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von ET
Jaja, Kerb soll gefeiert werden. Vor Allem der Frühschoppen vorgestern war irgendwie heftig ...
Aber jetzt das 4. Teil:
Um 19:00 Uhr als 324. begab ich mich wieder auf der Strecke. 7 Stunden vor Cut-Off. Habe ich genug geschlafen? Ich wusste es nicht. Es fiel mich aber nicht schwer, auf zu stehen. Sektor 4 kannte ich von unsere Erkundungs-Wochenende von vor etwa 8 Wochen. Es ist angeblich der schwierigste Abschnitt. 53 km und 4 Gipfel von etwa 2300 m. Der Anfang ist allerdings bei 330 m.
Es war noch hell und den ersten kleinen Buckel mit 500 hm von Donnas nach Perloz konnte ich noch weitgehend im Hellen machen. Danach ging es ans Eingemachte. Rifugio Coda liegt auf 2224 m. Von Perloz (663) aus sind das knapp 1600 hm. Das ist eine Menge. Die Strecke verläuft überwiegend im Wald. So hin und wieder ziemlich steil, mal abgewechselt durch ein paar Dorfchen. Irgendwann sah ich eine Bank. Da wechselte ich mir die Batterien von meiner Stirnlampe. Irgendwie lief es nicht so wie ich wollte. Zwar wurde ich, außer von einem Japaner der Blitzschnell an mich vorbeilief, nicht überholt aber ich fühlte mich müde. Nachdem ich noch was gegessen hatte, machte ich mir mit einem Engländer weiter auf dem Weg. Viel sprachen wir nicht. Auch ihm ging es nicht besonders gut. Es war warm, … sehr warm. Ich hatte nur ein T-Shirt an und trotzdem war mir nachts warm. Bei der nächste Verpflegung Berger/Sassa (1443) merkte ich, daß ich meine Reserve-Batterien nach dem Batteriewechsel vergessen hatte einzustecken. Die Stirnlampe war versorgt aber mein GPS- Gerät bräuchte heute auch noch welche. Es geht aber auch ohne. Innerhalb von ein paar Minuten waren wir wieder unterwegs.
Jetzt wurde es steiler und die Bäume wurden weniger. Irgendwann kam dann das fiese Stück nach Col Carisey. Öfter waren Geröllfelder ohne erkennbarer Weg zu überqueren. Dann wurde es sumpfig, danach wieder steiler und recht ungemütlich und windig dazu. Der Anstieg dauerte lange. Der Engländer war mittlerweile ein ganzes Stück hinter mir. Endlich dann Col Clarisey (2124). Von dort aus konnte man sagenhaft in die Piemont herunter schauen. Tief im Tal sah man die ganze Ebene voller Lichter. Für mich ging’s jetzt am Grat entlang nach Rifugio Coda (2224). Dieses Stück hatte ich deutlich kurzer in Erinnerung. Oben angekommen bekam ich eine Ministronesuppe. Der tat so gut, daß ich noch einen Teller fragte. Irgendwie war meine Müdigkeit verschwunden und fing mit dem Abstieg an. Hier musste ich fluchen. Ja, der Abstieg ist steil und unwegsam. Ich hatte dummerweise für diesen Sektor mal die Schuhe gewechselt. Die Salomons sind etwas steifer als meine Asics-Trabuccos. Da es in Sektor 4 sehr steinig ist, dachte ich meine Füße damit etwas zu schonen. Woran ich aber nicht gedacht hatte, ist das die Salomons durch das härtere Gummi auch weniger Gripp haben. Ich fluchte weil das Bergablaufen damit nicht so schnell ging. Öfter rutschte ich aus und saß auf meinem Hintern. So ein Mist. Erst heute Abend gäbe es wieder die Möglichkeit auf meine Trabuccos zurück zu wechseln. Hier musste ich durch. Deutlich langsamer bergab wurde ich dann auch von ein paar anderen eingeholt. So bald es flacher wurde, konnte ich wieder mithalten. Die Gegenanstiege waren recht willkommen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich unten bei Lago Vargno (1670), ein Stausee mit Verpflegungspunkt, ankam. Hier wurde gegrillt. Dafür hatte ich kein Auge und bin nach 5 Minuten schon wieder weiter gezogen. Eigentlich wollte ich noch im Dunkeln oben auf Col Marmontana (2348) ankommen. Das klappte vorne und hinten nicht. 30 Minuten vor dem Col musste ich mich für 15 Minuten hinlegen und die Augen schließen. Danach ging’s wieder. Es war aber schon hell geworden. Die letzten Höhenmeter waren schnell erledigt.
