Zweimal Olympia-Gold, viermal Weltmeister, unzählige Weltrekorde – Haile Gebrselassie (36) gilt als als einer der größten Langstrecken-Läufer aller Zeiten. Einen Tag nach seinem vierten Triumph beim Berlin-Marathon war Super-Haile zu Besuch bei BILD in Berlin.
Im Interview spricht das Lauf-Weltwunder über Currywurst, Ballack und seine großen Ziele für die Zeit nach dem Laufen.
BILD.de: Es war Ihr vierter Berlin-Marathon und Ihr vierter Sieg. Was bedeutet Ihnen Berlin?
Berlin bedeutet mir alles. Ich liebe diese Stadt. Hier zu laufen ist immer etwas besonderes, ich plane mein Trainingsjahr um diesen Marathon herum. Hier ist es grün – fast die gesamte Strecke liegt unter Bäumen. Wie viele Leute waren an der Strecke, eine Million? Unglaublich, wie ich immer angefeuert werde. Es ist eine Atmosphäre wie im Stadion.
BILD.de: Berlin liebt Sie offensichtlich auch.
Gebrselassie: Und ich liebe die Leute hier. Schade, dass ich die WM hier auslassen musste. Aber der Berlin-Marathon war mir wichtiger. Ich bin wirklich gerne hier.
BILD.de: Berliner Weiße und eine Currywurst genossen?
Gebrselassie: Curry-was? So ein Würstchen mit Currypulver? Ganz ehrlich: Ich habe soviel gegessen hier, ich weiß gar nicht mehr, was alles dabei war. Und Alkohol trinke ich nie. Na ok, ab und zu gönne ich mit ein Gläschen Wein.
BILD.de: Der älteste Teilnehmer des Marathons war 83. Wie lange wollen Sie noch laufen?
Gebrselassie: Ich habe keinen Plan. Wenn ich jetzt sagen würde, in vier Jahren ist Schluss, dann hätte ich im Kopf schon abgeschlossen. Das habe ich nicht. Allerdings: Wenn ich kein gutes Ergebnis mehr erreichen kann, werde ich auch an keinem Wettbewerb mehr teilnehmen. Laufen würde ich natürlich trotzdem weiter.
BILD.de: Können Sie denn überhaupt ohne den Wettbewerbsdruck laufen? Einfach aus Spaß?
Gebrselassie: Ich sag Ihnen jetzt mal was: Laufen ist lebenswichtig, Grundlage wie zu essen und zu trinken. Jeder Mensch sollte laufen, und zwar jeden Tag. Völlig egal, wie lang, Hauptsache, er läuft. Menschen gehen zum Arzt und lassen sich erklären, wie ihr Körper funktioniert. Warum testen sie es nicht selbst? Wenn du läufst, dann hörst du automatisch auf deinen Körper.
BILD.de: Mögen Sie denn auch andere Sportarten?
Gebrselassie: Fußball schau ich ab und zu, wenn es passt. Am liebsten mag ich den deutschen Fußball – ohne Witz! Franz Beckenbauer habe ich bewundert, später Jürgen Klinsmann und Lothar Matthäus. Nach Klinsmann kam aber kein deutscher Fußballer mehr von Weltruhm. Obwohl, wie heißt der Deutsche bei Chelsea?
BILD.de: Michael Ballack, der Kapitän unserer Nationalelf.
Gebrselassie: Genau. Herrlicher Fußball. Nicht, weil er so technisch oder taktisch versiert ist. Wissen Sie, warum? Weil die Deutschen bis zum Ende alles geben, bis zur letzten Sekunde. Ob sie 3:0 führen oder 0:3 hinten liegen. Sie werden bis zum Ende kämpfen.
BILD.de: Ist das die Gemeinsamkeit zum Laufen?
Gebrselassie: Kämpfen ist das wichtigste im Sport! Und auch meine Devise. Man darf sich nie hängen lassen, nie aufgeben.
BILD.de: BILD-Liste der zehn größten Sportler aller Zeiten waren Sie leider nicht dabei. Enttäuscht?
Gebrselassie (lacht): Nein, dann habe ich wohl noch nicht genug geleistet. Aber ich habe ja auch noch einiges vor. Wer war denn die Nr. 1?
BILD.de: Muhammad Ali.
Gebrselassie: Muhammad Ali ist auf jeden Fall der Größte. Dann kommen Pelé und Michael Schumacher.
BILD.de: Was ist mit Usain Bolt?
Gebrselassie: Er ist erstaunlich. Einer, der die Massen anzieht. Vorher hab ich mich für Sprint nie interessiert – jetzt schaue ich mir die Rennen an.
BILD.de: Ist das eigentlich menschenmöglich, was er leistet? Auch Sie haben in Ihrer Karriere mehr als 20 Weltrekorde aufgestellt. Wo sind die Grenzen?
Gebrselassie: Wenn Sie mich fragen, ob es möglich ist, die 100 Meter in fünf Sekunden zu laufen – nein. Aber die Menschen werden immer schneller. Vor hundert Jahren wurden die 100 Meter in 11 Sekunden gelaufen, heute sind es also 9,5.
BILD.de: Kann man den Marathon unter zwei Stunden laufen?
Gebrselassie: Auf jeden Fall. In 25, 30 Jahren bestimmt.
BILD.de: Dann werden Sie nicht mehr laufen. Was machen Sie nach der Läufer-Karriere? Sie sind politisch und sozial sehr engagiert – warum werden Sie nicht Präsident von Äthiopien?
Gebrselassie: Ich habe solche Pläne. Genügend Stimmen bekäme ich bestimmt. Andererseits: Ich möchte vieles bewirken – und was kann ich als Präsident erreichen, was ich nicht jetzt sowieso schon mache? Ich bin auch Geschäftsmann, schaffe Arbeitsplätze, baue gerade ein Luxushotel in Addis Abeba (Hauptstadt von Äthiopien, die Redaktion). Ich möchte vor allem im Land herumreisen, mich vor Ort um die Bedürfnisse der Menschen kümmern, engagiere mich für den Bau von Schulen, für HIV-Projekte. Aber die Armut ist das drückendste Problem in unserem Land. Wer weiß: Vielleicht kommt die Politik irgendwann.
Echt sympathisch der Mann!
