Eigentlich wollte ich ja diesmal gar keinen ausführlichen Bericht über meinen Lauf schreiben, eigentlich gab es diesmal ja gar nichts besonderes zu berichten ... und Fotos für einen ausführlichen Fotobericht wollte ich auch nicht machen, sondern mich diesmal ganz auf's "möglichst schnell Laufen" konzentrieren ... eigentlich ...
Hier ist er dann doch: ... als pdf-Datei mit Fotos auch hier
Zum 10-jähigen Röntgenlauf-Jubiläum gab es diese Jahr in Remscheid auch einmalig einen 100km-Lauf, auf der original Röntgenlaufstrecke, mit vorgezogenem Start in drei Leistungsgruppen um 3:00 Uhr, 4:00 Uhr und 5:00 Uhr. Gestartet wurde im Halbmarathonziel der 63km-Röntgen-Rundstrecke, d.h. statt 3 Halbmarathonstücke wurden 5 gelaufen, allerdings ohne die Schleife durch die Lenneper Altstadt, was insgesamt dann die 100 km ergibt. Ich habe natürlich die langsamste Gruppe gewählt, also war sehr frühes Aufstehen angesagt. Die maximale Zeitvorgabe von 14:30 h hoffte ich gerade so einhalten zu können, das sollte in etwa meine Leistungsgrenze sein.
Vom Treffpunkt Sportzentrum Hackenberg werden wir mit Bussen in den Startbereich gebracht, noch schnell ein Pressefoto und dann geht es auch schon hinein in die dunkle Nacht. Das Band der leuchteten Stirnlampen zieht sich nach und nach immer mehr auseinander, es bilden sich Grüppchen von Läufern mit gleichem Tempo, die sich gemeinsam durch die dunkle Nacht voran kämpfen.
Erster planmäßiger Zwischenstopp mit Verpflegung ist nach 21 km im eigentlichen Marathonziel im Freibad Eschbachtal, der nächste dann nach 42 km in Hackenberg. Hier konnte jeder vor der Abfahrt mit den Bussen seine Wechselwäsche deponieren lassen. Aber ansonsten ist bis dorthin jeder auf sich selber gestellt und muss alles Nötige mitschleppen.
Das Laufen im Dunklen war eigentlich kein Problem, die Wege waren meist gut zu laufen und super ausgeschildert. An den meisten Straßenüberquerungen waren Streckenposten, aber zu der Uhrzeit war eh kein Verkehr. So vergehen die ersten dunklen Stunden recht schnell und es beginnt langsam zu dämmern … und zu nieseln. Erst ganz leicht, dann nach und nach regnet es immer stärker, anfangs hat es nicht gestört und danach war man eh schon nass und dann war es eigentlich auch egal, denn die Temperaturen waren so, dass man nicht gefroren hat. Wenn ich da an die anderen Läufer denke, die morgens beim Start aus der warmen trockenen Halle kommend im strömenden kalten Regen auf den Startschuss warten mussten … wie unangenehm … ;-)
Durch die unterschiedlichen Startzeiten bei den 100-ern hatte ich dann auch einmal Gelegenheit die richtigen guten Ultraläufer auf der Strecke zu sehen. Sonst sind die ja vom Start an direkt auf und davon ... mein Respekt ist noch mehr gewachsen, klasse, klasse, klasse, ... da liegen ja mehrere Welten dazwischen. Sonst trifft man ja nur die Läufer in seiner Leistungsklasse auf der Strecke und dadurch kommt man sich eigentlich gar nicht soooo schlecht vor ...
Ein ganz besonderes Erlebnis, das es so wohl auch nur im Ultrabereich geben kann, hatte ich dann auf der Strecke mit Guido, einem sehr sehr gutem Läufer, den ich aus einem Internetforum kenne. Er ist in der schnellsten Gruppe um 5:00 Uhr gestartet. Nach den ersten 40 Kilometern kurz bevor wir den Weg entlang der Wuppertalsperre verlassen, hatte er meinen 2 Stunden Startvorsprung bereits aufgeholt. In dem Moment ist er als Erster des Feldes unterwegs und hat beim Vorbeilaufen nichts Besseres zu tun, als kurz anzuhalten, um sich zu erkundigen, wie es bei mir denn so läuft. Dabei versucht er seinen Handschuh auszuziehen, weil er mich mit Handschlag begrüßen möchte. Mit einem "Los, lauf weiter! Du spinnst wohl hier Zeit zu vertrödeln ..." schicke ich ihn schnell weiter. Läuft um den Gesamtsieg und hat noch Zeit sich mit mir zu unterhalten, der hat Nerven ... Er ist dann später übrigens Gesamtzweiter(!) geworden, klasse.
