Ich bin ja seit vielen Monaten auch in dem Forum hier zu Hause und warum soll ich nicht auch hier meinen Laufbericht über mein bisher größtes Laufabenteuer hier einstellen
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Ich fange an zu schreiben und sitze mit dem Lappi auf dem Sofa und schaue das Konzert "The Wall" von und mit Roger Waters am Potsdamer Platz am 21. Juni 1990 an. Finde ich mal ganz gut passend.
Wie allgemein bekannt konnte ich letztes Jahr zum Mauerweglauf nicht starten, da ich Trottel es versäumt hatte, mir rechtzeitig ein ärztliches Attest zu besorgen. Da war es schon logisch, dass ich mich für den Lauf dieses Jahr erneut anmelden würde. Und dieses Jahr machte ich alles richtig. Attest besorgt und vernünftig trainiert. Okay, das hatte ich letztes Jahr auch. Gewissenhaft hatte ich mich auf meinen ersten Höhepunkt des Jahres, den Comrades, vorbereitet und den konnte ich auch sehr gut laufen und noch mehr genießen. Der Lauf forderte meinem Körper allerdings etwas mehr ab, als ich es ahnte. Dann machte ich kleine Fehler im Training und merkte beim Finowkanallauf, dass mir die Form abhanden gekommen war. Mir fehlte es an der nötigen Regeneration und somit beschloss ich, den Thüringen Ultra nicht zu laufen. Der ist ein wunderschöner Lauf aber dieses Jahr war mir der Mauerweglauf um einiges wichtiger. Ich strickte mir noch so etwas wie einen Plan zusammen, mit dem ich mich in den verbleibenden Wochen wieder auf Vordermann bringen würde. Und ich wollte dabei sehr genau auf meinen Körper acht geben. Hauptsächlich waren es meine Beine, die etwas mürbe waren und mir leichte Sorgen machten. Dazu kam, dass mich bereits beim Comrades meine linke Kniescheibe kurze Zeit ärgerte. Es verging zwar rasch wieder, aber sowas merke ich mir dann schon. Die Patellaspitze und auch die Patellasehne ärgerten mich immer mal wieder. Ich war wohl an der Grenze meiner Belastbarkeit was die Kilometerumfänge betraf angelangt. Auch das beobachtete ich genau. Dennoch konnte ich mein Training planmäßig durchziehen und es verschlimmerte sich nicht. Mir sehr entgegen kam dabei das Wetter. Es war viele Wochen recht warm und auch richtig heiß an manchen Tagen und immer nutzte ich die Nachmittagsstunden zum Laufen um meinen Körper so gut wie möglich an die Hitze zu gewöhnen. Damit begann ich schon vor dem Comrades und auch danach ging das wunderbar so weiter.
Ich schaffte es in der Tat, wieder die gewohnte Lockerheit in meine Beine zu bekommen. Nicht unwesentlich daran beteiligt war das Lauf-und-Yoga-Wochenende von und mit Sonja Eigenbrod in Wolfgang Schwerickes Laufpark Stechlin. Drei Tage hintereinander Traillaufen, dabei mit dem Wasserfestlauf in Fürstenberg ein für mich schneller 12-Kilometer-Wettkampf und die Entspannung beim Yoga brachten mich wieder voll in die Spur. Drei Wochen vor dem Mauerweglauf veranstaltete Rita Stoyke mit ihren Lauffreunden einen 12-Stundenlauf rund um den Hollener See im Saterland. Schon lange vorher schien mir der Termin drei Wochen vorher genau richtig in der Vorbereitung zu sein. Und so war es auch. Ich konnte 12 Stunden lang in genau meinem geplanten Wohlfühltempo laufen und auch konnte ich mir Gewissheit verschaffen, dass ich mental stark genug bin, den Mauerweglauf durchzustehen. Denn das ist es. So ein Lauf ist nie nur eine körperliche Grenzbelastung. Auch die Willensstärke ist extrem gefordert, ohne diese übersteht man solch einen Lauf nicht. Und nebenbei, es ist überhaupt keine Schande, wenn man es nicht schafft. Ich wollte natürlich nicht, dass ausgerechnet mir das passiert.
