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Mein langsamster Halbmarathon aller Zeiten oder: Auf Hamlets Spuren!

Mein langsamster Halbmarathon aller Zeiten oder: Auf Hamlets Spuren!

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[font=&amp]Ich bereite mich auf einen Marathon vor. Ich trainiere. Ich trainiere auch richtig, mit langen Läufen, Tempo und so. Und doch muss ich mich in letzter Zeit immer zwingen, meinen Arsch hoch zu kriegen! Hinterher bin ich zwar jedesmal ganz happy, dass ich mich aufgerafft habe, aber die Lust vorab ist stets minimal.[/font]

[font=&amp]Als sehr wirkungsvoll für einen guten Marathon hat sich das Prinzip der Endbeschleunigung erwiesen, also lange zu laufen und dann zum Schluss auch nochmal recht schnell. Genau hier bin ich aber zunehmend träger geworden bzw. ersetze Vorfreude durch Pflichtbewusstsein, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen.[/font]

[font=&amp]Letzte Woche habe ich dankbar auf einen Halbmarathon-Wettkampf zurückgegriffen, der ja bekanntlich eine lange Einheit ersetzt. Das macht halt mehr Spaß als 26 km gemächlich und die letzten 9 km flott allein durch die Gegend zu rennen. Gut, bei jenem Wettkampf hat es gegossen wie Hund. Das war auch nicht so ganz angenehm, aber wenigstens war ich nicht allein unterwegs, und das Ergebnis war auch ganz ordentlich. [/font]

[font=&amp]Ein solches Experiment kann und sollte man aber auch nicht beliebig wiederholen, und so versuchte ich mich darauf einzurichten, am Freitag 23 langsame und 12 schnelle km zu bewältigen. Je mehr ich mir überlegte, welche Strecken ich laufen könnte, umso lustloser wurde ich. Dann hatte ich eine Idee. Am Samstag gab es eine Laufveranstaltung in Düsseldorf mit einem Zehner und einem Halbmarathon dabei. Da könnte ich doch hinfahren, vorab die Halbmarathonstrecke ablaufen und auf 25 km verlängern und anschließend den Zehner in schnellerem Tempo als Endbeschleunigung nutzen. [/font]

[font=&amp]Ich war ganz happy, dass ich auf diese Möglichkeit gestoßen war. Indes, der 10 km-Lauf sollte bereits um 13 Uhr stattfinden, und als ich meine Zeitplanung überlegte, passte das doch nicht optimal zusammen. Eine andere Alternative wäre, den später startenden Halbmarathon für die schnellen Schluss-km zu nutzen. Ich war unschlüssig. Dann kam der Samstag, es regnete, ich war müde, und so war mir die Entscheidung quasi abgenommen: 14 km einlaufen, 9 km Halbmarathon gemächlich, 12 km Halbmarathon schnell. [/font]

[font=&amp]Als ich ankam, hatte es nicht nur aufgehört zu regnen, sondern die Sonne schien sogar. Ich besorgte mir eine Startnummer für den Halbmarathon und machte mich dann auf den Weg für meine Vorabrunde. In entspanntem 5:20-Tempo lief ich die Anfangs-km des Halbmarathons, stellte fest, dass es an manchen Stellen sonnig warm, an anderen dagegen windig und kalt war und machte mir Gedanken über die spätere Bekleidungswahl. Noch etwas fiel mir unterwegs ein. Ich sollte etwas trinken. Bis zu 30 km komme ich gut ohne aus, aber es würden ja insgesamt 35 km werden.[/font]

[font=&amp]Als ich wieder zurück kam, war der Zehner gerade zu Ende gelaufen. Ich begab mich zum Getränkestand, trank 3 Becher und zog mich um: Jacke aus, kurze Tight, anderes T-Shirt. Dann trabte ich zum Start mitten im Wald. Fast alle hatten sich schon eingefunden. Ich reihte mich zwar nicht ganz vorne, aber auch nicht zu weit hinten ein. Einem ehemaligen Vereinskollegen erzählte ich noch von meinem Vorhaben mit langsamem Beginn und schnellem Ende. Gerade als ich ansetzte, seine Frage zu beantworten, ab wann ich beschleunigen wollte, fiel urplötzlich der Startschuss, und so eilte er unaufgeklärt von dannen. [/font]