Nach dem Verlassen der Wuppertalsperre geht’s einen Berg hinauf und schon bald erreichen wir wieder das Sportzentrum Hackenberg, vorerst aber nur als Zwischenstopp. Die „normalen“ Röntgenläufer sind wohl gerade gestartet, man hört noch die Lautsprecherdurchsagen. Gleich wird dann ja frisches Leben auf die Strecke kommen… ;-)
Hier gibt es nun die Möglichkeit seine Sachen zu wechseln und unnötigen Ballast abzuwerfen. Da es weiterhin regnet lasse ich einfach meine nassen Sachen an, die neuen wären ja auch wieder in kürzester Zeit durchnässt gewesen. Ein trockenes Shirt und eine trockene Regenjacke bleiben im Rucksack, die könnte ich zur Not anziehen, falls mir unterwegs irgendwann kalt werden sollte. Mein Getränkevorrat war eh fast aufgebraucht, eine kleine Notration bleibt noch im Rucksack, man weiß ja nie … Ach ja, der Fotoapparat, den habe ich bisher ja noch gar nicht auspacken können, soll ich ihn hier zurück lassen, … nein es hört ja bestimmt schon bald auf zu regnen … ;-)
Schnell noch etwas trinken, eine warme Gemüsebrühe … Gemüsebrühe? Da war doch noch was? "In der kommenden Woche dürften Sie kräftiger sein als jede Gemüsebrühe, darum scheuen Sie sich nicht, auch größte Herausforderungen anzunehmen." soweit mein Wochenhoroskop in der Samstagszeitung ... ernsthaft, das stand wirklich so im Magazin des Kölner Stadtanzeigers für mein Sternzeichen Wassermann ... normalerweise lese ich so etwas ja gar nicht … Gut, mit der Gemüsebrühe konnte ich es dann tatsächlich aufnehmen, die habe ich sowas von weggehauen. Eine größte Herausforderung hatte ich ja auch angenommen, ob ich die aber auch bestehen kann, dass muss sich erst noch zeigen.
Frisch gestärkt geht es dann weiter auf der Mission „größte Herausforderung bestehen“. Schon bald nachdem wir Lennep hinter uns lassen, die Altstadtrunde bleibt uns ja verwehrt, kommen auch schon die gerade gestarteten Spitzenhalbmarathonis an uns vorbei geschossen. Ich laufe möglichst am Rand und versuche keinen zu behindern. Es war schon etwas peinlich, mit welchem Geschwindigkeitsüberschuss sie an uns vorbeigeschossen sind. Besonders peinlich wurde es, wenn der eine oder andere von diesen Superläufern dann einem auch noch ein "Respekt!" zurief ... man, ihr seid doch alle läuferisch um Lichtjahre besser als ich ... Am aller peinlichsten wurde es dann aber später auf der deutlich leereren Marathonstrecke. Ein Läufer fragte mich doch tatsächlich: "Darf ich ein Foto von dir machen, ich habe Ehrfurcht vor euch 100km Läufern". Ich wäre da am liebsten im Boden versunken, aber er ließ sich auch nicht von einem "ich laufe da doch nur ganz hinten mit" abschrecken …
Als die Spitzenläufer vorbei waren, wurde es schnell merklich voller auf der Strecke und die Geschwindigkeitsunterschiede zu mir kleiner, aber es war immer noch für jeden deutlich
ersichtlich, dass ich Schnecke nicht so ganz ins Bild passe. Viele, die beim Vorbeilaufen meine rote Nummer erkannten, riefen mir ein paar aufmunternde Worte zu oder schenkten mir ein nettes Lächeln und einen Daumen nach oben, das war richtig schön.