Auf die andere Seite ging es wieder steil bergab. Wieder verfluchte ich meine Schuhwahl. Vorsichtig rutschte ich zum Verpflegungspunkt am Lago Chiaro (2096) Hier war der Verpflegungspunkt in einer Kabine, der vom Hubschrauber dahin gebracht worden war. Das gab es öfter hier bei dem Wettkampf. Was für ein Aufwand doch betrieben wurde um es uns Läufer recht zu machen. Unglaublich. Ab hier konnte ich wieder joggen. Leider nicht lange, denn es ging noch mal steil Bergab, bevor es auf einmal rechts steil Bergauf ging. Col de Crenna Lui (2311) ist steil aber irgendwie gefällt mir diesen Berg weil er so einzigartige Formen hat. Deswegen habe ich da 2 sehr schöne Bilder machen können. Gemeinsam mit einem (anderen) Engländer war den steilen Anstieg doch recht flott bewältigt. Der weg `runter war anfänglich eine wahre Katastrophe: steil, sandig, rutschig. Ich konnte weinen, so verfluchte ich die Salomons. Aus dem Schatten heraus, wurde es dan wegsamer. Hier konnte ich wieder auf den Engländer aufschließen. Gemeinsam ging’s weiter über einen kaum erkennbaren Pfad bis zur Verpflegung kurz vor Col della Vecchia. Hier wurde gegrillt, lagen ein paar Teilnehmer in der Sonne und in der abgestellten Kabine schliefen ein paar Teilnehmer. Gesellig setzte ich mich ans Lagerfeuer und unterhielt mich mit einer Teilnehmerin, dessen Mann in der Kabine eine Runde schlief. Sie war nicht müde und besser drauf als letztes Jahr, wo sie in der 4. Sektor aufgeben musste. Nach einem Bierchen machten der Engländer und ich uns auf dem Weg. Es waren noch 200 hm bis Colle della Vecchia (2184). Danach verlief die Strecke über einen gut laufbaren Römerweg. Irgendwie fand ich es übertrieben, hier ins Abseits so fein säuberlich angerichtete Steine zu finden. Als der Römerweg zu Ende war, fing der Wald mit seine vielen Gegenanstiege an. Die Mittagshitze war gerade so mal erträglich. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir im Malerischen Niel an. Erfreulicherweise erfuhr ich, daß ich 278. war. Trotz zunehmende Müdigkeit einer sehr erfreulige Nachricht. Ich konnte es mir dennoch nach knapp 76 Stunden laufen mit lediglich 3 Stunden schlafen nicht erklären.
Ein Viertel Stündchen Pause in der Mittagshitze musste sein. Ich nahm eine Liege und füllte meine Trinkblase. Ein Teilnehmer gegenüber mir wurde von Sanitäter an seine Füße behandelt. Seine Füße sahen recht schlecht aus. Ich inspizierte meine Füße: Gamaschen hoch, Schuhe aus, Kompressionsstrümpfe aus. Außer Dreck und ein paar rote Druckstellen konnte ich nichts finden. Ich reinigte meine Füße und zog 5 Minuten später alles wieder an. Wieder 5 Minuten später befand ich mich wiede auf der Strecke, diesmal eine elend unebene alte Römerstraße, bei dem man immer aufpassen muß, seine Hacksen nicht zu brechen. Nach etwa 200 hm in der Hitze legte ich mich ins Grass unter einem Baum und schloss meine Augen. Etwa ¾ Stunde später ging ich weiter. Col Lazoney (2364) ist der letzte Berg vor Gressoney, der 4. Base Vita. Immer noch müde drückte ich mich hoch. Von andere Teilnehmer keine Spur. Dann irgendwann auf halber höhe klingelt mein Handy. Nur wenigen kennen die Nummer. Merkwürdigerweise wurde ich in 10 Minuten von 4 verschiedenen Leuten angerufen die wissen wollten wie es mir ging. So ein Zufall. Langsam kamen Wolken vor der Sonne. So ab 2000 m Höhe ging es mir dann auch deutlich besser und konnte mich an 2 Mitstreiter hängen, die mich gerade überholt hatten. Gemeinsam kamen wir oben an. Ab dort ging’s aber nicht bergab. Eine lange Hochebene nach Oberloo ließ sich so gut laufen, daß ich meine Mitstreiter bald nicht mehr sehen konnte. Ich war Euforisch. Endlich ging’s mir wieder gut.
Bei der Verpflegung in Oberloo meinte der Mann dort, daß es nur noch gut eine Stunde nach Gressoney wäre. Ich erwiederte: „nie im Leben“. Ich kenne diese Strecke doch. Bald käme ein sehr unangenehmes Felsbrocken-Geröllfeld. Er meinte, er hat den Weg gemacht und wusste nichts von Unangenehmlichkeiten. Verunsichert setzte ich meinen Weg fort. Die Strecke war aber genau so gesteckt, wie wir sie im Vorfeld erkundigt hatten. Natürlich kam dann doch dieses Geröllfeld. Mitten im Wald ging’s gnadenlos steil bergab. Fast nirgendwo fand ich mit meine Salomons einen Halt. Ich fluchte jeden Baum an. „Das darf doch nicht wahr sein“. „Keiner geht hier doch freiwillig spazieren“. Dann kam mir ein italiänisches Pärchen entgegen. Sie waren zum Spaziergang hier unterwegs. Ich verstand die Welt nicht mehr. Nach eine ewig dauerde Kraxelei kam ich dann unten an auf etwas was einigermaßen laufbar war. Nur ich wollte nicht laufen. Diese Aktion hat mir wieder mindesten eine knappe Stunde extra gekostet. Später auf dem Asphalt stand „1500 m“ gemalt. Diese bin ich dann nur noch lediglich stramm gewandert. Zu mir gesellten noch ein paar Teilnehmer, alle ähnlich fertig wie ich. Gottseidank war da dann endlich die Sporthalle in Gressoney. Dennoch hatte ich mich nach 81 Stunden laufen auf den 274. Rang vorgearbeitet, allerdings mit nur noch 6 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Ich war erst mal fertig mit der Welt. Ein Bier und eine Dusche, aber dalli!
Werd vortgesetzt ...

Jede Freude ohne Allohol ist Kuenstlich.