Ich habe neben den langen, langsamen Läufen (2 mal 30 km) und den Intervallen, jeweils 15 km, 18 km Läufe und 2 Läufe über die volle HM Distanz gemacht. Die erste volle HM Distanz schaffte ich im Training mit 4:49 Schnitt, Endzeit 1:41:41, später merkte ich, dass da noch etwas Luft war. Daher probierte ich 15 km mit 4:43 Schnitt als Tempodauerlauf, welcher auch relativ gut gelang - mit etwas Kampf. Der 18 km Lauf mit Schnitt 4:43 eine Woche später war extrem hart, aber ich dachte mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ich die 21 km mit dem Tempo nicht schaffen würde. Klar war mir allerdings, dass ich mit meiner 10 km Bestzeit mit Schnitt 4:31 min schon ganz nahe oder sogar über der Grenze sein müsste, was die HM Pace betrifft. Einige Faustregeln, die sich auch bei mir als gültig erweisen sollten, sagen ja, dass das HM Tempo ca. 15 sec. langsamer als das 10 km Tempo sein wird.
Also - dann im Training der Versuch, 21,1 km mit der Pace 4:43 min/km zu absolvieren, und es wurde ein brutaler Kampf, der damit endete, dass ich bei km 18 die Uhr abdrückte und feststellte, dass ich zwar sehr wohl 18 km mit 4:43 Schnitt laufen kann, aber eben nicht die letzten 3 km noch dazu - also musste ich die Pace korrigieren - eine Woche später probierte ich also mit 4:45 den vollen HM zu laufen, kurzfristig entschied ich mich aber dazu, es mit 4:44 zu versuchen - und....es gelang. Ein harter Lauf, bei dem ich in der 2.Hälfte ab und zu langsamer wurde, aber ich immer wieder die Pace korrigieren konnte und so meinen schnellsten Trainingshalbmarathon mit der Zeit 1:39:55 lief, und sehr zufrieden war. Ich hatte also eine Pace gefunden, die ich durchstehen konnte. Nun kam das Tapering und die letzten 12 Tage vor dem Wettbewerb hab' ich nur mehr wenige Läufe gemacht, den letzten 4 Tage vor Sonntag: 5 km mit Schnitt 4:39 min, also 5 Sekunden schneller als mein HM Tempo, nur um mir das HM Tempo in Erinnerung zu rufen, da die schnellen Läufe ja schon knapp 2 Wochen zurücklägen, wenn der 8.Oktober kommen würde.
Soviel zur Vorbereitung.
Die 2 Tage vorm Bewerb war ich dann nervös, angespannt, ja gerade wie vor einer Prüfung. Der Körper bereitet sich also vor. 3 Tage vor dem HM passierte dann ein kleines Malheur, als ich meine Laufuhr (Garmin Forerunner 10) vom Ladekabel trennen wollte - das ohnehin nicht allzu stabil wirkende Armband löste sich. Siehe Foto:
Nicht gefunden
Ich habe es notdürftig wieder angeklippt, und dachte, das würde schon halten, aber am Samstag ist es dann nochmal aufgegangen, und dann hab ich versucht, bei 2 Uhrmachern und beim Gigasport (dort, wo, die Startsackerlausgabe stattfand) ein Ersatzband zu bekommen, was so kurzfristig leider nicht möglich war, da nicht lagernd. Da ich ohnehin schon seit einiger Zeit auf die Forerunner 35 schielte, beschloss ich kurzfristig, selbige zu kaufen, da ich es idiotisch fand, mit dem Gedanken zu spielen, die Uhr mit dem kaputten Armband quasi 21 km in der Hand zu halten/tragen.
So - natürlich hatte ich nun Bedenken, da ich ja mein Training mit einer anderen Laufuhr durchgespielt hatte und ich auf die Pace selbiger vertraute - aber eine andere Alternative bot sich wohl nicht an.
