Kurz zu Daniels Konzept: Man sollte immer die Vereinfachungen dahinter berücksichtigen. Zum einen sind die Grundmodelle, die er benutzt (wie z. B. Das Schwellenmodell), schon Vereinfachungen der Realität. Die reale Physiologie des Laufens und des Lauftrainiungs ist immer komplexer, als die Modelle, die wir benutzen, um sie zu erklären. Zum zweiten vereinfacht Daniels noch einmal ganz bewusst, in dem er einen möglichen Trainingseffekt einer bestimmten Sorte von Trainingseinheit sehr stark betont. Das bedeutet natürlich nicht, dass dies der einzige Trainingseffekt wäre. Natürlich kann die VO2max auch durch TDL verbessert werden, natürlich bringen Intervalle auch etwas für die Kraftausdauer.
Weiter muss man berücksichtigen, dass das die erste Auflage der Running Formula erschien bzw zumindest die Vorarbeiten dazu stattfanden, als VO2MAx noch ein in der ziemlich gehypter Parameter war. Solche Artikel wären damals eher nicht entstanden:
The Fallacy of Vo2max and %VO2max
Mittlerweile hat sich die Begeisterung für das VO2max messen also etwas gelegt. Dasselbe passiert auch mit Laktat- und Pulswerten – allerdings kriegen das einige eben früher, einige später mit.
Es ist immer gefährlich einen Messwert oder die Kombination weniger Messwerte als das ultimative Vorhersagemodell hinzustellen – solche Leistungsdiagnosen scheitern regelmäßig an der Realität. Selbst wenn die Physiologischen Fähigkeiten eines Läufers gut eingeschätzt wurden, was schwierig genug ist, so kann es im WK immer noch an der Psyche des Läufers oder z. B. an der Wettkampfgestaltung durch die Konkurrenz scheitern.
So jetzt meine Interpretation des Danielschen Intervalltrainings (Cruise-Intervals ausgenommen).
Daniels geht von derselben Definition der HfMax aus wie jeder andere, der sich da schon ernsthaft mit beschäftigt hat. 100% sind 100% - mehr geht nicht.
(Es gibt die Theorie, das an manchen Tagen
weniger geht und man an diesen Tagen auch nicht mit den normalen 100% rechnen kann. Bisher kenne ich keinen wissenschaftliche Untersuchung dafür, aber ich halte es für wahrscheinlich, dass die Tagesform miteinbezogen muss und sich bei unterschiedlichen Läufern unterschiedlich auf die Hf auswirkt, was die Steuerung nach Hf zusätzlich erschwert.)
Wenn Daniels jetzt 98-100 % der HfMax als Intensität für die Intervalle fordert, dann meint er das auch und nicht etwa 92%. Gemeint ist die Zielintensität, die nach etwa 2min Laufen in diesem Tempo erreicht wird, gemeint ist nicht die durchschnittliche HF.
Wir nehmen mal als Beispiel eine typische Einheit auf dem Niveau, das viele Amateure erreichen können: 5*1000m in je 4 min, Pause z. B. 4Min.
Unser Athlet Ingo hat einen Vdot von etwa 48. Ermittelt wurde der in einem 3000m Lauf, den er in knapp 12 min beendet hat. (Das ist nicht zufällig die Coopertestdauer, dazu später vielleicht mehr.) Nominelle I-pace wäre eher 4:03, aber seit dem Test gabs schon einige Wochen gutes Training, also geht der Typ die 4min an.
Ingo hat nach dem Einlaufprogramm etwas pause, zieht die schnellen Schuhe an, etc. Seine HfMax ist bei 200, jetzt vor dem Intervallprogramm hat er einen pusl von etwa 120 .60%.
Jetzt läuft er seinen ersten 1000er, die Herzfrequenz geht in den ersten 2min auf etwa 98% hoch und bleibt dann die restlichen 2 min in etwa in dem Bereich. Dann macht er 4 min Pause, in denen die Hf nur auf 135 absinkt. Beim nächsten 1000er ist er nach 1:40 schon auf 98% und bleibt dann 2:20 etwa in dem Bereich usw … so die Idealvorstellung.
Möglicherweise ist es anders realistischer: Vielleicht braucht er 2'20 um auf 98% zu kommen. Vielleicht ist er da auch erst auf 95 % und kommt bis zum Ende auf 97%.
Aber auf die paar % kommt es nicht an: Eigentlich gibt es auch keine einzige ultimative I-pace, wie die Tabelle 3.2 auf 52ff suggeriert (bezogen auf Daniels 2005), sondern eine I-Zone, die für unsren Kandidaten Ingo z. B. von etwa 3'58/km analog zu einem 11min Lauf und dem schnelleren Ende der Zone bis 4'09 entsprechend der Intensität eines 21 min Laufs reicht. Die entsprechenden HF-Werte liegen bei 97,5 bis 100% HfMax laut Tabelle 2.1 (Daniels 2005:39f). Nochmal: Das sind keine Durchschnittswerte für einen 1000er des Intervalltrainings.
Wenn man in der Spitze nur auf etwa 90% kommt, dann ist man theoretisch eher bei T-Pace. Praktisch mag es da aber diverse Abweichungen geben. Die graduelle Nutzung der VO2Max hängt stark von der Trainiertheit ab, die Dauer der möglichen intensiven Belastungen nahe der HfMAx dementsprechend wohl auch, außerdem sollte die „mentale Tempohärte“ da eine große Rolle spielen, dementsprechend auch die Trainingssituation (allein vs. passende Gruppe).
Bei einer Belastung von 1h kann ein ausdauermäßig sehr gut Trainierter bis zu 90% seiner Vo2max nutzen – ein Untrainierter dagegen nur 50%. (Vgl Zintl/Einsenhut 2009: 37).
Bei einer Belastung von etwa 10 min sind es bis zu 100 % der VO2max , bei 30min etwa 95% bei den hoch trainierten Ausdauersportlern. (ebenda.) Und da ist wieder die Übereinstimmung zu Daniels - das schnelle Ende der I-Zone liegt bei einem Tempo, was man etwa 10min halten kann.
Weil sich solche Einheiten sehr schwierig über den Puls steuern lassen, sollte man diese Einheiten imo immer nach Zeit und Belastungsgefühl laufen. Dazu auch regelmäßig den Vdot überprüfen – am besten durch WK in verschiedenen Bereichen, auch Testläufe (time trials) haben gerade in längeren wettkampffreien Phasen ihre Berechtigung.
Wichtig ist: Als wettkampforientierte Läufer trainieren wir für gute Wettkampfergebnisse, nicht für irgendwelche Puls-, Laktat-, VO2Max- oder sonstige Messwerte. Solche Messwerte können helfen, können aber auch immer wieder den Blick auf das Wesentliche erschweren.
Gruß
C