Die verbliebenen drei Wochen galt es nun, mich von dem 12-Stundenlauf zu erholen, dennoch dabei die Ausdauer zu erhalten. Eine kleine Gratwanderung. Das ist mir aber sehr gut gelungen, ich schaffte sogar ein paar Tempoläufe, schneller als geplant, einfach weil es Spaß machte und den Beinen gut tat. Selbst die Beschwerden meiner Kniescheibe hielten sich so in Grenzen, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Das liest sich jetzt für den geneigten Nicht-Ultraläufer sicher komisch und ich ernte eventuell leichtes Kopfschütteln. Aber dazu muss ich sagen, dass ich meinen Körper über die Laufjahre recht gut kennen gelernt habe. Und da kann ich schon unterscheiden zwischen schlimmen Schmerzen, die eine Verletzung bedeuten und solchen, die zwar auch nicht unwichtig aber eben weniger schlimm und erträglich sind. Sicher habe ich mittlerweile wohl eine etwas andere Schmerzwarnehmung als Nichtläufer, wie viele andere Ultraläufer auch (wenn ich bedenke, mit was für Blasen an den Füßen allein dieses Wochenende Läufer ins Ziel gekommen sind!) aber dass ich gar nichts mehr merke, so ist es nun auch noch nicht. Noch? Öhm, Themawechsel! Sicher machte ich mir im Vorfeld auch schon Gedanken, was nach dem Mauerweglauf sein wird aber dazu komme ich später noch.
Die Woche vor dem Lauf hatte ich schon Urlaub um mich optimal vorbereiten zu können. Muss ich erwähnen, dass ich eigentlich völlig neben der Spur war? Ich dachte an nichts anderes mehr! Bereits Mittwoch begann ich meine Tasche zu packen. Könnte ja sein, dass ich noch was brauche und das dann einkaufen muss. Noch recht kurzfristig hab ich mir eine Warnweste bestellt. Das Tragen dieser ist in der Nacht Pflicht. Sehr kurzfristig. Aber ich hätte mir dann auch noch eine anner Tanke oder sonst wo auf die Schnelle kaufen können. Noch ein paar mal las ich die Ausschreibung und auch die FAQs. Nichts wollte ich vergessen! Beim Packen und nochmaligem studieren fiel mir auf (warum erst jetzt?) dass die Turnhalle zum Übernachten in der Lobeckstraße eben nicht in der Nähe des Start/Ziels im Jansportpark war. Also hätte ich gar keinen Vorteil, dort zu schlafen. Die gute eine Stunde später aufstehen is es auch nicht wert und das eigene Bett ist der Isomatte vorzuziehen, entschied ich. Die Warnweste kam dann noch rechtzeitig mit der Post und ich hatte mit ihr eine sehr gute Wahl getroffen was den Tragekomfort beim Laufen betraf. Soll heißen, sie störte mich überhaupt nicht und durch leichtes Verrutschen kam ich an all meine Taschen vom Rucksack gut heran. Weiterhin gehörte zu meiner Vorbereitung, dass ich die Woche zwei mal zur Massage ging, um auch damit meine Beine bestmöglich auf die Herausforderung vorzubereiten. Davon mal abgesehen, wenn man fast 200 Euro für einen Lauf ausgibt, was sind da jeweils 14 Euro für eine halbe Stunde Massage, die den Erfolg unterstützen werden?
