runningdodo hat geschrieben:In unserer Welt würden vernünftige, verantwortungsbewußte Eltern so etwas nie tun, Brustvergrößerungen für Teenager ist ein Randphänomen, eine Monstrosität in der Logik der Maßlosigkeit und von daher hast Du völlig Recht, das mit dem Dopingthema zu assoziieren.
Das ist keine außergewöhnliche Monstrosität mehr. Sondern Schönheits-OPs im allgemeinen werden zur Normalität. Es gibt nur gerade einen kleinen Konjunkturknick, aber das ist bald vorbei. "In unserer Welt", es gibt ja nur eine, oder unterteilst du in mehrere, und wenn dann wie?
runningdodo hat geschrieben:
Wenn nur der mutmaßlich kleine Teil der Eltern, die solche Exzesse mit ihren Kindern machen würden, diese auch in einen nachweislich dopingverseuchten Leistungssport überantworten könnten, gäbe es ein erhebliches Nachwuchsproblem.
Wir haben aktuell einen "dopingverseuchten Leistungssport", und wenn es Nachwuchsprobleme gibt, haben die mit Doping meist herzlich wenig zu tun. Eher mit G8, Leistungsdruck in oder außerhalb des Sports, mit den Schwierigkeiten, Schule, Ausbildung oder Studium mit dem Leistungspoort zu vereinbaren. (Selbst als LeichtathletIn der deutschen Spitze kommst du nicht problemlos an ein Vollstipendium an ner deutschen Uni, das ist doch armselig.)
runningdodo hat geschrieben:
Medizinisch indizierte (d.h. bei gesicherter, sorgfältiger Diagnosestellung erfolgende) Ritalinmedikation für ADHS-Kinder (meinst Du das?) ist da etwas ganz anderes, denn sie entspricht dem Kindeswohl und ermöglicht oft erst eine altersgemäße Entwicklung. Und zwar nicht nur einseitig unter dem (Schul-)leistungsaspekt, sondern z.B. genauso im Hinblick auf die soziale Integration.
Ja, ich meine Ritalinmedikation. Das hört sich in der Theorie alles schön an. Aber die Praxis ist eine andere, und da kann ich dir Stimmen von Lehrern und Ärzten geben, die sich einig sind, dass es eine massive Überdiagnose gibt. Weil es eben bequem ist.
Bei den Erwachsenen ist es ähnlich, geht eben nur weniger um Ritalin, aber in diversen Ländern ist es verdammt einfach, sich mit diverse Sachen ganz legal zu versorgen, ob es jetzt Prozac o. a. ist oder irgendwelche amphetamin-ähnlichen Sachen sind, die sich Studenten reinziehen, um besser lernen zu können. Natürlich medizinisch indiziert oder ganz einfach rezeptfrei. Die Entwicklung ist hier noch nicht ganz so weit wie in USA, aber möglicherweise nur eine Frage der Zeit.
runningdodo hat geschrieben:
Gleiches gilt für viele Sustanzen und es werden immer mehr, die Kontrollen werden immer besser. Klar gibt es Lücken, aber sie werden kleiner. Und diese Entwicklung muss fortgesetzt werden, auch gegen Widerstände. Meiner Meinung nach.
Die Lücken können nur kleiner werden, wenn mehr alte Sachen entdeckt werden können als neue auf den Markt kommen. Und da täuschst du dich wohl eher. In den letzten 2 Jahrzehnten waren es wohl eher immer so etwa 10 Jahre, die man ungestört mit einer neuen Substanz dopen konnte, bis zuverlässige Tests für die neuen Sachen da waren. Ob es jetzt Epo war oder HGH.
runningdodo hat geschrieben:Wenn der Wille dazu da ist. Das ist eine politische Entscheidung.
Das ist eine sportpolitische Entscheidung. Politiker aus anderen Bereichen stürzen sich da mal darauf, weil sie auf Stimmenfang bei Eiferern wir dir gehen wollen. Dabei sind das oft diesselben Menschen, die von den deutschen Sportlern Leistungen gerfordert haben, die nur mit Doping zu erreichen waren. (Z. B. Schäuble).