Am Sonntag fuhr ich mit dem Rad vor 9 Uhr zum Startbereich (HM Start war um 10:15 Uhr, 15 min nach dem Marathonstart), da ich wusste, dass erst ab 9 Uhr alles abgesperrt war. Ich sehe also die andere Läufer mit dem Startbeutel am Straßenrand marschieren und irgendwie beruhigt mich das Ganze. Ich habe ernährungstechnisch alles gleich gemacht, wie vor den langen Tempodauerlaufen im Training: am Vortag viel Pasta, aber nur bis 13 Uhr, danach viel Wasser, um den Körper zu hydrieren und gleichzeit den Verdauungsapparat zu entleeren. In meinem Trainingslauftagebuch steht genau, was ich wann gelaufen bin und wie es sich anfühlte und auch mein Frühstück vor dem jeweiligen Lauf. Und so frühstückte ich genau um 9:05 Uhr (Bereits im Marathonstartbereich) mein für "mich richtiges und bewährtes Frühstück", nämlich 2 Scheiben Vollkornbrot, einmal mit Honig, einmal mit Erdnussbutter, danach noch eine Banane und 0,5 Liter Iso. Meine großen Sorge war meine Blase - bei Nervosität muss ich einfach oft austreten und wenn ich mehr als 15 min vorm Start nicht die Möglichkeit hätte, selbiges zu tun, dann würde ich währen des Halbmarathons austreten müssen - so war es im Training auch. Das sollte sich aber als kein Problem erweisen, da erstens mal viele WCs aufgestellt waren, ebenso diverse 4er Pissoirs (

Ich war im Startblock 2 (Sub 1:50 HM Zielzeit) angemeldet und in selbigem fand ich mich auch rechtzeitig ein. Ich habe die Forerunner 35 am linken Arm, und da ich nicht wusste, ob die Uhr mitten in der Stadt ein Signal findet, nahm ich noch eine Stoppuhr mit und eine ausgedruckte Marschtabelle für eine 1:40:40 er Zeit, sodass ich im Notfall, falls ich ohne angezeigte Pace auskommen müsste, mich wenigstens nach den aufgestellten Kilometertafeln orientieren konnte.
Ich hab mir den Streckenplan mehrfach angesehen und ich kenne quasi jede Straße, da ich ja Grazer bin. So -
Startschuss. Ich befinde mich ca. 40 Meter von dem Start-Bogen entfernt und als der Läuferpulk in Bewegung kommt, warte ich noch ab und erst als ich über die Zeitmatten laufe, drücke ich auf Start. Es sind zwar viele Läufer, aber die Straße (Opernring) ist breit und ich man kann sogar vorsichtig überholen und nach einem Start mit Pace 5:20 erreiche ich schon nach ca. 200 Metern meine Zielpace von 4:44 min/km. - Wie ein Mantra hab' ich mir immer wieder vorhergesagt, nicht zu schnell zu beginnen, sich nicht mitreißen zu lassen von der losstürmenden Meute - und....es gelingt. Scheinbar.
Ich laufe also mit einer Laufuhr, mit der ich noch nie gelaufen bin eine Strecke, die ich noch nie gelaufen bin, mitten in der Stadt. Aber ich vertraue der Uhr vorrangig vor den Kilometertafeln, da ich auch mehrfach gelesen habe, dass manche km Tafeln nicht korrekt aufgestellt sind. Fakt ist, dass ich bemerke, dass die km Tafeln immer schneller kommen, als das Piepsen meiner Laufuhr (Autolap auf 1km eingestellt). Ich erinnere mich genau daran, hab' dem aber nicht zuviel Bedeutung beigemessen, da ich wie gesagt nicht genau in der Mitte der Straße laufe und wie die anderen Läufer auch die Kurven schneide. Ich weiß noch genau, dass ich irgendwann eine km Tafel kam (vielleicht bei km 5) und ich dann "nur" 4,89 km auf der Uhr hatte, als ich genau bei der Tafel vorbeilief. Dies war auch bei den anderen Kilometertafeln so und bei km 10 zeigte meine Uhr 9,83 km an während ich noch immer "brav" meinen 4:44 Schnitt lief. Einmal ruft jemand vom Straßenrand "Super Bernd, nur weiter so" - und ich dreh' mich sofort hin und denke, ein Bekannter hat mich gesehen, bis ich verstehe, dass er nur den Namen auf meiner Startnummer las und rief, ich freute mich trotzdem. Allerdings scheine ich nicht in den Lauf zu finden, irgendwas stimmt nicht, aber ich weiß nicht was. Meine Strategie ist es, bei km 8 und 13 etwas Gel zu mir zu nehmen, aber ich fühle mich schon bei km 6 nicht besonders gut und ziehe in Erwägung, früher etwas zu schlucken, was ich bei km 7 auch tue.