[font=&amp]Ich trottete ebenfalls los, bemüht, mich nicht von den um mich herum Loshetzenden mitreißen zu lassen. Meine Absicht war, die ersten km im 5-Minutentempo, eventuell auch mit 4:50, loszulegen und nach km 9 zu beschleunigen, wobei ich etwa 4:20 im Kopf hatte, vielleicht auch 4:25. Nach dem ersten km bemerkte ich, dass ich ein wenig zu schnell war und bremste ab. Es ist schon ein merkwürdiges Ding mit dem Tempo. Alleine laufend, kommt mir ein 5-er Tempo mittlerweile durchaus recht flott vor. Hier umrahmt und ständig überholt von anderen Läufern, erschien es mir wie ein Spaziergang. Insgeheim fieberte ich schon dem Umschaltpunkt etwas entgegen, an dem ich die innere Bremse lösen würde. Mag sein, dass es der Herdentrieb war, der mich verleiten wollte, das Tempo der Überholenden einfach mitzugehen. Naturgemäß wurden die Geschwindigkeitsunterschiede später geringer, und allzu lange dauerte es auch nicht, bis ich zu einigen wieder aufschloss, die ihr Pulver schon frühzeitig verschossen hatten. Ich dagegen hatte mich nach einigen km an mein Tempo gewöhnt, war auch unmerklich ein wenig schneller geworden, aber alles noch im Rahmen. Mit knapp 24 Minuten hatte ich ein gutes 5-km-Durchgangstempo vorgelegt. Mittlerweile schwamm ich im Strom mit. [/font]

[font=&amp]Lange dauerte es nicht, bis ich einen leichten, dann zunehmenden Druck verspürte. Hier begann die literarische Phase des Laufens. „Pinkeln oder nicht pinkeln: das ist hier die Frage“, fühlte ich mich an den dänischen Prinzen erinnert, dem Shakespeare in seinen Werken ein Denkmal gesetzt hat. Vielleicht war das vorhin doch ein Becher zu viel gewesen! Wenn es ein richtiger Wettkampf gewesen wäre, dann wäre ich weiter gelaufen in der Annahme, dass sich das Urinierbedürfnis irgendwann von selbst auflöst. Aber es war ja kein „richtiger“ Wettkampf. Eine gute Zeit würde ich sowieso nicht laufen. Wozu also die Blase unnütz dehnen? Die nächste Frage war dann: Vor oder nach der 9 km-Marke einen Pinkelstopp einlegen? [/font]

[font=&amp]Der Trainingseffekt entsteht primär durch die Endbeschleunigung, also Pause vorher, und bevor ich auf dem Waldboden die mit Sägespäne ausgelegte 9 erblickte, erleichterte ich mich am Wegesrand. Als ich kurz danach die Sägespäne erblickte, hatte ich die Einlaufphase von 14 plus 9 gleich 23 km hinter mir und zog ab. Ob es nun an dem gerade herbei geführten Gewichtsverlust lag oder ob der Wechsel aus dem ruhigeren Tempo zuvor ursächlich war: Das angestrebte Tempo von 4:20 – 4:25 min/km verpasste ich erstmal recht deutlich, als ich bei km 10 auf der Uhr eine Zeit von 4:02 für den ersten schnellen km ablas. Feinjustierung war angebracht, denn das war ZU schnell. 2 weitere km brauchte ich, bis ich mich auf akzeptable 4:15 eingependelt hatte.[/font]

[font=&amp]Das war nun das genaue Gegenteil der Anfangsphase, denn von hinten lief ich an die Läufer vor mir heran und vorbei, um mich kontinuierlich weiter nach vorne zu schieben. Es war ganz interessant zu sehen, wer hier schon leicht an Boden verloren hatte und wer sich eher weiter nach vorne bewegt hatte, denn viele waren mir aufgefallen, als sie mich am Beginn überholt hatten: manche durch Kleidung, andere durch ihren Laufstil oder andere Eigenheiten. [/font]

[font=&amp]Ich lief zwar nicht am Limit, aber schon mit größerer Anstrengung. Und um ehrlich zu sein: Je weniger km es noch bis zum Ziel waren, um so mehr trieb mich auch die Eitelkeit dazu, doch noch eine passable Zeit und eine passable Platzierung zu erreichen. Als ich den 18. km aus Sägespänen passiert hatte, erblickte ich ein weiteres bekanntes Trikot vor mir, und beim Näherkommen auch den zugehörigen Läufer. Logisch, so ein Trikot ist ja nicht allein unterwegs! Das machte mich glücklich, gab es mir doch die Gelegenheit, Wissen weiterzugeben. Wissen, bei dessen Vermittlung ich durch die Unsensibilität des Starters abrupt unterbrochen worden war, und so rief ich meinem ehemaligen Vereinskollegen im Vorbeilaufen zu: „Endbeschleunigung nach 9 km“. [/font]

