d'Oma joggt hat geschrieben:Mir machen lange Läufe viel Freude, ich kann gut Stress abbauen, aber meine Grenze liegen eher bei 3 Stunden Laufzeit ... Ich habe eher gesundheitliche Laufziele, da ist mir eine Strecke >25 km eher suspekt.
Hallo Anke,
es gibt diverse Studien zu der Frage, ob ein Marathon überhaupt gesund sein kann (von weiteren Strecken gar nicht zu reden). Erst gestern habe ich wieder von einer gehört. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Auch im Grundsatz nicht. Sie steht im Spannungsfeld zweier Extreme, von denen das menschliche Sein im 21. Jahrhundert geprägt ist. Wobei das eine Extrem nur deshalb eines ist, weil wir es inmitten unserer "Zivilisation" als eines empfinden. Ich spreche von unserem genetischen Erbe. Genetisch stehen wir noch auf der Entwicklungsstufe des "Jägers und Sammlers". Unsere Vorfahren waren vor 20.000 Jahren dazu verdammt jeden Tag weite Entfernungen in einem Mischmasch aus Gehen und Laufen zurückzulegen. 20, 30, 40 km jeden Tag! Um das schadfrei zu überstehen, hat die Evolution den menschlichen Körper über Jahrmillionen entwickelt. Mit anderen Worten: Jeder Mensch kommt - auch heute noch! - als Geh- und Laufwesen zur Welt, mit einem Körper der prädestiniert zur Fortbewegung ist.
Und die Realität? Im Schnitt bewegen wir uns heute keinen km mehr täglich vorwärts. Ein paar Schritt bis zum Bus/Bahn, viele nicht mal mehr das, weil sie das Auto nehmen. In der Freizeit wird versucht das Defizit etwas zu verbessern. Der menschliche Körper braucht Bewegung, weil er sonst unmittelbar nach Abschluss der Entwicklung im jugendlichen Alter schon zu verrotten beginnt. Schau dir 30- oder 40jährige heute an. Wie sie sich durch ihr Leben schleppen, wie sie ihren Körper "verbrauchen", sich dann mit nicht mal 50 wundern, dass sie eine Krankheit nach der anderen anspringt. Damit nicht genug: Schon vielen Jugendlichen und Kindern kommt in der körperlichen Entwicklung, in einer Phase, in der die Bewegung noch wichtiger wäre, schon die Lust am Draußensein abhanden. Ursachen dafür gibt es viele.
Somit muss man sich nicht wundern, wenn viele Erwachsene keine 10 min mehr langsam joggen können und es - irgendwann Kraft eigener Einsicht - dann mühsam wieder erlernen müssen. In einem Zustand fortgeschrittenen Verlustes der eigentlich per menschlichem Erbe "gratis" erhaltenen Fähigkeit wiederholt und sehr weit laufen zu können, muss man natürlich sehr moderat und langsam seine Laufziele ausdehnen. Es ist auch möglich, dabei frühzeitig an Grenzen zu stoßen. Trotzdem stehe ich zu meiner Überzeugung: Wer Marathon laufen möchte (das wirklich will! ohne Wenn und Aber) und sich methodisch richtig vorbereitet, wird das in der Vielzahl der Fälle auch schaffen. Und zwar ohne dabei wesentliche gesundheitliche Risiken einzugehen. Die Betonung liegt dabei aber auf "methodisch richtig vorbereiten"! Das kann im Einzelfall zu einem sehr langen Weg werden und ein Höchstmaß an Beharrlichkeit verlangen.
Was man definitiv nicht tun sollte, ist, sich unzureichend vorbereitet auf lange Strecken zu wagen. Wer den Aufwand nicht schultern kann - völlig gleichgültig aus welchen Grund!!! - sollte es sein lassen. Ich habe vor einer Stunde einen Artikel in meiner Heimatzeitung gelesen, in dem ein Ultraläufer aus einem Nachbarort porträtiert wurde. Er hat dieses Jahr den Spartathlon, das sind über 240 km, von Athen nach Sparta - gefinished. Gerade noch in Sollzeit. Und er ist dort angetreten, obwohl er in der Zeit davor nicht mehr als 50 km in der Woche laufen konnte. Wenn ich so etwas lese, läuft es mir kalt den Rücken runter und ich frage mich, was in Menschen vorgeht, die ein solches Risiko eingehen. Der Mann ist 45 und lief mit 17 seinen ersten Marathon. Hat bereits sehr viele 12/24h- Läufe auf dem Buckel. Mag sein. Aber gerade weil er so viel Erfahrung hat, sollte ihm doch bewusst sein, dass man mit unzureichendem Training in den Beinen keine solche Strecke in Angriff nehmen darf.
Ich beglückwünsche dich jedenfalls zu deiner Vorsicht. Außerdem: Kein Läufer muss auf die Marathonstrecke einschwenken, um beim Laufen Spaß zu haben. Das geht auch auf weit weniger Kilometern. Ich habe auch schon Finisher erlebt, die ihr Marathon überhaupt nicht glücklich gemacht hat, weil es ein sehr unschönes Erlebnis war.
Wie dem auch sei ... Danke dir noch einmal für dein Feedback und alles Gute - gleich wann, wo und wie weit du auch läufst
Gruß Udo