Ich hoffe Ihr vergebt mir, wenn ich mal wieder von meinen neuesten Raderfahrungen erzähle.
Am Wochenende bin ich mit meinem Verein, den Tri Michels, in den Harz gefahren, um mal ein wenig Bergluft zu schnuppern. Vorrangiges Ziel war es natürlich, Rad zu fahren. Wir haben uns mit 27 Leuten 6 Hütten in Bad Grund gemietet.
Freitag war Anreisetag und um 18.00 Uhr war Einrollen angesagt. Die ersten 10km ging es fast nur bergab und ich wollte mich schon als erfahrenen Bergprofi bezeichnen, so leicht viel mir das.

) Doch dann kamen die ersten Steigungen und es hieß sofort, seinen eigenen Rhythmus zu finden. Schnell zerfiel die Gruppe in ihre Einzelteile und völlig überrascht sah ich vor mir kaum jemanden, dafür hinter mir um so mehr. Was war geschehen?!?! Ich als unerfahrener Flachlandtiroler umgeben von teilweise erfahrenen Triathleten fand mich an der Spitze einer Radgruppe wieder, die gerade im Begriff war, ein paar Berge zu erklimmen. Ich traute meinen Augen nicht. Zu allem Überfluß war ich als erster oben und auch beim 2. und 3. Berg mußte ich oben auf den Rest warten. Schuld war sicher die Erfahrung der anderen, die nicht gleich von Beginn an ihre Körner verschießen wollten, denn es standen ja noch 2 Tage bevor und dann waren es meine Glückshormone, die in dieser Bergwelt Purzelbäume schlugen :roll: Es half einfach nix. Ich mußte da so schnell wie möglich hoch, so geil fand ich das. Körner hin oder her. Morgen ist morgen und jetzt ist jetzt.
Nach 35km war Ende des Einrollens und wir begaben uns an den Grill, um unseren Fleischbedarf zu decken.
Am nächsten Tag war um 10.00 Uhr Start angesagt. Es wurden 3 Gruppen gebildet: Die Ullrich-Gruppe, zu der ich mich nicht zählen wollte. In der fanden sich die ganzen Laktatochsen wieder, die gestern noch ihre Körner trocken gehalten haben. Die Wesemann-Gruppe, in der ich mich einreihte. Ambitionierte Radfahrer, die noch keine Erfahrung am Berg hatten. Und dann noch die Cappochino-Gruppe, in der sich die Mädels einreihten und ein Mann, der einfach nur entspannt die Bergwelt des Harzes erleben wollte.
Die Ullrich- und Wesemann-Gruppe fuhr erst gemeinsam los, um gemeinsam den ersten Berg zu erklimmen. Ich fand mich im forderen Mittelfeld wieder, beschloß aber, meiner Wesemann-Gruppe treu zu bleiben. Ich ahnte schon, daß die Ullrich-Leute bei jedem Berg in die vollen gehen würde und die Erholungszeit auf dem Berg nur Sekunden dauern würde, um sich gleich todesmutig die Abfahrten runter zu stürzen. Mir war mehr danach, mich am Berg voll zu verausgaben, oben zu warten und so die Erholungszeit ein wenig zu verlängern, bevor es nicht ganz so todesmutig wieder runter ging.
Am 2. Berg zeigt sich, daß diese Strategie die bessere war. Es galt, ca. 7km zu erklimmen, wo ich die Steigung leider nicht wußte. Ich müßte lügen, denke aber, daß es phasenweise 10% und mehr war. Mein Puls hämmerte so bei 190 Schlägen und es gab keine Alternative, als da jetzt rauf zu asten. Erschwerend hinzu kam die schlechte Sicht, die, je höher es ging, durch Nebel immer schlechter wurde. Meine Brille verabschiedete sich durch Kondenswasser und so hieß es, einfach zu hoffen, daß die Spitze irgendwann plötzlich da war. Es war wirklich ein Kampf gegen sich selber. Kein Gefühl für die Strecke, für die Zeit und ich wußte nicht, wann der Kampf ein Ende haben würde. Vor mir waren 2 Radler, hinter mir 7, aber sehen tat ich niemanden. Ich wußte nicht, ob es plötzlich noch steiler werden würde, ich wußte nicht, wie lange das noch geht, ich wußte nicht, ob mein Körper überhaupt in der Lage war, konstant am Limit zu kratzen. Der Schweiß ran mir trotz 10 Grad Außentemperaturen in Bächen runter. Trinken war nicht, weil ich sonst aus dem Rhythmus gekommen wäre. Kleinere Gänge als den kleinsten Gang konnte ich auch nicht mehr finden. Es war zum