Später kommt das vorerst Unerklärliche - Ich kann die Pace nicht mehr halten und zwar schon ab km 13, ich weiß nicht, was los ist, aber es geht einfach nicht. Die Strecke ist flach, das Wetter okay - ca. 15 Grad und Sonne, ich verstehe es nicht, aber ich schaffe nur mehr knapp 4:50 Schnitt, 2 km weiter bin ich bei 4:55 und muss kämpfen, ich versuche mich notgedrungen auf einem niedrigeren Niveau zu stabilisieren, um nicht ins Bodenlose zu fallen. Ich erinnere mich daran, in diesem Moment von mir selbst stark enttäuscht zu sein. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich krieg' es nicht hin. Das Rennen wird zur Tortur, später sollte ich gegenüber meiner Familie die unschönen Worte "ich bin verr*ckt wie ein Schw*in" benutzen, um das Geschehene zu artikulieren.
Ich erinner' mich daran, dass ich das Gefühl hatte, das viele Läufer locker an mir vorbeijoggen, ich werde also eingesammelt. Es sei hier erwähnt, dass ich auch generell bemerkte, dass einige Läufer sich sogar unterhielten und mir wurde klar, dass bei weitem nicht alle unterwegs waren, um eine PB aufzustellen - auch das hat mich mein erster Halbmarathon gelehrt. Einer sprintet kurz zu zuschauenden Kindern am Straßenrand, um sie abzuklatschen - undenkbar in meinem Zustand. Auch diverse Laufklubs (am Shirt erkennbar) joggen locker an mir vorbei. Ich selbst überhole irgendwann im Lauf des Rennens den 4:15er Pacemaker des Marathons samt Anhängerschaft.
Es geht die Grabenstraße hoch zur Kehre in Andritz auf Höhe Möbelix und ich kann nicht mehr. Ich laufe mit Laufgürtel (mit 2 Isoflaschen à 0,3 Liter und trinke immer wieder und nehme auch etwas Gel, da ich glaube, dass eventuell der fehlende Treibstoff schuld an meinem Untergang ist. "Laufen heißt Leiden" denke ich. Ich bin jetzt bei einer 5:00 Pace angelangt und habe Angst, ins Bodenlose zu stürzen. Ich kämpfe. Ich denke an Karl, meinen ebenfalls laufbegeisterten Arbeitskollegen und wie sehr er an meiner HM Vorbereitung interessiert war (er lief und läuft nur Wettkämpfe bis 5 km, und zwar sehr schnell!!) und ich konnte seinen Stolz spüren, als ich ihm berichtete, dass ich einen Trainings-HM mit knapp 1h40min lief. Ich spüre, dass mir das Rennen völlig entgleitet ist und dass es nur noch um Schadensbegrenzung geht. Mein Mund ist ekelhaft klebrig vom Gel und dem süßen Iso, sodass ich einmal bei einem Verpflegungsstand ein Wasser trinke, um das Klebrige vom Mund zu entfernen. Einmal fällt mir der Becher aus der Hand und einmal erwische ich versehentlich Peeroton statt Wasser. Die Verpflegungsstände tauchen im übrigen ganz plötzlich auf - quasi ohne Vorankündigung, oder ich sehe die Tafel nicht, weil ich mich mittem im langgezogenen Läuferpulk befinde oder zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin. Bei km 19 bin ich bei Pace 5:06 angelangt und ich spüre, dass ich wahrscheinlich bald nur mehr 5:30 oder nicht mal mehr 6:00 laufen kann. Wir sind wohl schon in der Theodor-Körnerstraße, ich versuche mich auf einen Läufer vor mir zu fixieren, der scheinbar konstant einen 5:05 er Schnitt läuft, - VTU steht auf seinem weißen Shirt. Insgeheim weiß ich, dass ich es nie und nimmer schaffe, diese letzten 2 km an ihm dranzubleiben. Ich kann nicht mehr. Ich bin nie mit Pulsmessung gelaufen, aber die aus oben genannten Gründen neu gekaufte Forerunner 35 hat eine Pulsmessung integriert und zu Hause nach dem Lauf sollte ich zu