[font=&amp]Wenig gentleman-like lief ich anschließend noch an der ersten Frau im Feld vorbei, wobei ich zu meiner Ehrenrettung sagen muss, dass ich das erst später aus der Ergebnisliste erfuhr (also die Tatsache, dass es die erste Frau gewesen war; dass es eine Frau war und dass ich vorbei lief, registrierte ich natürlich schon vorher. – Ich bin ja nicht blöd.) Die letzten etwa 600 m geht es auf breitem Waldweg schnurgerade aufs Ziel zu, das man folglich schon von weitem sehen kann. Da ich mich nicht komplett verausgabt hatte, reichte es noch zu einem feinen Endspurt, bei dem ich so richtig die Beine lang machen konnte. 2 Läufer mussten sozusagen noch dran glauben, und dann war meine lange Einheit mit 12 km Endbeschleunigung im Sack. [/font]

[font=&amp]Meine Schätzung heute Morgen war gewesen, dass ich wohl so 1:39 bis 1:37 h für den Halbmarathon brauchen würde. Da ich im geruhsameren ersten Teil etwas und im schnelleren zweiten Teil noch etwas mehr an Tempo drauf gelegt hatte, war die Endzeit mit 1:33:41 h nicht ganz so langsam wie gedacht, obwohl sie – im Vergleich zu den richtigen Halbmarathons – klar die langsamste ist. Dennoch reichte sie recht locker zum AK-Sieg in der M65, der ich seit Jahresbeginn angehöre. [/font]

[font=&amp]Das Blöde ist nur, dass ich wohl kaum umhin komme, in dieser Woche die letzte lange Einheit mit nun sogar 15 km doch allein und in der Pampa durchzuziehen. Einen passenden Wettkampf, in den ich diesen Lauf einbetten könnte, habe ich nicht gefunden.[/font]

[font=&amp]Bernd[/font]
Das Remake
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wenn 1:33:41 dein langsamster war mit 65! jahren ( hut ab) wie schnell war dein bester lauf? ohne vorher schonmal 14 kilometer vorzulaufen :D

unfassbar

mfg Slot

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Slot hat geschrieben:wie schnell war dein bester lauf?
Das ist schon lange her, genau genommen 18 Jahre. Da habe ich es mal fast unter 1:20 geschafft. 3,5 Sekunden waren es damals zu viel gewesen. Eine Woche vor dem geschilderten Lauf ist immerhin eine 1:26:07 heraus gesprungen (ohne längeren "Vorlauf").

GeorgSchoenegger hat geschrieben:Danke für den Bericht und alles Gute für den Wettkampf!
Danke! In 3 Wochen weiß ich mehr.

Bernd
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Lilly35 hat geschrieben:Mir sind übrigens keine km-Markierungen aus Sägespänen aufgefallen? :confused: Ich habe überhaupt keine Markierungen gesehen..
Du bist also auch in Benrath gelaufen?
Doch, alle km waren mit Sägespänen ausgelegt (statt km-Schilder), und an etlichen Abzweigungpunkten waren Pfeile ausgestreut, ebenfalls aus Sägespänen. Ob das in früheren Jahren auch schon so war, weiß ich nicht mehr.

Bernd
Das Remake
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burny hat geschrieben:Du bist also auch in Benrath gelaufen?
Ja, ich war auch da. Ich laufe allerdings ziemlich weit hinten im Teilnehmerfeld. Möglich, dass die Sägespäne da schon so zerlaufen waren, dass keine Zahlen oder Pfeile mehr zu erkennen waren. :zwinker2:

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burny hat geschrieben: Logisch, so ein Trikot ist ja nicht allein unterwegs!

dass ich das erst später aus der Ergebnisliste erfuhr (also die Tatsache, dass es die erste Frau gewesen war; dass es eine Frau war und dass ich vorbei lief, registrierte ich natürlich schon vorher. – Ich bin ja nicht blöd.)
Schon für diese beiden Erkenntnisse hat es sich gelohnt, den Bericht zu lesen!
Gruß vom NordicNeuling

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Bernd, das ist ja abartig. Hammerzeit! Ich bin sprachlos. Und noch dieses Trainingsprogramm. Wo ist der Marathon? Hamburg, oder? Dann sehen wir uns im Starterblock. Ich halte mal Ausschau.
Weiter gute Vorbereitung.