Am Freitag Nachmittag fuhr ich zum Ramada-Hotel am Alexanderplatz, wo die Startnummernausgabe und um 18 Uhr die Pastaparty stattfinden sollte. Das war schön kurzweilig und viele Bekannte konnte ich treffen und es machte einen Riesenspaß. Es gab auch eine ganz kleine Messe mit ein paar Anbietern von Laufutensilien. Eher uninspiriert schaute ich mich um, wollte nichts und brauchte nichts. Aber der Laufrucksack von Hoka (ja die Firma, die die Schuhe mit den gaaanz dicken Sohlen herstellt) fiel mir ins Auge. Michael Frenz, der umtriebige Laufveranstalter und selbst ein ganz toller Ultraläufer, zeigte mir den Rucksack und ja, das Teil gefiel mir immer mehr. Und so flitzte ich zum Geldautomaten (der Verkäufer war etwas altmodisch und hatte keinen EC- oder Kreditkartenleser dabei) und kaufte mir das Teil für den morgigen Lauf. Ich war mir sicher, dass er sich besser tragen wird, als mein gut bewährter Camelback-Rucksack. Warum ein Rucksack? Geht doch nur auf dem Mauerweg um Berlin und es gibt genügend Verpflegungsstellen. 27 Stückers um genau zu sein. Aber zwischen den VPs waren öfters Distanzen zwischen 6 und 7 Kilometern. Nicht weit an sich, aber mit zunehmender Laufzeit wird das Tempo langsamer und die Gehpausen nehmen zu und teilweise sollte ich über 50 Minuten unterwegs sein. Und so lange wollte ich nicht ohne was zum trinken unterwegs sein. Auch wenn es nicht so heiß werden sollte, besser zwischendurch ein paar Schluck trinken, als voll durstig an den VP kommen. Weiterhin wollte ich diverse kleine Dinge bei mir haben. Als da wären, Ersatzbatterien für die Stirnlampe, Ersatzakku für die Kamera (ganz wichtig nach der Erfahrung beim Comrades!), natürlich meine Kamera, Händy (Ausnahmsweise, sonst nehme ich das nicht mit, aber bei solchen Läufen ist es gut, ein Notrufgerät dabei zu haben. Wenn nicht für mich selbst, dann vielleicht für einen anderen Läufer) Sogar Kontaktlinsen zur Reserve, falls mir eine aus Versehen aus dem Auge rutscht, hatte ich dabei. Ich wollte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Ja auch ein paar frische Laufsocken hatte ich zur Not dabei, falls es stark regnen würde. Stundenlang mit nassen Socken rennen ist ein Garant für lecker Blasen an den Füßen! Man konnte Wechselsachen und diverses in so genannten Dropbags deponieren, die zu den drei Staffelwechselstellen transportiert wurden. Ich hatte mir überlegt, dass ich die erste gute Hälfte (91 km) mit meinen alten Lieblingsschuhen und den Rest der Strecke mit meinen neuen laufen würde. Beide das selbe Modell, nur eben unterschiedlichen Laufalters. Ich versprach mir von den frischen Schuhen ein gutes Durchkommen. Ich kam gut durch also war es die richtige Entscheidung. Auch ein langes Shirt legte ich mir da bereit, da es doch kälter werden sollte die Nacht. Und natürlich die Warnweste und die Stirnlampe, so musste ich sie nicht "mitschleppen" bis dahin. Ja und warum nun der neue Rucksack? Mein alter guter ist eben ein klassischer Rucksack. Hinten der Sack und der Rest ist Ruck *hihi* Also zum um- und festschnallen die Gurte und so. Der Hoka-Rucksack ist gebaut wie die Laufrucksäcke von Salomon, wie eine Weste mit vielen Taschen ringsrum für die kleinen Dinge des täglichen Laufbedarfs. So muss man ihn nicht alle Näse lang abschnallen um an etwas heran zu kommen. Und der Tragekomfort ist bei solch langer Laufzeit auch sehr wichtig. Aber kein Rucksack ist wohl so perfekt und irgendwann scheuert es immer wo und nun kenne ich die Stellen, die ich das nächste mal einfetten muss.