Wieso soll der Wille bei den Sportfunktionären da sein? Sie profitieren doch von den dopinggestützten Leistungen ... ab und an ein Bauernopfer, und alles ist gut.
Natürlich machen die Verbände Werbung für sich, natürlich wollen viele so tun, als ob sie alles täten, damit Doper erwischt werden. Aber wenn in D wirklich so gut kontrolliert wird, warum sind deutsche AthletInnen dann nach wie vor sehr stark in Disziplinen, in denen man unheimlich gut dopen kann? Liegt alles nur an den guten Trainern?
Einer meiner Trainer in den 90ern war mal auch Jugendbundestrainer Gehen oder sowas ähnliches. Der war etwas näher dran als die meisten hier und ging davon aus, dass auch der größte Teil der deutschen Spitze gedopt war.
Warum wurden die ganzen alten Dopingrekorde nicht zur Jahrtausendwende gestrichen? Hätte man doch tun können, wenn man den Kampf gegen Doping wirklich ernst meinte ...
Du kannst gern der Eigenwerbung der Sportverbände glauben, glauben, dass die Lücken kleiner würden. Mir fällt das schwer.
runningdodo hat geschrieben:
Was willst Du eigentlich?
Was ich will ist sicher auch schwer zu erreichen, aber möglicherweise realistischer und auf Dauer erfolgversprechender als das repressive Überwachungssystem was du dir wohl vorstellst, weil das in der Realität immer ein korruptes System sein wird. Und heute ist das System mit An- und Abmeldung nach Meinung vieler schon an der Grenze von dem, was man den Sportlern zumuten kann.
Mir geht es um eine ehrliche gesellschaftliche Diskussion über sämtliche Arten von "Selbstverbesserung" und Selbst und Fremdmedikation. Um einen Diskurs über die Möglichkeiten von Anpassung an die Anforderungen der Lifestyle- und Leistunggesellschaft, sei es mittels Drogen, Doping, Operation, Training ... Ich will realistische Einschätzungen und Untersuchungen von gesundheitlichen Risiken und Kosten, will darüber reden, warum Doping und Drogengebrauch schon immer da waren und immer da sein werden. Denn kaum ein Vernünftiger Mensch will eine Welt ohne Drogen und Genußmittel, warum auch? Der Markt ist doch wohl da, weil die Menschen diese Dinge brauchen.
Mir geht es um das "Warum?" Warum werden die eine Junkies, Alkis, Problemfälle --- andere nicht. Wir wissen, dass Drogenprobleme oft eher Symptome als Ursache sind, aber was tun wir gegen die wahren Ursachen?
Du kannst nicht den Sport rausgreifen und ändern, wenn rundherum die ganze Gesellschaft so weiter macht wie bisher, bzw. sich eher noch mehr "dopt" und insgesamt fit macht.
runningdodo hat geschrieben:
Wo siehst Du den Sport denn in der Zukuft mit Dopingfreigabe?
Ungefähr da wo er heute auch ist, nur etwas fairer. Die allermeisten Sportler werden ja heute auch schon nichtkontrolliert und könnten nehmen was sie wollen. Fast jeder hjier im Foum könnte unbemerkt dopen, tut es aber nicht. Für die meisten Sportler würde eine Freigabe eines Mittels kaum was ändern.
Und möglicherweise für einige gesünder. Aber wie erwähnt, geht es nicht unbedingt um eine komplette Freigabe. Es geht um eine Prüfung der Listen mit verbotenen Substanzen. Steht THC drauf, weil Marihuana in den meisten Ländern nicht legal ist, oder wirklich weil es so viele gute Möglichkeiten gibt, mit THC-haltigen medikamenten zu dopen? Oder weil realistischerweise signifikante und relevante gesundheitliche Schäden zu befürchten sind?
