
Kannst ja nochmal drüber nachdenken!

Viele Grüße

Philipp
klick mich :teufel:

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SchweizerTrinchen hat geschrieben:@ Uli:

Also wenn ich höre, was du alles erlebt hast, und wenn man das ausblenden täte, dann hättest wohl eher du mich stehen lassen.
:peinlich: :hallo: :küssen:


:zwinker2:
former known as uli.g.

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Hallo Marianne,

ich bin den Halben gelaufen (ähem, zwei Drittel strammen Schrittes gegangen, vor allem die Rampe war ja mega ...), und habe tiefste Hochachtung vor jedem Finisher des Ultra. Ein Lauffreund aus Hamburg ist auch den Ultra gelaufen, ich bin also nach Zieldurchlauf hoch aufs Gornergrat, dort ihm wieder ein Stück entgegen runter und ihn bis zur Treppe über die Zahnradgleise wieder hochgeschwätzt. Wahnsinns Leistung :winken:
Läuferische Grüße
Anette und Iwan

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@ Annette und Iwan:

Ich finde alle Klasse, die an diesem Anlass in welcher Kategorie auch immer gestartet sind. :)

@ Stefan:

Ich bin noch für die 51 km am Eiger gemeldet übernächstes Wochenende.Ich bin froh, wenn ich bis dahin wieder einigermassen regeneriert und fit bin. Da noch den K78 nachzulegen wäre grad etwas sehr, sehr kühn. Dir aber auf jeden Fall viel Spass in Davos, bin fast ein bisschen neidisch, so ein schöner Anlass!

Mit vielen Grüssen, Marianne

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Verspätet auch noch von meiner Seite ein grosses Kompliment – einerseits für die Leistung, anderseits für den launigen Bericht.

Für mich war der Zermatt-Marathon 2014 (ich nannte es in der Vorbereitung das «Projekt 2014» auch der erste Berg-Marathon. Und ich habe die 42,195 Kilometern in vollen Zügen genossen. Insbesondere die Verpflegungsstationen mit den tollen und superfreundlichen Helfern waren ja der Hammer.

Habe meine Gedanken unter dem Titel «Der Bergfloh vom Rheinknie» auch mal zusammengetragen – allerdings weniger ein detaillierter Laufbericht, als vielmehr eine Spurensuche auf der Frage nach dem «Warum tue ich so was überhaupt»? Tja, wer kennt diese nicht?…
strohmRUN.com
Der Blog zum Davonlaufen

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Hallo Marianne,

auch von mir vielen Dank für den schönen Bericht!!! Ich schnaufe schon gehenderweise einen Berg hoch ... und das laufenderweise??? Respekt!!!
Freu' mich schon auf deinen nächsten Bericht!

Viele Grüße
Andrea

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Danke für den link zu einem höchst amüsanten Bericht, vloggy :zwinker5:

Ja, diese und ähnliche Gedankengänge kenn ich nur zu gut. Ich glaub, ich könnte ganze Bücher mit Sinn und Unsinn füllen, der mir während so einem Lauf durch den Kopf geht. Ich glaub, ich habs in einem meinen älteren Berichte mal so ausgedrückt, dass mich hin und wieder "Zweifel an der Richtigkeit meines Tuns" beschleichen. Das geht mir immer noch so. Aber komischerweise immer nur am Start, allenfalls noch unterwegs, nie am Ziel. Und solange mach ich halt weiter :P

Danke euch allen für die lieben Kommentare, und viele Grüsse

Marianne

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SchweizerTrinchen hat geschrieben:(...), dass mich hin und wieder "Zweifel an der Richtigkeit meines Tuns" beschleichen. Das geht mir immer noch so. Aber komischerweise immer nur am Start, allenfalls noch unterwegs, nie am Ziel. Und solange mach ich halt weiter :P
Geht mir doch genau so. Irgendwo zwischen Sunnegga und Riffelalp war irgendwie klar, dass dies nicht der letzte Zermatt-Marathon gewesen sein wird. Vorerst wird das Jahr 2015 aber noch im Flachland abgerundet (München, 12. Oktober).

Zuvor werde ich aber Ende August/Anfang September noch zwei Wochen Ferien in Zermatt machen. Gut möglich, dass ich mich dann zu einer Hotel-Buchung für ein gewisses Wochenende im Juli 2015 hinreissen lassen könnte…

E liebe Gruess

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