Die Pastaparty war sehr angenehm und der Saal füllte sich schnell und war dann richtig voll mit Läufern. Sind nächstes Jahr noch mehr Läufer dabei, dann reicht dieser Sall nicht mehr. Man darf ja die Staffeln nicht außer acht lassen. 15 Vierer- und 7 Zweierstaffeln sind auch 74 Läufer, von den 10+er Staffeln ganz zu schweigen. Es war eine richtig schöne Stimmung. Und immer wieder sah ich neue Freunde und hier und da gab es ein Schwätzchen. Es gab mehrere Pasta- und Soßensorten und ein reichhaltiges Obst und Gemüse-Buffet. Guter Hotelstandard. Einzig die Getränkepreise waren exorbitant. Für 0,2 Liter Apfelschorle 3,10 Euro und einen Liter Sprudelwasser 6,50 Eu ist durchaus etwas teuer. Gegen 19 Uhr war die offizielle Wettkampfeinweisung durch den Rennleiter Ronald Musil. Weiterhin wurde uns die Streckenmarkierung durch Hajo Palm erklärt. Beide Streckenmarkierer, Hajo und Harald Reiff, liefen selbst mit und konnten sich persönlich von der Perfektion ihrer Arbeit überzeugen. Weiterhin wies uns der Rennarzt auf wichtige Dinge hin. Die Stunde verging ebenfalls sehr rasch und schnell löste sich anschließend die Runde auf. Ich hatte es auch eilig nach Hause zu kommen. Eine Mütze Schlaf wollte ich mir noch gönnen und vorher noch einmal überprüfen, dass ich nichts vergessen habe. Alles noch bereitlegen für den Morgen, damit dann kein Stress entstehen kann. Naja, noch etwas in Laufforen gestöbert und auf Fatzebuck geschaut und die Zeit verging rasch und ich kam dann doch etwa später ins Bett. Halb drei sollte der Wecker klingeln. Mit den üblichen Einschlafschwierigkeiten vor solch einem Wettkampf kam ich wohl zu drei Stunden Schlaf. Das musste reichen und ich machte mir nicht so die Sorgen. Aus meinen bisherigen 24-Stundenläufen weiß ich, dass ich mit Müdigkeit keine Probleme haben werde.
Samstag früh! Lauftag! So früh aufstehen ist schon doof, aber ich kam gut aus den Federn. Ich muss ja und ich will ja und ich hab heute was wichtiges vor. Erst einmal fertig angezogen und Lauffein gemacht. Lieber schon alles zu Hause erledigen, dann hab ich vor dem Start keine Hektik und kann noch schön mit den Läufern quatschen und was man sonst so vor nem Läufchen macht. Eine Schüssel kaltes Porridge (das frisch zu kochen bin ich zu faul, über die Nacht weicht das auch gut durch) mit frischen, gezuckerten Erdbeeren gemütlich in mich rein geschaufelt und schon machte ich mich auf den Weg. In der U-Bahn zum Alexanderplatz noch ein Nickerchen zu machen war eine Illusion, viel zu aufgeregt war ich. Wie geplant kam ich recht früh im Jansportpark an. Dort gab es auch noch ein Frühstück und ich nahm gerne einen Kaffee und ein Marmeladenbrötchen zu meiner Klappstulle, die ich mir mitgebracht hatte. Es war alles ganz gemütlich, die Läufer und Helfer bester Laune und die Vorfreude bei allen groß. Aber auch der Bammel. Klar doch. Ich hatte meinen längsten Nonstopplauf vor mir den man mit 24-Stundenläufen nicht vergleichen kann. Was wird mich erwarten? Was wird passieren? Ich hatte keinen Zweifel, dass ich es schaffen kann und werde aber es kann auch so viel passieren. Die erfahrensten Ultraläufer mussten schon bei diversen Läufen kapitulieren. Das kann jedem passieren. Und diese Ungewissheit ist es einerseits, die das Lampenfieber hoch hält und die mich andererseits nicht auf die Idee kommen lässt, den Lauf locker zu sehen. Ich hatte einen Riesenrespekt vor dieser Distanz. Und dabei noch mein persönliches Ziel, die 24 Stunden zu unterbieten. Also denn....
Die letzten Vorbereitungen waren schnell erledigt, die Dropbags mit Wechselsachen in die richtigen Körbe deponiert, immer wieder nette Unterhaltungen und gegenseitige Aufmunterungen und schon war die Startzeit heran. Auf die Sekunde schickte uns Ecky auf das große Abenteuer.
Wir liefen noch eine Runde durch das Stadion, dann raus und zur Bernauer Straße. Auch wenn es nun bereits 25 Jahre her ist, erinnerte ich mich gerade heute intensiv daran, wie ich nach der Maueröffnung 1989 und 1990 hier über die Grenze bin. Ich wohnte damals nur ein paar hundert Meter weiter in der Dimitroffstraße, heute Danziger Straße. Es sind eben nicht nur die 100 Meilen von Berlin. Es ist auch der Mauerweglauf in Gedenken an den Bau und den Fall der Berliner Mauer oder des "Antifaschistischen Schutzwalles", so wie ich es in der Schule gelernt hatte. Es war auch ein Gedenklauf an all die Toten, die beim Versuch, die Mauer zu überwinden erschossen wurden. Als gut behüteter DDR-Bürger habe ich das alles so nicht mit bekommen, mir ging es gut, alles war schön und warum sollte man denn abhauen? Ich muss dazu erwähnen, dass ich als Leistungssportler im Gewichtheben besonders gefördert wurde und es mir im Prinzip an nichts fehlte. Da war mein Verständnis für die Unzufriedenen des Systems nicht gerade groß. Sicher wurden wir Leistungssportler, so auch speziell ich da ich zur Junioren-WM nach Italien fahren durfte, von der Stasi überwacht. Wir fanden das ziemlich normal, es störte uns nicht. "Wir hatten ja nichts zu verbergen". Okay, dass wir öfters einen über den Durst tranken, sollte nicht allgemein bekannt werden aber sonst? Wer im System mit schwimmt, hat nicht viel zu befürchten. Aus heutiger Sicht ganz schön naiv aber ich schäme mich dafür auch nicht. Es ist ein Teil meines Lebens. Andere Menschen in der damaligen Zeit hatten eine andere Sicht auf die Dinge und heute habe ich großen Respekt für sie, zumal sie recht heftige Einschränkungen erfahren mussten, wenn sie offen für ihre Einstellung eintraten. Bis hin zu jahrelangem Gefängnis. Ja und heute bin ich froh, dass andere für Veränderungen gekämpft und damit den Fall der Mauer eingeleitet haben. Jeden Montag sind sie auf die Demos gegangen. Niemand wusste, wie würde die die DDR-Regierung das hinnehmen. Es hätten auch Schüsse fallen können, es hätte Tote geben können, wer weiß. Diese Demonstranten hatten damals Mut bewiesen und auch an diese Menschen sollte man denken, wenn man an den Fall der Mauer denkt. Auch wenn die Pressekonferenz vom 10. November 1989 legendär ist, es war nicht Günter Schabowski, der den Fall der Mauer bewirkt hat, seine Ausführungen vor der Weltpresse waren nur noch das I-Tüpfelchen auf eine lange Reihe wichtigerer Ereignisse, die dazu führten.
Wir liefen weiter die Bernauer Straße entlang Richtung Nordbahnhof. Und kamen am Gedenkstein an einige der Maueropfer vorbei. Ich erinnerte mich in dem Moment gerne an unseren Lauf vor 10 Jahren. Diesen würde ich als den ersten offiziellen Mauerweglauf bezeichnen. Gero Mensel, ein mir lieber Lauffreund organisierte damals einen Mauerwegetappenlauf, jeden Samstag eine Etappe über ungefähr 20 Kilometer auf dem Mauerweg, der damals noch nicht so gut ausgebaut war wie heute. Die erste Etappe liefen wir am 24. Januar 2004 vom Potsdamer Platz bis zur Massantobrücke. Dies war damals mein erster realer Kontakt zu Läufern der Community des SCC-Forums, ich war ja noch nicht lange Läufer, hatte noch nicht einmal einen Marathon bewältigt. Wir liefen damals die letzte und siebente Etappe am 9. April 2005 vom S-Bahnhof Wilhelmsruh bis zum Startpunkt an der Ampel am Potsdamer Platz und an diesem Stein machten wir eine Fotopause. Sehr schöne Erinnerungen. Auch später auf der Strecke sollte ich mich noch öfter an die Etappen von damals erinnern.