Ich war nahe dran, einfach abzusteigen und zu schieben oder umzukehren und für den Rest meines Lebens zu beschließen, nur noch flach zu fahren. Aber es gab etwas, was mich antrieb. All die Bilder, die sich mir durch diverse Tour de France Etappen eingebrannt haben. Fahrer, deren Augen leer nach vorne blickten, deren Adern hervorquollen, weil das Blut wie wahnsinnig pumpt und deren Lungen kurz vorm Platzen waren. Nein, ich wollte da hoch. Und zwar fahrend, ohne auch nur einmal abzusteigen. Und das tat ich dann auch.
Oben angekommen hatte ich dann genügend Zeit, meinen Haushalt zu richten. Brille putzen, selbstgebackene Riegel reinschmeißen, trinken. Müssen tat ich nicht, das hatte ich offensichtlich alles ausgeschwitzt. Jemand offenbarte uns dann, daß wir etwa 40 Minuten brauchten, um die Auffahrt zu nehmen. Ich viel nachträglich noch mal in Ohnmacht. 40 Minuten hämmerte mein Puls mit 190 Schlägen und ich lebte noch? :shock2: Na ja, ist ja noch mal gut gegangen.
Bergab hieß es dann, sauber die Kurven zu nehmen und sich nicht zu verschätzen. Phasenweise hatten wir eine Geschwindigkeit von über 60kmh und da wird einem auf dem Rad schon mal anders. Schön zu sehen war, wie man durch Veränderung der Aerodynamik plötzlich an Geschwindigkeit gewinnen konnte. Wenn meine Mitfahrer plötzlich zu weit vor mir waren, hieß es, sich ganz dünne zu machen und schon hatte man wieder Anschluß.
Der 3. Berg war dann immer noch hart, aber inzwischen stellte sich eine Art Routine ein. Das Selbstbewußtsein nahm zu, daß man auch diesen Berg packen konnte. Und so war es auch.
Nach 85km erreichten wir unsere Hütten und da hieß es, Speicher aufzufüllen. Denn wir hatten uns vorgenommen, 2 Stunden später noch mal ca. 50 Minuten zu laufen. Schließlich war das ja kein Kinderfasching, auf dem wir waren, sondern ein Trainingslager von lauter Triathleten.
Der Lauf selbst war dann wieder sehr anstrengend, weil es keine Flache Strecke war. Und irgendwie wollte ich auch nicht mehr, schlug mich aber durch. Dabei sein ist alles.

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Am nächsten Tag standen noch mal 85km auf dem Programm und in der Wesemann-Gruppe fanden sich einige, die vorher in der Ullrich-Gruppe waren und in der Cappochino-Gruppe einige, die vorher in der Wesemann-Gruppe waren. Die Tour selbst war moderat anstrengend. Kein Kinderspiel, aber auch keine Tour der Leiden. Sicher spielte das Wetter auch eine Rolle, denn es schien die Sonne, was Fluch und Segen zu gleich war. Angezogen waren wir nämlich fast alle wie am Vortag und in der Sonne am Berg kam man dann doch sehr ins Schwitzen. Ich fühlte mich gut, war aber nicht mehr bereit, das Letzte zu geben. Freitag und Samstag klappte gut, da konnte ich auch mal mitrollen, ohne vorne das Tempo anzugeben.
Direkt nach den 85km sind wir dann alle noch mal gelaufen, um die Muskulatur an die Umstellung vom Rad ans Laufen zu gewöhnen. Es war aber nur eine kurze Strecke und galt mehr der Umgewöhnung.
Alles in allem war es ein geiles Wochenende. Wer gerne Rad fährt, dem empfehle ich, sich mal den ein oder anderen Berg zu gönnen. Da kann man dann mal sehen, zu was man doch alles in der Lage ist. Ich bin jedenfalls auf die nächste RTF am Donnerstag gespannt. Ich könnte mir vorstellen, daß die durch den Trainingseffekt im Harz leichter wird, als ohne Harz.
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