Hause an den Daten ablesen, dass ich auf diesen letzten 2 km einen Durschnittspuls von 200 Schläge/min habe. Kaiserfeldgasse, aber ich muss nochmal die Schmiedgasse rauf und über die Herrengasse, um zum Ziel zu gelangen. Irgendwie hab' ich es geschafft am "VTU Pacemaker" dran zu bleiben und ich schwanke ins Ziel und irgendwie schaffe ich es, beide Uhren abzudrücken, sie sagen 1:41:55 (meine offizielle Endzeit sollte dann 1:41:48.6 sein), ich bin überrascht, ich hätte gedacht, dass ich längst über 1:45 bin. Eine junge Dame hängt mir die Finishermedaille um, aber ich kann nicht danke sagen, da ich im wahrsten Sinne des Wortes am Ende bin. Ich versuche noch, aus dem Weg zu gehen, um nicht nachfolgenden Zieleinläufern im Weg zu stehen. Ich kann aber den Zielbereich nicht verlassen und halte mich am Geländer fest, um zu Atem zu kommen, nach vielleicht 3 Minuten schwanke ich zu einer Bank während ich komplett fertig bin. Im Hinterkopf hab' ich nun aber, dass ich klitschnass bin und der Wind geht, und ich morgen arbeiten muss. Wenn ich zu lange hier bleibe, dann bin ich krank - denn die Kombination nass und Wind haben bei mir schon oft in der Vergangenheit zu einer Grippe geführt. Ich kann mich aber nicht bewegen. Nach ca. 10 Minuten wanke ich auf eine Wiese, dort ist wenigstens Sonne und ich versuche mich hinzusetzen, kippe aber nach hinten und liege. Ich bekomme Krämpfe, sowohl in Unter- als auch Oberschenkeln und zwar für ca. 25 Minuten. Ich bin kurz vor 12 Uhr mittags ins Ziel eingelaufen und ich erinnere mich, dass ich erst um 12:32 Uhr die Kraft hatte, von der Wiese aufzustehen. In dieser Zeit fragen mich ca. 10 bis 15 Leute, ob sie mir helfen sollten oder ob sie einen Sanitäter holen sollen. Ich verneine, bedanke mich, und sage, dass ich nur Krämpfe hätte und dass ich deshalb nicht aufstehen könne, dass das aber bald wieder okay ist. Falscher Stolz wahrscheinlich. Einer gibt mir eine Wasserflasche und das werde ich ihm wohl nie vergessen. 2 andere fragen mich, ob sie mich massieren sollen, ich lehne dankend ab und einmal hat mir einer versucht zu helfen, indem er meine Fußspitze zu mir drückt, um die Krämpfe zu lösen. Aber es ging nicht, da die Krämpfe nicht leicht zu lokalisieren waren, sie waren ein bisserl überall.
Um 12:32 Uhr schleppe ich mich dann zur Garderobe, um endlich den Starterbeutel zu holen, um nich anzuziehen, um mich nicht zu verkühlen. Ich bemerke, dass mein Handytascherl am Oberarm fehlt, welches ich immer für die Mitführung der Gels zweckentfremde. Ich gehe ganz langsam den Weg nochmal zurück, aber ich finde es nicht mehr. Keine Ahnung, wo oder wie es abhanden kam. Auch heute habe ich noch starken Muskelkater in den Schenkeln und - gottseidank
frei, ich muss erst morgen wieder arbeiten.
Mein Versuch, das Geschehene zu erklären ist und bleibt - wohl immer nur ein Versuch. Aber ich denke, dass die Kilometertafeln wohl richtig aufgestellt waren auf den ersten 10 Kilometern und dass die Laufuhr eine falsche Pace anzeigte. Wenn man zurückrechnet und bedenkt, dass bei der 10er Kilometertafel meine Laufuhr nur 9,83 km anzeigt, dann heißt das, dass ich knapp 150 Meter mehr gelaufen bin, als meine Uhr anzeigt, was wiederum bedeutet, dass ich wahrscheinlich statt der angezeigten 4:44er Pace in Wahrheit im Bereich 4:40 oder 4:41 unterwegs war, was erklären würde, warum ich ab km 13 bzw. 14 so vor die
Hunde ging.
Liebe Grüße,
Bernd