Dann hörte irgendwann der Regen auf und in der Ferne war Remscheid auf der Höhe unter einer dicken schwarzen Regenwolke zu sehen … da musste ich einfach kurz stoppen und doch meinen Fotoapparat aus dem Rucksack kramen. Also wird es dann doch einen Fotobericht geben, obwohl ich mich diesmal ja eigentlich ganz auf das „möglichst schnell Laufen“ konzentrieren wollte, das ist ja schließlich ein ernsthafter Wettkampf hier … ;-)
Schnell ein, zwei Fotos geschossen und die Kamera verstaut, da kommt eine Frau mit Hund vorbei. Hey, das ist doch die Susanne, eine richtig klasse Ultraläuferin aus Köln, die doch eigentlich wegen einer Erkältung gar nicht laufen wollte … also schnell noch ein paar Fotos gemacht und dann geht es noch ein kleines Stück quatschender Weise mit ihr weiter … Sie ist dann tatsächlich mit ihrem Hund die kompletten 63 km gelaufen – eine Ultrapremiere für ihn ;-) … und das anfangs bei einem Wetter, wo man nun wirklich keinen Hund vor die Tür jagt …
In Richtung Halbmarathonziel wurde auch das Tempo der anderen Läufer langsam gemütlicher. An der legendären „Proseccobar“ mitten auf einem sehr steilen matschigen Anstieg haben dann doch tatsächlich auch einige der „normalen“ Läufer ein kleines gemütliches Päuschen eingelegt, so viel Zeit muss einfach sein. Im Halbmarathonziel ist dann nochmal richtig viel Stimmung und es sind viele Zuschauer an der Strecke, für uns geht es aber nach rechts zur Seite weg und plötzlich kehrt wieder Ruhe ein auf der Strecke.
Das nächste Halbmarathonstück ist vom Streckenprofil sehr unangenehm, viele sich ewig lang hinziehende Steigungen, die für mich im jetzigen Zustand ein bisschen zu steil sind zum Laufen, aber eigentlich auch zu flach zum Gehen. Das ist sehr zermürbend, weil man die ganze Zeit das blöde Gefühl hatte, nicht richtig voran zu kommen. Und im Marathonziel im Freibad Eschbachtal droht ja noch eine Cutoff-Zeit, die es gilt einzuhalten. Für mich eine sehr ernste Sache, denn dort wegen Zeitüberschreitung jetzt noch herausgenommen zu werden, das wäre natürlich ganz übel. Also noch einmal Tempo machen. Nur noch kurze Pausen an den Verpflegungsstellen, lieber etwas mitnehmen und im Gehen trinken und essen. So erreiche ich auch diese letzte Hürde noch rechtzeitig.
Der Druck ist nun weg, jetzt kann mir eigentlich nicht mehr viel passieren, die Sonne ist inzwischen herausgekommen, blauer Himmel, herrliche Wälder und nun geht es erst einmal ein langes Stück steil bergauf. Also ist jetzt erst einmal gemütliches „Erholungswandern“ angesagt. Ach ist das schön, eigentlich habe ich es ja schon geschafft. Habe ich natürlich nicht und der Rest sollte sich noch elend lange hinziehen. Doch in wechselnden kleinen Läufergrüppchen macht es bei diesem tollen Wetter richtig Spaß, auch wenn man eigentlich nur noch so vor sich hin kriecht. Immer noch sind Zuschauer an der Strecke, die auch noch die Nachhut begeistert anfeuern.
Die Sonne beginn langsam immer flacher zu stehen und unsere Schatten werden länger und länger. In den Tälern ist die Luft nebelig. Irgendwann erreichen wir endlich die Wuppertalsperre. Heute Morgen war doch der Weg hier entlang viel kürzer, oder? Es wird dunkel, jetzt nur noch den einen Arm der Wuppertalsperre wieder etwas zurück und dann auf der Straße zur Staumauer.
Genau an der Abzweigung auf die Straße überraschen mich ein paar alte Freunde von früher, die in Lennep wohnen. Sie waren mit ihren Fahrrädern zum Zielbereich gekommen und sind mir von da aus entgegen gefahren, weil ich noch nicht dort war. Klasse Überraschung, das hat mich nochmal richtig motiviert und mit Fahrradbegleitung geht es dann noch einmal richtig flott in Richtung Ziel weiter. Das Angebot, meinen Rucksack in den Fahrradkorb zu stellen, habe ich übrigens dankend abgelehnt, ich bin doch ein richtig harter Ultraläufer, wenn auch ein extrem langsamer .. ;-)
Noch den letzten Anstieg nach Hackenberg hoch, dann noch ein paar Sträßchen und kurz vor dem Ziel hole ich sogar noch einen Läufer ein, mit dem ich mich heute schon öfters auf der Strecke getroffen hatte. Gemeinsam laufen wir ins Ziel … 15:05 h wird angezeigt. Eigentlich sollte mich die ausgesprochen schlechte Zeit ja stören, meine bislang schlechteste 100’er Wettkampfzeit überhaupt, tut es aber irgendwie nicht. Ich bin im Ziel … und es war so ein schöner Tag mit so schönem Regen und so schönen Steigungen und so vielen lieben Menschen und mit so viel Ruhe.
Alles ist gut …
Danke für's Lesen, Manfred
Röntgenlauf 2010 - 100 bergische Kilometer
12022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix