
Sich um 7.00 Uhr nochmals umdrehen und weiterratzen oder, nachdem Haus bauen und Baum pflanzen erledigt sind, einen Sohn zeugen und, und, und. Okay, vom letztgenannten hab ich schon 2 Prachtexemplare, aber aller guten Dinge sollen ja bekanntlich 3 sein. Und auch Wiederholungen haben ihren Reiz.


Schluss jetzt mit sündigen Gedanken, es heißt die eigene Herausforderung an einen aktuellen Leistungstest annehmen. Er beginnt als Zirkeltraining. Station 1, Schlafzimmer: Weckersignal wahrnehmen, träge Muskelmasse ohne technische Hilfsmittel aus dem warmen Bett wuchten, Balance halten beim Bodenkontakt, konzentriertes hörbares Aus- und Einatmen (landläufig bekannt auch als Ächzen, Stöhnen und Seufzen) um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Station 2, WC: Entledigung überflüssiger Körperflüssigkeiten und Ballaststoffe, schnell, diskret und ohne Spuren zu hinterlassen. Station 3. Küche: Zweckmäßige Nahrungszufuhr einer übersichtlichen Komposition magenfreundlicher Füllstoffe, d.h. Novelle Cuisine in schlichter Grundausstattung . Station 4, Bad: Antlitz kultivieren, empfindliche Körperregionen lückenlos schützen, vollständige Wettkampf-Ausrüstung anlegen, konsequente Befolgung des vorgegebenen Ablaufs. Station 5, Flur: Outfit und Equipment checken, Hilfsmittel für Zugang zur Wohnung und gewähltem Beförderungsmittel auf Vollständigkeit und Einsatzbereitschaft überprüfen und verlustsicher verwahren. Station 6, Treppenhaus: Rücksichtsvolles verschließen der Wohnungstür gewährleisten, Sitz des Sportgerätes am Fuß perfektionieren. Station 7, Tiefgarage: Mentale Abarbeitung aller absolvierten Stationen zur künftigen Perfektionierung und Fehlervermeidung.
Nachdem der Zirkel ohne Vorkommisse komplett durchlaufen war konnte es endlich losgehen. Hinaus in die brutale Wirklichkeit dieses herrlichen Sommersonntagmorgen. Das Ziel meiner heutigen Mission lautete Böblingen, Kongresshalle. Schneller erreicht als gedacht. Rund um die beiden Seen war es daher noch recht ruhig. Dort sitzend in der wärmenden Sonne fragte ich mich mal wieder, woher ich eigentlich die Motivation bekommen sollte in Kürze freiwillig meinen Körper zu stressen. Musste ich im beweisen, dass er mir auch bei blödsinnigen Anweisungen gehorchen soll? Dann fiel mir aber ein, was ich heute für ein Laufshirt angezogen hatte. Ein ganz bescheidenes unauffälliges, Teil. In grün - kein dezentes Grün - auch kein hoffnungs-volles Grün - sondern ein Giftgrün. Blöderweise stand hinten noch eine Losung drauf die zwar von mir stammte - ich mir aber heute beim besten Willen nicht mehr erklären konnte, was mich da wieder geritten hatte. Während ich der Läuferandacht lauschte gedachte ich meinem vollmundigen „Wort zum Sonntag“ das da lautete: „Tschüss Wellness, jetzt geht’s ans Ein-gemachte“.

Kurz vorm Start ist mein gedankliches Tief aber verflogen. Nach dem Start geht’s zuerst über eine Brücke, vorbei am derzeit stattfindenden Schlemmermarkt, biegen wir nach einem scharfen Rechtsschwenk in ein Wohngebiet ein. Schon den ersten Kilometer geht es bergauf. Naja, das man insgesamt ca. 80 Höhemeter gewinnt geht habe ich im Vorfeld in Erfahrung gebracht. Was ich auf der offiziellen Webseite nicht gefunden hatte war ein Streckenprofil. Und das sollte sich noch rächen.

Den ersten Verpflegungspunkt, noch weit vor der Kilometermarke 3 an der Murkenbachhalle, ließ ich großzügig aus obwohl zwischenzeitlich die 20° Grad Marke in Reichweite war. Aber so früh meinen Rhythmus zu stören war mir heute einfach zu kostbar. Kurz danach kam die Abzweigung für den 5 km Juniorlauf. Ab jetzt ging‘s stetig hoch und als wir endlich den Weg zum Wald erreichten zog die Steigung an, immer wieder unterbrochen von kurzen ebeneren Abschnitten oder Gefällepassagen. Zur Halbzeit, bei Kilometer 5 wagte ich mal einen Blick auf die Uhr: 21 irgendwas. Ja, das könnte noch einen neue persönliche Bestzeit werden. Ja, wenn es ab jetzt endlich mehr runter wie hoch ginge. Und es schien so zu sein. Leider sollte meine Milchmädchenrechnung nicht aufgehen. Die nächste Steigung raubte mir den Atem. Ich musste an dem steilen Stich zum hohen Kapf mächtig Tempo rausnehmen und zusehen wie meine Vordermänner davonzogen. Zum Glück kam von hinten keiner. Das hätte mir vollends die Laune verdorben.


Die nächste Tankstelle kurz vorm Kilometerpunkt 8 musste ich ausgiebig in Anspruch nehmen, aber der kühlende Schwamm konnte mein schwächeln nicht so richtig kompensieren. Die letzten 2 Kilometer müsste man(n) doch ins Ziel rollen können, oder? Typischer Fall von Denkste.


Als ich zuhause meine Online-Urkunde ausdrucke muss ich feststellen, dass nur Bruttozeiten gemessen wurden, obwohl ein Transpondersystem im Einsatz war. Soll ich jetzt sinnieren wie viel Zeit ich verloren habe bis zur Zeitmatte. Nein macht keinen Sinn, denn ich finde in den unendlichen Weiten des WWW noch Informationen zur nicht amtlich vermessenen Streckenlänge. Waren wohl wieder etwas weniger als 10 km. Was ich auch noch finde ist ein Streckenprofil. Auweia, sieht aus wie die auf den Kopf gestellte Jahresbilanz eines in der Nähe von Böblingen ansässigen namhaften Autoherstellers. Diese Kurven haben mir also den Atem geraubt. Mann o Mann. Hätt ich das vorher gewusst, hätte ich mich des Morgens wahrscheinlich mit anderen Kurven beschäftigt.