Links der Eberswalde Straße gibt es weitere Bauwerke und Gedänkstätten, die an die Mauer erinnern und auch Teile der Mauer sind hier noch erhalten. Viele gibt es ja nun wirklich nicht mehr in Berlin. Wir bogen ab, liefen einen Schlenker, kamen am Nordhafen und dem Bundeswehrkrankenhaus vorbei und liefen Richtung Regierungsbezirk mit Reichstag, Bundestagsgebäuden und Kanzleramt. Wir überquerten die Invalidenstraße, nach der Maueröffnung einer der ersten Grenzübergänge, die man mit dem Auto passieren konnte. Wie hat sich das hier alles über die Jahre verändert! Den Berliner Hauptbahnhof sehe ich rechts. Was wurde damals, als mit dem Bau begonnen wurde kritisiert. Wie kann man einen Hauptbahnhof ins Niemandsland bauen? Da stand in der Tat noch nichts. Die Planer meinten aber, es wird sich Wirtschaft, Hotels und Geschäfte ansiedeln. Und sie hatten recht. Immer noch jede Menge Bauaktivitäten und das wird sicher noch lange nicht enden. Auch wenn der Bahnhof leider durch Herrn Mehdorn verstümmelt wurde und er (also der Bahnhof) seine Fehler hat halte ich ihn für ein imposantes Bauwerk. Klar bin ich als Eisenbahner da nicht ohne Vorurteile *kicher*
Ich will mal zwischendurch auf eine nicht unwesentliche Sache zu sprechen kommen. Immerhin ist das ja eine Laufveranstaltung. Wir hatten zwar bisher nur wenige Kilometer zurück gelegt aber ich hatte jetzt schon ein gutes Gefühl, was den Tag angehen sollte. Ich fühlte mich wohl und locker. Meinen Beinen ging es bestens, so hab ich wohl in der Vorbereitung alles richtig gemacht. Das Wetter konnte man nur als perfekt betrachten. Bis jetzt. Laut Wetterbericht sollte nur sehr wenig die Sonne scheinen und die Temperaturen uns auch keine Sorgen bereiten. War ich auch auf größere Hitze gut vorbereitet, so war mir das dennoch viel lieber. Wir liefen mal in kleineren und mal wieder in größeren Gruppen zusammen, kaum jemand hatte es eilig und die Stimmung unter uns war sehr gut und lustige Sprüche fielen jede Menge. Dadurch war das Lauftempo für mich zwar sehr langsam aber ich fand es gerade jetzt in diesen Gruppen richtig schön und hatte keinen Grund, ihnen davon zu laufen. Auch nicht wenige rote Ampeln bremsten uns immer wieder aus. Es war durch die Organisatoren ein striktes Rote-Ampel-Laufverbot ausgesprochen und da hielten wir uns daran. Auch wenn weit und breit kein Auto zu sehen war. Dies kostete die eine und andere Minute. Aber auch das war alles nicht so schlimm. Mit Carmen aus dem Runnersworld-Forum lief ich eine Weile zusammen und wir hatten viel Freude an unserer Beschäftigung. Wir liefen leider nicht direkt am Brandenburger Tor entlang was ich schade fand, sondern die nächste Straße, die Glinkastraße, an der ehemaligen amerikanischen und der englischen Botschaft vorbei. Ich sachte freundlich "Guten Morgen" zu dem dort stehenden Polizisten der sich freute und zurück grüßte. Ich bin ja immer ein freundlicher Läufer und Höflichkeit kostet nicht viel.