Darf ein Sportler am Wochenende oder in der Saisonpause koksen oder Speed ziehen, oder eher nicht? Theoretisch darf er afaik z. B.außerhalb des Wettkampfs Kokain nehmen, jedenfalls von den Dopingreglen her. Wenn man bei einem entsprechende Spuren findet, bekommt er dennoch ärger. Nur weil das Zeug illegal ist und der Gebrauch nicht so hochoffiziell gesellschaftlich akzeptiert ist wie der von anderen harten Drogen wie Alkohol z. B.
Das ganze ist eine verlogene Diskussion, ebenso verlogen wie die Drogenpolitik. Und solange die Diskussion nicht deutlich offener und ehrlicher geführt wird, wird es da auch keine große Verbesserung geben.
runningdodo hat geschrieben:Der Arme

Nee, sorry, da habe ich kein Mitleid.
Mitleid mit Ullrich habe ich auch eher weniger. Habe ich auch nicht behauptet. Aber ich weiß auch nicht, warum gerade er das Ziel der großen Hexenjagd sein sollte.
runningdodo hat geschrieben:
So soll es allen verlogenen Dopern gehen, sie sollen auf nichts mehr stolz sein dürfen sondern sollen als mahnende tragische Beispiele enden! Dann überlegt es sich vielleicht die nachfolgende Generation doch zweimal, was erlaubt ist und was eben nicht.
Warum soll der nicht auf seine Leistungen stolz sein dürfen? Er hat doch hart dafür gearbeitet. Und gelogen hat er mit vielen seiner Aussagen auch nicht. Er hat z. b. gesagt, dass er nie jemanden betrogen habe. Wie war das gemeint?
Seine Konkurrenten hat er nicht betrogen, weil sie alle ebenso gedopt haben dürften, wahrscheinlich teilweise mehr, weil sie weniger kontrolliert wurden.
Seine (Team-)Manager usw nicht, weil die eingeweiht waren
Seine Funktionäre auch eher weniger, weil die nix wissen wollten. Im Zweifelsfall hilft da ja eine großzügig Spende, das hat bei anderen auch funktioniert.
Die Öffentlichkeit? Medien und Fans? Puh, denen hat er in etwa die Leistung gegeben, die sie von ihm sehen wollten. Aber klar, die wären sicher zufriedener mit ihm gewesen, wenn er clean hinterher gefahren wäre ...
Die Wut von Menschen wie dir scheint daher zu kommen, dass die Doper eure Illusionen zerplatzen lassen. Die Naiven, die ganze Zeit glauben wollten, dass ihre Idole cleane Halbgötter sind, reine Vorbilder, alles nur mit Talent und ehrlicher Arbeit erreicht. Das erinnert mich an die Gefühl, die Kinder haben, wenn sie merken, dass ihre Eltern auch nur Menschen sind. Oder Verliebte, die merken, dass das Objekt der Begierde Fehler und Schwächen hat.
Enttäuschte Liebe, enttäuschte Projektionen und Erwartungen. Das sind u. a. Gründe für diesen übertriebenen Hass auf die Doper. Aber "Nicht der Doper ist pervers, sondern die Welt in der er lebt." so oder so ähnlich hat das mal einer meiner Lieblingsdopingjournalisten formuliert, Gerhard Steines, selber ehemals dopender Kugelstoßer.
Die meisten die mit dem Finger auf die Doper zeigen, würden in der Situation der dopender Profisportler genau dasselbe tun: Dopen.
runningdodo hat geschrieben:
Ich fand es richtig, dass ARD und ZDF die Tour wegen des nach wie vor bestehenden massiven Dopingpproblems nicht mehr übertragen haben. So geht´s!
War da letztes Jahr keine Tour im ARD und ZDF? Geht das so?

Oder wird jetzt bei der TdF nicht mehr gedopt ....
Die meisten Medien sind Teil des Spektakels, hängen ihr Fähnchen nach dem Wind. Feiern Dopingrekorde und gedopter Sieger, um sie dann wieder nieder zuschreiben.