JoelH hat geschrieben: 10.10.2023, 12:38
Interessant zu lesen. Vor allem das Thema gehen und das Thema Pause.
Ursprünglich dachte ich ja auch, dass Gehen während eines Wettkampfes kein Laufen ist und damit ein NoGo sei. Aber gerade was den Backyard betrifft ist es ein absolut anerkanntes Mittel. Dass ich trotzdem nur moderat versuche anzuwenden. Denn im Gegensatz zu dir mag ich die vorgegebene Pause sehr und sehe es gerade beim Backyard als Vorteil an. Ja, man muss dann wieder loslaufen. Aber die Pause erdet und gerade als rastloser "immerzuschnell" Läufer hilft sie. Man wird sozusagen natürlich eingebremst.
Hallo JoelH,
im Moment bin ich ein bisschen "rastlos" und "überbeschäftigt", will es aber nicht versäumen dir für deine Antwort zu danken. Besonders erfreulich die tiefgründige Beschäftigung mit dem, was ich in meinem Laufbericht zum Ausdruck brachte. In diesen Berichten schwingt immer mehr mit, wie unterschiedlich wir Läufer nicht nur in unseren Möglichkeiten sind, sondern vor allem auch in der Auffassung vom Laufen und in den Motiven, die uns leiten. Ich habe vielfach zum Ausdruck gebracht, dass ich "Gehen" als für jedermanns selbstverständliches "Recht" und eine situativ zweckdienliche Form in offiziellen Läufen erachte. Umso mehr, als es für fast keinen von uns ums eigentliche Wettkämpfen dafür um Selbstüberwindung und das Erreichen eines gesteckten Zieles geht.
Subjektiv Fakt ist aber nunmal, dass für mich tatsächlich Gehen ein NoGo ist - so lange ich es nicht zwingend brauche, wie etwa dann, wenn ein Streckenteil zu gefährlich oder laufend unüberwindlich erscheint. Oder eben auch wenn mein Ausdauerstand im Verlauf des Bewerbs so tief abgesunken ist, dass ich den Gesamterfolg gefährden würde. Dann gehe auch ich. Aber mit innerem Widerwillen, der mich unleidlich werden lässt und den Spaß verdirbt. Das ist in meinen Genen so angelegt und ich habe nie versucht wider meine Natur zu laufen. Ebenso wenig sollte es ein anderer tun, der Gehen als Hilfsmittel - wann auch immer - braucht, um sein Ziel zu erreichen. Gehen betrachte ich nicht als etwas, das einen Lauferfolg diskreditieren würde. Finish ist Finish. Basta. Allein - ich hasse es zu gehen.
Aus dieser Eigenart heraus ist mir auch absolut gleichgültig, ob Gehen ein "anerkanntes Mittel" zum Erfolg beim Backyard ist. Dass das so ist, habe ich in meinem Bericht zum Ausdruck gebracht, verbunden mit der Selbst-Manöverkritik, dass ich es mir durch Gehen leichter hätte machen können. Vielleicht rekrutiert sich ein Teil der Ablehnung dieses Formats aus der Tatsache, dass Laufen als Mittel des Erfolges vom Erfinder eingeplant ist.
Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass ich nie Taktgeber benötigte, um meine Läufe - gleich welcher Länge - halbwegs ökonomisch durchzustehen. Langsam laufen war für mich nie ein Problem, weil ich es zu Anfang ebenso "einstudierte" wie vieles andere auch. Auch ein bestimmtes Tempo zu treffen gelang mir vergleichsweise mühelos. Anfangs beim Marathon legte ich eine Runde vor und pendelte danach mein Tempo über ein, zwei weitere Kilometer ein. Das zu einer Zeit, als es noch keine GPS-Tempomessunterstützung gab, oder nur für horrendes Geld. Auch aus diesem Grund empfinde ich die zwangsläufig langen Pausen beim BU als unnötige Gängelung auf dem Weg zu x Kilometer gelaufener Strecke.
Natürlich habe ich das Ganze auch im Licht meiner früheren Leistungsfähigkeit betrachtet. Mich gedanklich als den Läufer auf die 6,7 km-Runde geschickt und bis zur Erschöpfung dort kreisen lassen, der ich mal war. Also mit dem Vermögen bei einem 24h-Lauf deutlich über 200 km weit zu laufen. Nicht um abzuschätzen, was mir hätte gelingen können, hätte es das Format bereits zu jener Zeit gegeben und ich mich drauf eingelassen. Allein um mit meiner damaligen Einstellung die "Sache" zu bewerten. Dabei kam ich zum selben Ergebnis: BU ist nichts für mich.
BU ist eine Ausdauerübung ganz eigener Art. So wie Bergtrailläufe ihr eigenes Laufgenre begründen. Letztere sind mehr eine Überlebens- und Durchschlageübung, als eine Laufveranstaltung. Ich kenne erfolgreiche Trailläufer, unter anderem eine Läuferin, die den UTMB gefinisht hat. In Gesprächen skizzierte sie mir das "Wesen" dieser "Gebirgsläufe", so dass ich weiß, wovon ich rede. Auch davon weiß, weil ich selbst den einen oder anderen (kürzeren!) Trailultra in den Alpen oder Mittelgebirgen absolvierte. Laufen wird bei solchen Bewerben mehr zu einer Fortbewegungsart, die man "auch" praktiziert. Wo es technisch möglich ist und die Kräfte schont. Auf einfachem Pfad, nicht zu steil aufwärts, eben und abwärts. Auch das ist nachweislich eigener Versuche nichts für mich. Obwohl ich die Berge liebe und vor meiner Lauf"karriere" jedes Sommerwochenende dort sportlich bergwandernd und -steigend unterwegs war. Es ist nichts für mich, was mich aber nicht daran hindert den Bergläufern zu applaudieren. So wie ich den deutschen Spitzentriathletinnen am WE in Hawaii beim Ironman applaudieren werde. Denn Triathlon, diese wundervolle Sportart, ist auch nichts für mich. Zu viel Gerätschaft nötig, sportlich Radfahren ist nicht mein Ding und Schwimmen kann ich gerade so, dass ich mich über Wasser halte.
Ich gehe also so weit zu sagen, dass es im Bereich der Ausdauersportarten, bei denen Laufen ein Element des Vorwärtskommens darstellt, sehr unterschiedliche Disziplinen gibt, von denen BU eine verkörpert, die halt nun gerade in Mode ist und sicher auch bleiben wird. Aus gutem Grund, schließlich gibt es Elemente bei BU, die jedem gefallen müssen und auch mir gefallen. Zum Beispiel die Tatsache, dass fast jede Läuferin, jeder Läufer dort am Start stehen kann. Eine, zwei Runden kann ich auch laufen ohne mich durch viel Training vorbereitet zu haben. Selbst wenn ich dann aufhören muss - ich war dabei!
Die übrigen Teile deiner Antwort lese ich mir noch mal genauer durch und melde mich ev. nochmal zu Wort.
Alles Gute für dich
Gruß Udo