Wir liefen weiter, kamen am Bendlerblock vorbei, allseits bekannt durch die Hinrichtung von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seinen Mitkämpfern, und kamen kurz darauf zum Panoramaprojekt von Asisi über die Berliner Mauer. Die Veranstalter des Mauerweglaufes hatten eine Partnerschaft mit dem Panoramaprojekt und wir Läufer konnten durch die Rundschau laufen. Im Grundgedanken, dass dies ein Gedenklauf an die Mauer ist eine logische und wunderbare Sache. Fotos darinnen zu machen war mir natürlich eine Selbstverständlichkeit. Auch nahm ich mir die Zeit, einen Spruch ins Gästebuch zu schreiben. Ich hatte noch Glück, dass vorher keiner auf die Idee gekommen ist und ich schrieb das Motto der LG Mauerweg "Niemand hat die Absicht 100 Meilen zu laufen" hinein. Ach war das alles schön und ich hatte sooo eine gute Laune dabei.
Kurz darauf querten wir den Checkpoint Charly. Wohl der berühmteste Grenzübergang des Kalten Krieges. Und auch eine meiner prägnantesten Erinnerungen. Genau hier bin ich das erste mal in den Westen! Zwei Tage nach dem Mauerfall bin ich direkt nach der Spätschicht hier her gefahren. Ich durfte mir sogar 10 Westmark abholen, denn die gab es damals für jeden DDR-Bürger, der in den Westen fuhr. Also von Seiten der DDR und das hatte nichts mit den 100 Mark "Begrüßungsgeld" zu tun, die man von der BRD bekam. War ursprünglich anders gedacht, denn so viele, neben den Rentnern, durften ja nicht rüber. Nun bekam jeder den 10er. Das ist mir eine Erinnerung, die ich nie vergessen werde. Also der Grenzübertritt, nicht die 10 D-Mark *lacht*. Keine Ahnung wo es lang ging, latschte ich den Massen einfach hinterher zum U-Bahnhof Kochstraße. Ich hatte ja noch eine Orientierung und ich wunderte mich wie ein Biber in der Wüste, der keinen Baum mehr findet, wo die U-Bahn da vollbesetzt her kommt. Wie geht denn das? Ich hatte bis da keinerlei Ahnung, dass die U6 und die U8 durch Ostberlin durch fuhren und die U-Bahnstationen in Ostberlin komplett verschlossen waren. Gebürtige ältere Berliner wussten so etwas, ich wohnte aber erst ein Vierteljahr hier. Mit der U-Bahn fuhr ich dann zum Halleschen Tor um dann mit der U1 weiter Richtung City Berlin West zu fahren. Dort auf dem Bahnsteig war es so voll dass ich glaube 3 U-Bahnen warten musste bis ich einsteigen konnte. Und wo fuhr ich hin? Na logisch zum Kuhdamm! Den kannte ich! Also vom Namen her. Und der war so voll und voller glücklicher Menschen. Alles DDR-Bürger. Den Begriff Ossis gab es da ja noch nicht *lachweg*. Hach, ich könnte noch so viel erzählen aber das hier soll ja ein Laufbericht werden näch *zwinker*
Nach dem Checkpoint Charly kamen wir zum nächsten Highlight. Dem Mahnmal für Peter Fechter, dem der diesjährige Mauerweglauf gewidmet ist. Er wurde am 17. August 1962 beim Fluchtversuch mit seinem Freund Helmut Kulbeik erschossen. Und nicht nur das, er verblutete und niemand rettete ihn rechtzeitig. Wir Läufer legten jeder für ein eine Rose auf die Straße und schafften für ihn einen Rosenteppich auf diese Weise. Ich fand das eine sehr schöne Idee.
Und an dieser denkvollen Stelle beende ich den ersten Teil meines Berichtes :o)
Gruss Tommi
Mauerweglauf - 100 Meilen von Berlin am 16./17.08.2014
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"Unser Denken bestimmt unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Wenn wir uns nur auf das konzentrieren, was uns missfällt, werden wir auch viel Schlechtes sehen, dementsprechend über die Welt denken und unser Verhalten danach ausrichten. Menschen, die sich auf das Schöne konzentrieren, sind folglich zweifelsfrei glücklicher."
Thorsten Havener