acaffi hat geschrieben:Es ging in diesem Faden (so hab ich es verstanden) um persönliche Meinungen, nicht um Tatsachen. Und klar ist Bolt nicht gedopt (bis man ihm das Gegenteil beweist).
Trotzdem bin ich der Meinungen, das zumindest ein fader Beigeschmack herrscht weil:
Es gibt in Jamaika keine bis wenig geregelte Dopingkontrollen im Training (Die wenigstens werden im Wettkampf erwischt) Hier geht es auch um Chancengleichheit mit anderen Nationen, wo das Kontrollsystem dichter ist.
Einerseits wäre es schön, wenn überall gleichermaßen kontrolliert würde. Andererseits gibt es keine Chancengleichheit, solange der Doper nicht nachweisbare Präperate nehmen kann und der Ehrliche der Dumme ist. Möglicherweise hätten wir mit einer (teilweisen) Dopingfreigabe mehr Chancengleichheit.
Vollständige Chancengleichheit gibt es aber natürlich grundsätzlich nicht. Unterschiedliches Talent, unterschiedlche Trainingsmöglichkeiten usw. gab es schon immer. Bei jeder LA-WM kämpfen Amateure, Semi-Pros und Voll-Profis bis hin zu Multimillionären um die Plätze. Gleiche Chancen?
Einer meiner früheren Trainer war vor etwa 20 Jahren mal als "sportlicher Entwicklungshelfer" in Guatemala. Das beste Stadion da war schlechter als unsere alter Asche-Acker. Auf Bildern aus Kenia sieht man heute noch Plätze, auf denen kein Deutscher Spitzenläufer freiwillig trainieren würde. Gleiche Chancen?
Möglicherweise ist aber auch der Doper einfach der Profi, der seinen Job richtig gut macht, er tut alles, um den Zuschauern das zu liefern, was sie sehen wollen: Rekorde und Spitzenleistungen.

In anderen Bereichen der Gesellschaft wird ja weitgehend auch akzeptiert, dass Menschen Medikamente nehmen, um ihren job gut zu machen oder schnell wieder fit zu sein für ihren Job.
Aber die Sportler müssen natürlich "reine" Vorbilder mit blütenweißer Weste sein, Politiker, Manager, Schauspieler und Sänger dagegen eher nicht. Als Musiker ist es am besten: Es folgt auf eine Heroinverherrlichungsplatte eine Heroinverdammungsplatte und wird genauso gekauft, jeder neue Absturz von Pete Doherty oder Amy Winehouse sorgt für gute Verkaufszahlen. Als David Bowie kann man total breit in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo mitspielen" und am Soundtrack mitarbeiten, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Sportler werden mit Sperren, Liebesentzug der Fans und u. U. mit dem Ruin ihrer Karriere bestraft - aber nur, wenn sie sich erwischen lassen. Dabei wollen sie doch nur einen guten Job machen, nehmen Drogen, damit sie mehr trainieren können, ebenso wie der koksende Manager länger arbeiten will und manch ein Kind nur mit Ritalin (sehr ähnlich "Speed") auf die geforderte Leisung kommt.
Leistungssportler riskieren ihr Gesundheit, um den Zuschauern die Show zu liefern, die die sehen wollen, zum Dank behandelt man sie wie Schwerbrecher oder zumindest Terrorverdächtige?
acaffi hat geschrieben:
Der 100 m WR stand im Jahr 1968 bei 9,95 Sekunden. Im Jahr 2005 wurde er auf 9,77 Sekunden verbessert (ein Sprinter aus Jamaika). D.h. wir haben für 18 Hunderstel 37 Jahre gebraucht (mit oder ohne Doping) Für die nächsten 19 Hunderstel haben wir nur 4 Jahre gebraucht. Talent hin oder her (was Bolt bestimmt hat) was hat sich in den letzten 4 Jahren so verändert (außer der chemischen Industrie) das auf einmal solche Steigerungen möglich sind ?
1960 stand er bei 10,0 entsprich etwa 10,24. Für 29 Hundertstel nur 8 Jahre gebraucht, was hat sich da verändert, dass solche Steigerungen möglich sind?
Damals war es u. a. die neuen Kunststoffbahnen und die Höhenluft von Mexico City 1968. Auch für die jüngsten Steigerungen sind u.a. die härteren Bahnen verantwortlich.
Im Training ändern sich auch Sachen. Wieviele 100m/200m Sprinter liefen früher ab und an die 400m? Seltenst, und wenn dann für die Staffel. Bolt ist sie schon öfter gelaufen.
Heute haben einige erkannt, dass gerade für die langen Sprints die Ausdauer deutlich wichtiger ist als bisher gedacht - und liefern wie Clyde Hart (Trainer von Richards und Wariner) Erfolge am Fließband. Der 200m Läufer muss eine Phase 400m Training machen, der 400m Läufer quasi 800m Training. Langsamer trainieren, dafür mehr volumen. Imo ist diese Entwicklung noch relativ neu, aber da ich mich mehr mit Mittel- und Langstreckentraining beschäftige, könnte ich mich aber irren.
Jamaika hat übrgens seit mind. 25 Jahren Sprinter in der Weltspitze, eine lange Tradition. Früher wanderten mehr aus, nahmen mehr eine andere Nationalität an und heute starten eben mehr für Jamaika, bleiben ganz da oder trainieren in USA, starten aber für ihr Heimatland.
Natürlich sage ich nicht: Bolt ist sauber. Aber auch nicht: er dopt. Weil ich es nicht weiß. Und die Leistung imo auch clean möglich sein kann.
Mal zum Vergleich Marita Kochs 47,60 über 400m. Mittlerweile gibt es sehr viele Beweise, das zu dieser Zeit in der DDR systematisch gedopt wurde. Da gibt es mehr Grund zum Zweifel. Aber die Leistung alleine sollte nicht der Grund für Zweifel sein. Denn so wird der Sport kaputt gemacht.
Nebenbei:
Hochleistungssport ist nicht unbedingt gerade gesundheitsfördernd (ebensowenig wie die 80h Woche eines Top-Managers oder der Alltag mancher Popstars), auch wenn auf Dopng verzichtet wird. Wahrer Sport fängt eben da an, wo die Gesundheit aufhört. Und Leute wie Koch oder Kratochvilova erfreuen sich nach meinen Infos bester gesundheit. Man könnte sogar vermuten: Unter ärztlicher Aufsicht funktioniert es besser. Ulle gehts ja auch super.
Einige tragische Fälle im Westen könnten ja möglicherweise mit wildem, unsystematischen Dopen zusammenhängen. Die erwähnte Flojo, oder etwas näher Birgit Dressel oder Ralf Reichenbach.
Auf der anderen Seite gibt es bei Nicht-Sportlern vermutlich immer noch mehr frühe Todesfälle aufgrund von übermäßigem Gebrauch diverser Substanzen.
Gruß
C.