Grüße
Frank

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burny hat geschrieben:
[font=&amp]Das Blöde ist nur, dass ich wohl kaum umhin komme, in dieser Woche die letzte lange Einheit mit nun sogar 15 km doch allein und in der Pampa durchzuziehen. Einen passenden Wettkampf, in den ich diesen Lauf einbetten könnte, habe ich nicht gefunden.[/font]

[font=&amp]Bernd[/font]
Wieder mal sehr schön geschildert, und sehr schön gelaufen. Inzwischen traue ich mich ja gar nicht mehr, dir "alter Sack" hinterher zu rufen :wink:

Es ist zwar kein WK, aber am Sonntag ist ja der MGM Lauftreff, immerhin Gelegenheit in Gesellschaft ein paar schnell KM zu laufen, vielleicht passt das ja noch?
Wir treffen uns am 12. April 2015 um 10 Uhr am Apolloplatz und laufen bis zu 29 Km.
Dabei können Sie zwischen einem Pace von 4:15, 5:00, 5:45 und 6:30 min/km entscheiden.
Vorab schon mal viel Spass und viel Erfolg für Bernd und Frank in HH !

Viele Grüße

Ulli
5K 24:53 / 10K 52:31 / 15K 1:22:11/ HM 1:57:27/ M 4:10:33 / 50K walk 8:26:20

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burny hat geschrieben:[font=&amp]Einen passenden Wettkampf, in den ich diesen Lauf einbetten könnte, habe ich nicht gefunden.[/font]
...und dann bin ich doch noch fündig geworden!
Vor Jahren schon bin ich mal in Köln Porz-Zündorf gelaufen. War ne richtig schöne Strecke. Per Zufall hab ich das jetzt irgendwie wieder gefunden und - oh, wie praktisch - die damalige HM-Strecke haben die in 10 Meilen umgewandelt. Richtig: 10 Meilen, das sind 16,093 km, und wer 15 km Endbeschleunigung laufen kann, kann auch die kleinere Verlängerung mitnehmen. Was auch praktisch ist: die damalige 10 km-Runde ist durch eine (ca.) 5 km-Runde ersetzt worden.

Also bin ich da morgens hin, zunächst 3-mal die Runde als Vorgeplänkel eingelaufen und mit ein bisschen Hin und Her auf 19 km velängert und dann die 10 Meilen als Wettkampf, sprich Endbeschleunigung gelaufen. Ergebnis: 19 km in 5:20 als Startsequenz, dann 16,1 km in 4:16,5 als EB. Damit bin ich außerdem auf meine längste Vorbereitungswoche und seit langem mal wieder auf über 140 km pro Woche gekommen.

moengel hat geschrieben: Wo ist der Marathon? Hamburg, oder?
Ja, Hamburg, das erste mal wieder seit dem Desaster 2009 . Und natürlich stellt sich die Frage: Kann ich mit vernünftigem Tapering nicht nur die 16,1 km, sondern den ganzen Marathon um 0,6 min/km schneller laufen? Wenn überhaupt, wird das hart und eng. Naja, wenn nicht, bricht nicht die Welt zusammen.
nachlangerpause hat geschrieben:Inzwischen traue ich mich ja gar nicht mehr, dir "alter Sack" hinterher zu rufen
Ja, was denn sonst? Und woher soll ich sonst wissen, wer da was ruft? :confused:
nachlangerpause hat geschrieben: Vorab schon mal viel Spass und viel Erfolg für Bernd und Frank in HH !
Danke! Und was rufst du nun???

Bernd
Das Remake
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Lilly35 hat geschrieben:Mir sind übrigens keine km-Markierungen aus Sägespänen aufgefallen? :confused: Ich habe überhaupt keine Markierungen gesehen..
Die Sägespäne waren Montag noch da, das kann ich bezeugen. :zwinker5:
Falls diese wider Erwarten weg gewesen sein sollten: Rechts neben der Strecke befinden sich (übrigens dauerhaft seit knapp über einem Jahr!) kleine, blaue Baumstumpfe mit den Kilometermarkierungen.
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